Schalten & Walten

Elektroautos gelten ja gemeinhin als so etwas wie ein Smartphone auf Rädern, gewissermaßen als rollende Heimstätten mit Internetanschluss. In der Beziehung sind beide Fahrzeuge gute Vertreter der neuen Zeit – bestens vernetzt, vollgepackt mit Assistenten, die den Fahrbetrieb sicherer und die Kommunikation mit der Außenwelt leichter machen können. Der Zoe 2 hat in Phase 2 einen Tot-Winkel-Warner, einen Fernlichtassistenten serienmäßig an Bord, hält auf Knopfdruck automatisch die Fahrgeschwindigkeit und hält dabei auf der Autobahn automatisch die Spur. Er erkennt Tempolimits, fährt am Berg automatisch an und lenkt gegen Aufpreis das Fahrzeug halbautomatisch in eine Parklücke.

Der Corsa erkennt obendrein in der Stadt, wenn Fußgänger die Fahrbahn überqueren wollen und bringt notfalls das Auto selbständig zum Halt. Auf der Autobahn hält er nicht nur die Geschwindigkeit, sondern im Stau auch den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und bremst bei Bedarf bis zum Stillstand ab – um selbständig wieder anzufahren, wenn der Verkehr wieder ins Rollen kommt. Derlei Features gab es bis vor kurzem nur in der Luxusklasse.

Leuchtstarke LED-Scheinwerfer haben beide Fahrzeuge. Der Opel lässt sich sogar gegen Aufpreis mit einem intelligenten Matrix-Licht ausstatten, das eine Blendung des Gegenverkehrs oder von Fußgängern durch das Fernlicht verhindert. Was will man mehr?

Wie intelligent sind die beiden Stromer?

Als Fahrer eines Elektroautos natürlich einen Assistenten, der bei der Routenplanung den Ladezustand der Batterie und die Verfügbarkeit von Ladestationen berücksichtigt. Beide Hersteller haben dafür Apps entwickelt, die, nun ja, eine gute Basis dafür bilden. „My Renault“ heißt die für den Zoe, „MyOpel“ – richtig geraten – die von Opel. Darüber lässt sich unter anderem der Ladevorgang steuern, auch der Innenraum des Autos vorklimatisieren und bei Renault auch eine Fernroute samt Ladevorgängen planen. Dem kleinen digitalen Helfer sagt man, wie der aktuelle Ladezustand ist und mit wie viel Rest-Energie man am Ziel ankommen möchte. Er empfiehlt dann eine Ladestrategie unter Berücksichtigung von Reisezeit, Fahrweise und favorisierten Ladesteckern. – eingegeben unter unter Bei Renault heißt. Zumindest in der Theorie – in der Praxis neigt die App derzeit noch zu Abstürzen.

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Informationszentrale

Über die Knopfleiste unterhalb des 10-Zoll großen Touchscreens lassen sich im Opel bestimmte Funktionen des Multimedia-Systems direkt aufrufen. Das Navi bietet zahlreichen Darstellungsmöglichkeiten undweist den Weg zum Ziel – oder zur nächsten Ladestation. Foto: Opel

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Wer lässt sich denn so etwas einfallen?

Renault hat die Schalter etwa für den Spurhalteassistenten, zum Öffnen der Ladebuchse, für die Lenkradheizung und auch für die Deaktivierung des Fußgänger-Warnsystems links vom Lenkrad, etwa in Kniehöhe des Fahrers platziert. Besser und sicher auch kostengünstiger wäre es gewesen, solche Funktionen wie bei Tesla in das Menü auf dem zentralen Touchscreen zu integrieren. Foto: Rother

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Externe Orientierungshilfe

Mit Hilfe der neuen Service-App von Free2Move können Fahrer des Corsa-e ihre Route entlang der Lademöglichkeiten planen und während der Pause den Ladestatus des Autos abrufen. Auch die Buchhaltung erledigt die App. Foto: Opel

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Ein-Stopp-Strategie

Mit Hilfe der „My Renault“-App kann der Fahrer der Zoe die Route zum Ziel unter Berücksichtigung der Ladezustände schon daheim planen und dann ins Fahrzeug senden. Das funktioniert ganz ordentlich – meistens. Foto: Rother

Opel setzt vielleicht auch deshalb bei der Reise- und Ladeplanung auf eine App des aus der Carsharing-Branche bekannten Dienstleisters Free2Move. Ähnlich wie bei Renault ist auch hier eine dynamische Routenplanung unter Berücksichtigung unter anderem des Ladeniveaus der Batterie möglich. Obendrein können registrierte Vertrags-Kunden gegen Zahlung einer monatlichen Grundgebühr von 4,99 Euro über die App auch die Ladevorgänge abrechnen. Für die Freischaltung der Säule gibt es eine Ladekarte. Renault lässt die Fahrer der Zoe in dem Punkt derzeit noch allein: Er muss – oder kann – sich seinen Lade-Provider selbst aussuchen oder spontan entscheiden, mit welcher App oder Ladekarte er seinen Strom bezieht und abrechnet.

Geld & Kapital

Womit wir bei der entscheidenden Frage wären: Sind die beiden Elektroautos ihr Geld wert? Beide verstehen sich immerhin als so etwas wie „Volks-Stromer“, werden von ihren Herstellern ebenso umweltfreundlichen wie preiswerte Erst- und Zweit-Fahrzeuge für Singles und junge Familien beworben. Nun ja, wirklich günstig sind beide nur bei einer Vollkostenbetrachtung, inklusive Steuern, Wartungs- und Energiekosten. Die Preise für den Corsa-e beginnen bei 29.900, für einen Zoe 50 mit der 100 kW starken Maschine vom Typ R135 werden wenigstens 33.990 Euro fällig – wenn man sich entscheidet, von Renault die Batterie zu kaufen statt zu mieten, wie es der deutsche Konfigurator im Internet nahelegt. Ohne Batterie ist Zoe 8090 Euro – er fährt dann aber auch nur nach Zahlung einer Batteriemiete von wenigstens 74 Euro monatlich.

Und in den Basispaketen sind viele der netten Features, über die wir hier berichtet haben, natürlich nicht enthalten. Bei beiden Testwagen handelte es sich um die jeweiligen Topversionen, aufgepeppt mit allerlei aufpreispflichtigen Extras. Der Opel Corsa-e in der Ausführung First Edition kam so auf einen Listenpreis von 38.370 Euro. Und für den Renault Zoe Intens R135 Z.E. 50 wäre inklusive Batterie sogar eine Summe von 41.774 Euro fällig.

Ok, der Ökobonus, je zur Hälfte getragen vom Finanzminister und dem Autohersteller, reduziert die Kaufsumme mittlerweile mit 6000 Euro. Trotzdem liegen die Preise immer noch deutlich über denen der Schwestermodelle mit einem konventionellen Antrieb: Ein 130 PS starker Opel Corsa GSI in vergleichbarer Ausstattung ist trotz Ökobonus immer noch rund 4000 Euro günstiger. Und ein vergleichbar großer und luxuriös ausgestatteter Renault Clio wäre sogar schon für 25.500 Euro zu haben.

Rechnet sich die Anschaffung?

Opel argumentiert allerdings für den Stromer mit einer Ersparnis bei den Energiekosten gegenüber einem Benziner von 916 Euro im Jahr. Hinzu kommen allerlei weitere Vorteile, wenn das Auto als Dienstwagen genutzt wird. Ähnliche Rechnung lassen sich ohne Probleme für den Zoe anstellen.

Geschmackssache
Ob der Opel Corsa-e oder der Renault Zoe besser zu einem passt, hängt von vielen Aspekten ab. Der Kaufpreis zumindest spricht für den Opel. Foto: Rother

Ob sich die Anschaffung eines Elektroautos rechnet, muss ohnehin jeder mit sich selbst klären. Hier bleibt nur noch eine Frage offen: Zoe oder Corsa-e?

Nach dem Kurztest lässt sich die Frage nicht ganz eindeutig beantworten. Die Antwort hängt vom Einsatzzweck des Fahrzeugs ab und den persönlichen Vorlieben ab.

Für den Opel spricht unterm Strich der günstigere Preis und die hohe Stromaufnahme an der Schnelllade-Säule – wenn man das Auto regelmäßig nutzen möchte, um auf Fernfahrt zu gehen. Der Zoe bietet kleine Vorteile beim Platzangebot und Energieverbrauch sowie im Regionalverkehr, wenn das Auto überwiegend an Wechselstrom-Ladern daheim oder im öffentlichen Raum preisgünstig Strom zapft. Letztlich bleibt es aber Geschmackssache: Fährt man gerne sportlich oder zieht man es vor, spacig-elegant durch die Landschaft zu gleiten?

Der Platzhirsch spielt seine Erfahrungen aus

Das eigentliche Überraschende aber ist: Für ein Modell, das bereits seit sieben Jahren auf dem Markt ist und auch für Phase 2 im Grunde nur optisch überarbeitet wurde, schlägt sich der Platzhirsch gegen den Herausforderer erstaunlich gut. Der Reifungsprozess schlägt sich beim Renault beispielsweise in der Sparsamkeit des Antriebs nieder, aber auch in der besseren Geräuschdämmung. Der Corsa leidet unter dem Handicap, nicht speziell für den Elektroantrieb entwickelt worden zu sein – wie etwa beim e-Golf oder e-Up von Volkswagen mussten die Ingenieure hier Kompromisse eingehen, weil die Fahrzeugkarosserie auch für Varianten mit einem Verbrennungsmotor herhalten muss. Zudem scheint bei Opel mit der Trennung von General Motors einiges an E-Erfahrung verloren gegangen zu sein. Die neue Mutter konnte da nicht aushelfen: Der PSA-Konzern bezog seine Elektroautos zuvor von Mitsubishi Motors aus Japan, ohne selbst viel dazu beizutragen. Die Folge: Mit den Fahrleistungen allein kann der Herausforderer den Platzhirsch nicht aus dem Felde schlagen.

Ob Zoe oder Corsa: Sie haben Zeit, darüber nachzugrübeln, welches Elektroauto besser zu Ihnen und Ihren Bedürfnissen und Vorlieben passt: Sowohl das Renault-Werk in Flins als auch das Werk von PSA im spanischen Saragossa, wo der Corsa-e zusammen mit seinem Schwestermodell Peugeot e-208 produziert wird, sind wegen der Corona-Seuche aktuell stillgelegt. Die Lieferzeiten dürften sich dadurch nochmals deutlich verlängern. Beim Corsa war schon vor Ausbruch der Corona-Krise von Lieferterminen im Dezember die Rede.

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8 Kommentare

  1. Duesendaniel

    Die Ladegeschwindigkeit ist leider das Manko bei Beiden, 47kW ist mir da auf Mittel- und Langstrecken einfach zu wenig. Deshalb haben wir jetzt den ID.3 bestellt, der hat mit bis zu echten 100 bzw. 125 kW eine ganz andere Ladekurve und braucht von 20 auf 80% für echte 240 km auf der Autobahn im Sommer gerade einmal 30 Minuten. Eine andere Welt!

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    • Franz W. Rother

      Nur zur Klarstellung: Der Corsa-e lädt wie der ID.3 (mit kleinem Akku) an der DC-Schnelladesäule bis zu 100 kW, an der AC-Säule mit 11 kW. Die Zoe hat an der AC-Ladesäule eine Ladeleistung von 22 kW, am DC-Lader bis zu 50 kW.Das sind allerdings alles theoretisch Werte. Interessant ist, wo möglich, bei allen drei Autos einmal den Verlauf der Ladekurven zu verfolgen.

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  2. Grax

    Überraschung am Ende?
    Das kommt auf den Blickwinkel an:
    Wer erwartet hat, dass die Neuentwicklung noch reifen muss um den Platzhirsch zu erreichen wird überrascht sein, das Opel auf Anhieb gleichziehen kann.
    Wer erwartet hat das sich der Platzhirsch als in die Jahre gekommenes Model herausstellt wird überrascht sein das es Renault gelungen ist mit vorsichtiger Weiterentwicklung an der Spitze zu bleiben.
    Es wird sich zeigen müssen ob es Opel wie Renault gelingt rasch hunderttausende Fahrzeuge seines Neulings in der erwarteten Marken-Qualität auszuliefern.

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  3. Grax

    Wurde auch Zeit das es nun einen günstigeren echten Konkurenten für den ZOE gibt, sonst hätte Renault keinen Anlass weitere ggf. günstige E-Modelle zu bringen: Twingo ZE und Dacia Spring

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  4. André

    Naja. … diese Materie ist, von Hause aus, schon immer sehr komplex.
    Schwarz/weiß hilft nur den PR – Trollen.
    So wie heutzutage verschiedene Antriebskonzepte zeitgleich ihre Berechtigungen erfahren, bleibt es auch in naher Zukunft.
    Variable Ölpreise und der 30 Zentimeter-Blick ins deutsche Portemonaie konnten noch Niemanden heilen.
    Denn: Nachhaltigkeit ist eine Haltung, die kein Anfang oder Ende kennt.

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  5. Strauss

    Man sitzt besser im Zoe, mehr Reihweite und laden mit Drehstrom 22 KW.günstiger durch die Batteriemiete

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  6. Alexander Wieland

    Der neue Corsa-e von Opel macht dem Platzhirsch Renault Zoe das Revier streitig. Die erste Begegnung der beiden Rivalen in freier Wildbahn endete mit einer Überraschung.

    Überraschung: Nach dem Kurztest lässt sich die Frage nicht ganz eindeutig beantworten. Die Antwort hängt vom Einsatzzweck des Fahrzeugs ab und den persönlichen Vorlieben ab. ??? -Danke, Ostereier suchen birgt mehr Überraschungen 🙂

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    • Franz W. Rother

      Es gibt noch ein paar andere Punkte. Ich habe diese aufgrund Ihres Hinweises noch einmal herausgearbeitet.

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