Viele Städte sind von Wasserstraßen durchzogen – in der Vergangenheit war es etwas ganz Normales, Lagerhäuser und Betriebe von Flüssen und Kanälen aus zu beliefern. Dann kam der Lkw und verdrängte das Binnenschiff, weil er flexibler, schneller und günstiger ist.
Jetzt entdecken die Logistiker das Boot für die Metropolen neu, weil es dank Elektroantrieb leise und emissionsfrei ist und autonom gesteuert kostengünstig und flexibel wird. Pilotversuche und Konzepte gibt es dazu in den Niederlanden und Norwegen – und jetzt auch in Berlin.
In der Hauptstadt hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) jetzt gemeinsam mit Partnern wie der Technischen Universität Berlin, dem IT-Konzern Infineon und der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam das Projekt „A – Swarm“ (Autonome elektrische Schifffahrt auf Wasserstraßen in Metropolenregionen) gestartet. Die Idee: Kleine autonome Boote sollen den Gütertransport übernehmen. Sie können sich aneinanderkoppeln, suchen selbstständig ihren Weg zu Güter-Hubs, die über die Stadt verteilt sind, und entladen sich sogar eigenständig. Von dort werden dann die Empfänger über die Straße beliefert, aber eben nur noch über kurze Distanzen.
Dank Elektroantrieb sind die Boote nicht nur leise und stoßen auch keine Treibhausgase aus, sie pusten zudem auch keine Stickoxide, Schwefeloxide und Partikel in die Luft wie mit Diesel oder gar Schweröl betriebene Frachter. A-Swarm läuft bis Mitte 2022, in diesem Zeitraum wollen die Partner die Boote durch einen Demonstratorbetrieb im Bereich des Berliner Westhafens testen.
Niederlande sind schon weiter
Was Berlin gerade testet, ist der niederländischen Großstadt Utrecht bereits Realität, dort versorgen Elektroboote Kneipen und Geschäfte in der historischen Altstadt. Allerdings fahren diese Boote nicht autonom.
In Rotterdam wiederum sollen elektrisch angetriebene Container-Schiffe den Überseehafen mit dem Hinterland verbinden. Entwickelt hat das Konzept namens Portliner der Unternehmer und Werft-Besitzer Ton van Meegen. Das von ihm entworfene Binnenschiff kann bei einer Länge von 110 Metern bis zu 280 20-Fuß-Container transportieren. Das sind laut Firmenangaben acht Prozent mehr als bei vergleichbaren konventionellen Schiffen, weil der Maschinenraum wegfällt.
Unter dem absenkbaren Ruderhaus befinden sich vier E-Powerboxen, die von der deutschen Firma Tesvolt aus Wittenberg stammen. Mit diesen Akkus soll das EC110 genannte Schiff 14 Stunden fahren können, was für die Strecke Rotterdam Duisburg reichen soll. Sind die Energiespeicher leer, kann der Kapitän sie im Hafen innerhalb von vier Stunden laden oder die Stromspeicher gegen volle tauschen.
Auch diese Schiffe sollen künftig autonom fahren können. Wann die ersten vom Stapel laufen, macht Portliner-CEO Van Meegen vom Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Häfen abhängig.
In Norwegen ist kommendes Jahr Stapellauf
Deutlich kleiner, aber dafür schon weiter fortgeschritten ist die Yara Birkeland. Die norwegische Spezial-Werft Vard baut sie derzeit für den ebenfalls norwegischen Düngemittelhersteller Yara. Die Übergabe soll im ersten Quartal 2020 erfolgen. Das vollelektrische Schiff kann bis zu 120 Standard-Container aufnehmen und soll dann Dünger von Yaras Fabrik in Porsgrunn im Süden des Landes zu den Tiefseehäfen in Larvik und Brevik bringen – eine Strecke von knapp 60 Kilometern.
Anfangs soll die 25 Millionen Euro teure Yara Birkeland bemannt sein, ab 2022 soll sie dann vollautonom unterwegs sein. Sie ersetzt dann bis zu 40.000 Lkw-Fahrten pro Jahr, mit denen bisher der Dünger transportiert wurde. Die Akkus des Schiffes speichern übrigens sieben Megawattstunden Strom – so viel wie 75 Taycans von Porsche.