Zum Monatsende ist Deadline. So oder so. Dann sind die 30 Tage rum. Dann ist Sono Motors tot – oder es geht mit den dringend benötigten 50 Millionen Euro (erst einmal) ein Stückchen weiter. Und das wissen jetzt nach über dreistündiger Diskussion auch wirklich alle, die an diesem Abend in Berlin ins ein wenig abenteuerlich-schräge Kreuzberger MotionLab gekommen sind. Sie wollten hören, ob das alles nur ein schöner Traum war oder noch ein Wunder passiert. Ob dieses volksnahe Elektroauto, für das viele die 500 Euro Anzahlung überwiesen haben, doch noch Realität wird. Manche von ihnen haben sogar schon den vollen Preis von 16.000 Euro bezahlt. Die Stimmung in der Halle 20 pendelt permanent zwischen Zoff („Utopisten!“, „Naive Waldorf-Schüler“), Verzweiflung („Wenn das nichts wird, bin ich wahnsinnig traurig“) und Hoffnung („Ich glaube immer noch an euch, Jungs!“).
Das Publikum? Nur wenige von den blutjungen Techis, aber sehr viele Familienväter. Sogar Senioren, die meisten haben irgendwie einen technischen Background: Informatiker, Elektroingenieure, Maschinenbauer. Und alle wollen jetzt unbedingt was Gutes tun, das über eine Solaranlage auf dem Dach hinausgeht. Wenigstens ein wenig die Welt retten. Sie kommen aus Berlin und Umgebung, einige sogar aus Leipzig und Magdeburg. Fast alle duzen sich. Keine Krawatten, keine weißen Hemden, keine spitzen Schuhe. Vorstellung nur per Vornamen.
„Was ehrlich Grünes“
Sie wollen zum Beispiel wie Markus „ein Zweckauto für den täglichen Bedarf“, ein ökologisches Auto „einfach als »Gebrauchsgegenstand“ (Christian), was „Praktisches für die Stadt“ (Michael), „das passende Auto zum eigenen Solarstrom“ (Konrad von der Insel Rügen) oder einfach „was ehrlich Grünes“ (Klaus), das nicht aus einem Großkonzern, sondern aus einem Start-up mit Sendungsbewusstsein kommt. Eine aufgeregte junge Frau, die auch per Anzahlung bestellt hat, will unbedingt wissen wie es nun weitergehe, „schließlich sollte es ja jetzt zum Jahresende einen richtigen Kaufvertrag geben!“ Und für 2020 waren mal Auslieferungen versprochen. Spontaner Beifall brandet auf, als einer auf „die Mafia der großen Autokonzerne“ schimpft.
Vor einer halben Stunde gab es noch einmal das übliche Gedränge um diesen schwarzen Elektro-Sion, der fast rundum mit 248 Solarzellen beplankt ist. Die sollen an sonnigen Tagen den Strom für bis zu 34 Kilometer zusätzlicher Reichweite liefern. „Das Auto, das sich selbst lädt“, sagen sie bei Sono Motors. Dieses kompakte, bis zu 140 km/h schnelle, fünfsitzige Raumwunder mit bis zu 650 Liter Ladevolumen. Riesig, dieser Stauraum hinter der großen Heckklappe. Wie der neue Golf nur 4,30 Meter lang, aber der hat, haha, nur einen 380-Liter-Kofferraum. Der Sion ist 1,67 Meter hoch, und Markus ist noch immer begeistert: „Das ist fast ein richtiger Van, so was baut doch kaum noch jemand!“
Die von ElringKlinger zugesagte flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie (prismatische Zellen) liegt flach im Unterboden (hier auch zur Anschauung mal auch gleich daneben), ihre 35 kWh sollen eine Reichweite von 255 Kilometern garantieren. Aufladen? Dauert 13 Stunden an der Haushaltssteckdose, bis zu 3,5 Stunden an einer normalen Ladestation und nur 30 Minuten (mit 50 kW auf 80 Prozent) an der CCS-Schnellladesäule. Den 120 kW (163 PS) starken, sehr kompakten 3-Phasen-Synchronmotor für den Frontantrieb würde, so war es zumindest geplant, Continental zuliefern. Sogar eine bei Stromern seltene Anhängerkupplung gibt es, maximal 750 Kilogramm dürften an den Haken.
Viele tolle Ideen
Dank bidirektionalem Laden soll der Sion («biSono«) sogar Strom abgeben können, nicht nur im Haushalt (bis 3,7 kW), sondern auch für andere Elektroautos (bis 11 kW). Können nur wenige. Im Notfall, so die Ansage der Sono-Techniker, soll das Auto bei voller Batterie in Einfamilienhaus mit vier Personen für drei Tage mit Strom versorgen können. Ja, toll. Und dann noch diese schlaue »goSono«-App, mit der sich Freund Sion, damit ein bisschen Geld wieder reinkommt, bestens für Ridesharing (Mitfahrangebote) und Carsharing (privater Autoverleih und so) nutzen lassen könnte. Sämtliche Datenverbindungen werden, so der Plan, von einer feinen Bosch-Unit gesteuert. Und am Ende soll das Auto nicht nur von unabhängigen Werkstätten, sondern sogar von seinem Besitzer repariert werden können, weil Sono Motors edelmütig auf Werkstatt-Lizenzen verzichtet und das entsprechende Handbuch frei dann einsehbar ist. Logo, die Hochvolt-Technik sei davon natürlich ausgenommen.
Zugegeben, der in Berlin wieder gezeigte Sion sieht noch ziemlich rustikal aus. Viel Hartplastik, relativ grobe Übergänge, dazu Spaltmaße, die einen verwöhnten VW-Vorstand dramatisch zum Weinen bringen würden. Aber das Ding ist ja noch mehr Studie als Prototyp, inzwischen gibt es ja die CAD-Design-Animationen vom fertigen Auto, das übrigens nur 1,4 Tonnen wiegen soll. Und auf denen macht dieser Sion tatsächlich einen obercoolen Eindruck. Ebenso sein puristischer Innenraum mit dem dominierenden 10-Zoll-Display und dieser knallgrünen Cockpit-Leiste aus Islandmoos («breSono«), das die Luftfeuchtigkeit regulieren und Feinstaub filtern soll. Darauf muss man, wenn’s denn in natura tatsächlich funktioniert, erst mal kommen.
10.600 feste Reservierungen – bis heute
Am Preis hat sich übrigens nichts geändert. Das Auto kostet, Stand heute, also 16.000 Euro. Der Preis der Batterie soll bei 9500 Euro liegen, wobei die sich auch (prompte Bestätigung auf die Frage von Steffen) weiterhin mieten oder leasen lassen soll. Falls die Preise der Zellen beim chinesischen Zulieferer („Den Namen dürfen wir noch nicht verraten“) sinken, könnte das Energiepaket womöglich günstiger werden, ist in Berlin am Rande zu hören. Das sei vertraglich vereinbart. Was vergessen? Ja, es gibt für den Sion über 10.600 feste Reservierungen, und mit dem Ex-Saab-Werk im schwedischen Trollhättan (NEVS, gehört mehrheitlich der chinesischen Evergrande Group) wurde bekanntlich eine kostengünstige Produktionsstätte gefunden. Wobei immerhin 64 Prozent des Wertes der Sion-Bauteile von Zulieferern aus Deutschland kommen sollen. Das haben sie schon genau ausgerechnet. Und idealerweise funktioniert das alles CO2-neutral.
Investor wollte sämtliche Patente
Trotzdem ist jetzt finanziell Land unter in München. Viele Wochen habe man mit einem großen ausländischen Investor verhandelt, erklärt Geschäftsführer Laurin Hahn auf der Bühne, der mit seinen 25 Jahren genauso jung ist, wie er aussieht. „Bis zur siebenten Runde war noch alles okay.“ Der Vertrag sei quasi unterschriftsreif gewesen, beteuert er. Danach sei alles gekippt, und die (vermutlich chinesischen) Geldgeber wollten plötzlich was ganz anderes. „Der Sion sollte nicht auf den europäischen Markt kommen, letztendlich sollten denen nur sämtliche Patente überschrieben werden“. Genau, da wollte Sono Motors um der eigenen Werte Willen eben nicht mitspielen. Nein, große deutsche Investoren (von Natur aus sehr vorsichtig) waren offenbar nicht scharf auf das Geschäft. Die Risiken.
Nächste Frage, nächste Antwort. Ja, selbst mit Tesla habe man geredet, erklärt Sonos Führungsriege auf eine Frage, die offenbar auf das überraschende Deutschland-Engagement der Amerikaner zielt. »Aber von der Ebene her wohl nicht hoch genug«. Nein, zu Tesla-Chef Elon Musk hätte es wirklich noch keinen Kontakt gegeben.
Stichwort Risiken. Auf die Batterie des Sion könne Sono Motors nur eine Garantie von zwei Jahren und 100.000 Kilometer geben, wird noch mal erklärt. Dumm, denn gängig in der Branche sind zum Beispiel acht Jahre und 160.000 Kilometer. „Macht euch keine Sorgen“, beschwichtigt Hahn, „unsere Batterie ist darauf ausgelegt, länger als das Fahrzeug zu leben.“ Die hauseigenen Techniker hätten zugesichert, dass noch nach 200.000 Kilometern mit 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität gerechnet werden könne. Aber man sei eben an den Zulieferer gebunden, ElringKlinger würde da eben nicht mehr zusagen. „Das Risiko liegt am Ende also bei uns?“, fragt jemand. „Ja“, muss Hahn zugeben.
Herr Söder hat doch ein 300 Mio. Eur Paket für die Automobilindustrie angekündigt. Da wäre also Geld da. Audi z.B. sollte ja kein Geld bekommen, Audi baut ja 6500 Stellen ab um zu sparen.