Besserwisserische Vorurteile gegen Elektroautos? Aber klar, da wabert und blubbert es an unseren deutschen Stammtischen der Benzin- und Dieselfreunde noch ganz schön abenteuerlich. Gruselig sei das, so wird mit erhobenem Zeigefinger geklagt. Und am schlimmsten seien diese Lithium-Ionen-Akkus, die den Strom der Elektroautos speichern. Wirklich, der pure Sondermüll. Zustimmendes Gemurmel, besorgtes Kopfschütteln in der Runde. Und die Ängstlichen bestellen später dann das nächste Dieselauto.
Tatsächlich hat sich die Realität längst gedreht. Weltweit arbeiten fast alle großen Autohersteller, die heute irgendwie mit der Elektromobilität verbandelt sind, mit Hochdruck an Recycling-Konzepten für ihre Alt-Akkus. Obwohl sich das Leben der Stromspeicher immer mehr verlängert und überhaupt erst wenige der ausgemusterten Exemplare anfallen.
Rohstoffe sollen zurückgewonnen werden
Genau das könnte sich in acht bis zehn Jahren aber dramatisch ändern, wenn die jetzt eingesetzten Lithium-Ionen-Akkus aus den Elektroautos ausgemustert werden. Oder ihr zweites Leben in diversen Groß- und Heimspeichern beendet haben. Der Druck steigt jedenfalls.
Im Volkswagen-Konzern forscht man deshalb schon seit zehn Jahren daran, wie die in den Lithium-Ionen-Akkus eingesetzten, zum Teil sehr wertvollen und zum Teil schwer zu gewinnenden Rohstoffe zurückgewonnen werden können. Und klar, es geht vorrangig um das richtig teure Zeug. Um Lithium, Mangan, Nickel und Kobalt.
„Das ist für uns ein Zukunftsthema mit großer Bedeutung für den Umweltschutz und unsere Rohstoffversorgung“, postuliert Thomas Schmall, Konzernvorstand für Volkswagen Group Components. Und jetzt haben die Wolfsburger dazu im Komponentenwerk Salzgitter ihre konzernweit erste Pilotanlage für das Recycling von Hochvolt-Fahrzeugbatterien in Betrieb genommen. Schmall ist sich sicher: „Es ist wichtig, dass wir in das Recycling so früh einsteigen“. Da gehe es schlicht um Kompetenz und wichtiges Knowhow.
Ziel der Anlage, so steht es in der offiziellen Mitteilung von VW, sei die industrialisierte Rückgewinnung wertvoller Rohmaterialien wie Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt im geschlossenen Kreislauf (Closed Loop) sowie von Aluminium, Kupfer und Kunststoff mit einer Wiederverwertungs-Quote von perspektivisch mehr als 90 Prozent. Und in Salzgitter sollen nur Lithium-Ionen-Akkus recycelt werden, die nach ihrem Autoleben nicht mehr anderweitig (zum Beispiel als Industriespeicher oder mobile Energiespeicher an flexiblen Schnellladesäulen) verwendet werden können.
Volkswagen investiert sechs Millionen Euro
Größere Mengen an Batterie-Rückläufern werden auch von VW frühestens Ende der 2020er Jahre erwartet – wenn die E-Gölfe, die ID.3s und ID.4 aus erster Hand ans Ende ihres Lebens kommen. Aktuell kommen die Lithium-Ionen-Akkus von allen Konzernmarken, hauptsächlich aus Erprobungs- und Vorserienfahrzeugen. Frank Blome, Leiter des Geschäftsfeldes Batteriezelle und -system, beruhigt auf Nachfrage: „Da haben wir schon genügend gesammelt – das reicht als Startvolumen für den Hochlauf unserer Anlage.“
Sechs Millionen Euro haben die Wolfsburger dafür investiert, aber die Dimensionen sind noch bescheiden: Für den Anfang ist die Anlage darauf ausgelegt, im Pilotbetrieb bis zu 3.600 Batteriesysteme im Jahr zu recyceln – entspricht rund 1.500 Tonnen. Beschäftigt sind hier im Einschichtbetrieb gerade vier Spezialisten und ein paar Leute, die für die Logistik zuständig sind. Nur mal zum Vergleich: Im Werk Salzgitter arbeiten insgesamt rund 7000 Mitarbeiter für Volkswagen.
Aber perspektivisch sei über eine langfristige Hochlaufkurve ein Dreischichtbetrieb geplant, erfahren wir. Überhaupt könne das System „bei permanent weiter optimiertem Verfahren“ problemlos auf größere Mengen skaliert werden. Und ab Ende der 2020er Jahre würde eine Großanlage, die dann (nach allem was wir so hören) offenbar auch in Salzgitter stehen wird, bereits wirtschaftlich Sinn machen. Spannend: Der CO2-sparende Recycling-Prozess von VW kommt ohne das energetisch aufwendige und obendrein klimaschädliche Einschmelzen im Hochofen aus.
Lithium, Kobalt und Mangan im Pulver
Das funktioniert folgendermaßen: Die angelieferten Batteriesysteme werden tiefenentladen und demontiert. Die Einzelteile werden im Zerkleinerer zu Granulat zerrieben, das wird anschließend getrocknet, gesiebt und separiert (da ist dann auch ein Magnetabscheider im Spiel). Dabei wird neben Aluminium, Kupfer und Kunststoffen vor allem das wertvolle „Schwarze Pulver“, das die wichtigen Batterie-Rohstoffe (richtig, Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt) sowie Graphit enthält. Die Trennung und Aufbereitung der einzelnen Stoffe durch hydrometallurgische Verfahren unter Verwendung von Wasser und chemischen Mitteln erfolge dann im Nachgang bei spezialisierten Partnern, ist zu hören.
Über diese Partner möchte VW zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so gerne reden. Zu erfahren ist aber, dass es Gespräche mit dem Chemieriesen BASF und dem hochspezialisierten Recycling-Unternehmen Duesenfeld gibt, dessen Chef Frank Kleineidam übrigens schon in seiner Zeit an der TU Braunschweig an einer ersten Partnerschaft mit VW beteiligt war. Und auch mit dem bestens bekannten schwedischen Batteriehersteller Northvolt, ohnehin ein Produktionspartner des VW-Konzerns, gab es offenbar entsprechende Kontakte zum Recycling. Später, so der langfristige Ausblick der Wolfsburger, sollen auch definitiv fremde Betreiber die Lizenzen von VW bekommen und damit (kostengünstig) regionale Recycling-Standorte betreiben.
„Wesentliche Bestandteile alter Batteriezellen können so bei der Herstellung von neuem Kathodenmaterial genutzt werden“, freut sich schon mal Mark Möller, Leiter des Geschäftsbereichs Technische Entwicklung & E-Mobilität. „Wir wissen aus der Forschung, dass recycelte Batterie-Rohstoffe genauso leistungsfähig sind wie neue — mit dem zurückgewonnenen Material können wir perspektivisch die Versorgung unserer Zellfertigung unterstützen.“
Klingt gut, und jetzt muss Frank Blome unbedingt anmerken, dass das Ganze wirklich wirtschaftlich sei. „Ohne die Aussicht auf einen Break-even würden wir dieses Blueprint-Projekt nicht so angehen.“ Die ersten 30 Tonnen Katodenmaterial habe man nach einer Ausschreibung schon verkauft und darauf sei man richtig stolz. Was natürlich auch damit zu tun habe, dass das schwarze Pulver von VW eine sehr hohe Güte habe und nahezu sortenrein sei. „Da stellen wir sehr hohe Anforderungen.“
BMW kooperiert mit Umicore
Generell, so Blome, sei das von VW angewendete Verfahren der mechanischen Aufbereitung und Hydrometallurgie viel energiesparender effektiver als die schon länger angewandte Hochofentechnologie (Pyrometallurgie). Schon deshalb, weil hier nur mit Temperaturen von maximal 120 Grad gearbeitet werde. Und während man in der gängigen Pyrometallurgie nur 50 Prozent des Batteriematerials recyceln könne, seien es hier mehr als 95 Prozent. Intern wird bei VW sogar von 98 Prozent geredet. Und die anstehende Umstellung auf Feststoffbatterien (nach 2025) würde dem nicht im Wege stehen. Blome: „Da funktioniert das sogar noch einfacher.“
Natürlich sind auch alle anderen großen Elektroauto-Hersteller im Rennen um die Wiedergewinnung der teuren Rohstoffe. BMW zum Beispiel kooperiert mit dem Brüsseler Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore, der im belgischen Hoboken eine der weltweit größten Recyclinganlagen für Lithium-Ionen- und Nickelmetallhydrid-Batterien betreibt. Deren Kapazität von über 7000 Tonnen pro Jahr entspricht zum Beispiel der Menge von rund 35.000 EV-Batterien. Zudem hat BMW gemeinsam mit dem bereits genannten Recycling-Spezialisten Duesenfeld aus Braunschweig ein Kleinserien-Verfahren entwickelt, mit dem eine Recyclingquote von bis zu 96 Prozent erreicht werden soll – inklusive Grafit und Elektrolyte.
Daimler denkt das Recycling gleich mit
Ähnliche Anstrengungen gibt es bei Daimler. „Wir wollen die Rohstoffe, die wir heute in den Batterien verbauen, übermorgen wieder für neue Batterien nutzen“, sagt Manuel Michel, der in der Forschungsabteilung der Stuttgarter mit dem Projekt „Circular Economy Battery“ beschäftigt ist. Wichtig sei, betont er, dass beim Batteriedesign bereits das spätere Recycling mitgedacht werde – ein Aspekt, der beim Remanufacturing von Hochvolt-Batterien eine immer wichtigere Rolle spiele. Und verweist ebenfalls auf die energieärmere Alternative des bereits erwähnten Recyclingunternehmens Duesenfeld, dessen Verfahren (wie bei VW in Salzgitter) ohne starke Erhitzung auskomme und es ermögliche, bis zu 96 Prozent aller Batteriebestandteile in einen neuen Kreislauf zurückzuführen. Das ließe sich, lobt Michel, sogar dezentral in mobilen Containern direkt an Batterie-Sammelstellen durchführen.
Daimler ist übrigens auch beim Forschungsprojekt DeMoBat im Boot. Für neue Recycling-Technologien entwickelt da ein Konsortium aus 13 Partnern in Baden-Württemberg eine robotergestützte Demontagefabrik für Batterien und Antriebe von Elektroautos – gefördert vom Umweltministerium des Landes mit 13 Millionen Euro. Die geplante Fabrik ist zwar noch ein Forschungsprojekt, soll aber bereits eine industrielle Zukunft einschließen. Beteiligt sind neben Daimler auch Siemens, CTC Battery Technology, das Fraunhofer IPA, das KIT, die BTU Cottbus und die Hochschule Esslingen.
Tesla erhofft sich lukrative Geschäfte
Klar, auch bei Elektroauto-Pionier Tesla hat das Recycling der Alt-Akkus einen hohen Stellenwert. Speziell in der gigantischen US-Batterie-Fabrik von Nevada werden nach Unternehmensangaben mit eigener Recycling-Technologie die Materialien aus ausgedienten und Ausschuss-Zellen wiederverwendet, inklusive Aluminium und Stahl. Und das hat, wie bei Volkswagen, ziemlich pragmatische Gründe. Zitat: „Aus wirtschaftlicher Sicht erwarten wir langfristig deutliche Einsparungen, da die Kosten für die großflächige Rückgewinnung und das Recycling von Batteriematerialien weitaus geringer sein werden als für der Kauf und der Transport neuer Materialien.“ Mit anderen Worten: Clever umgesetzt ist großindustrielles Akku-Recycling auch für Tesla ein schönes Geschäft.
Interessant übrigens, dass BASF im brandenburgischen Schwarzheide zusätzlich zu seinem geplanten Kathodenmaterial-Werk nun auch eine Pilotanlage errichtet, um Lithium aus Elektroauto-Batterien zurückzugewinnen. Die Inbetriebnahme ist für 2022 geplant, hieß es im Dezember auf einer Online-Pressekonferenz. Ja, BASF wolle “zum führenden Lithium-Ionen-Batterie-Recycler für die Automobilindustrie” werden. In Schwarzheide sollen nämlich Verfahren zur Extraktion von Lithium für spätere Großanlagen getestet werden. Und laut BASF-Forscheren Kerstin Schierle-Arndt sei der Anteil von Lithium und anderen wertvollen Materialien in der geschredderten Batterie-Masse „höher als in mancher Mine.“ Genau, Tesla sitzt mit seiner gerade entstehenden Elektroauto-Gigafabrik gleich um die Ecke in Grünheide.
Und mit VW haben sie bei BASF ja auch schon gesprochen. Da würde langfristig doch einiges nett zusammenpassen.