Bald acht Jahre ist es her, dass der Wirtschaftsingenieur Ludwig Merz und Dennis Hagemann im Rheinland „Ludego“ aus der Taufe hoben – eine herstellerübergreifende Plattform für Elektromobilität, die eine Brücke schlagen soll vom Autohandel und Menschen, die auf der Suche nach einem passenden Elektroauto sind. Auch sogenannte Elektroauto-Paten vermittelt die Plattform – Menschen, die schon länger elektrisch unterwegs sind und den Novizen gerne mit Tipps und Tricks helfen.

Merz ist inzwischen Nachhaltigkeitsbeauftragter des Batterieherstellers Hoppecke im Sauerland, das operative Geschäft von Ludego führt Hagemann als CEO allein. Aufgrund seiner zahlreichen Kontakte in den Automobilhandel hat er einen guten Überblick über aktuelle Entwicklungen auf dem Markt für E-Autos. Und da ist aktuell viel in Bewegung, erfahren wir im Interview mit ihm.

Hallo Dennis, im vergangenen Jahr sind die Neuzulassungen von Batterieautos in Deutschland nach den Erhebungen des Kraftfahrtbundesamtes um 27,4 Prozent zurückgegangen. Wie hat sich das auf Euer Geschäft niedergeschlagen?

Deutlich schlechter als in den Jahren davor. In den zurückliegenden Jahren waren die Lieferzeiten immer das größte Problem – wir bekamen die Fahrzeuge nicht so schnell ran, wie es sich unsere Kunden gewünscht hätten. Nach meinem Eindruck haben die Fahrzeughersteller auf diese Weise auch ein wenig den Anteil Ihrer E-Autos an den Verkäufen kontrolliert. Im letzten Jahr haben wir eher gesehen, dass man die Nachfrage über den Preis gesteuert hat, bzw. die Preissteigerungen bei e-Autos später zurückgenommen hatte als bei anderen Antrieben. Bei manchen Herstellern wird Elektro auch klar als „Luxus-Option“ eingepreist.

Du meinst, die haben das Angebot künstlich verknappt?

Immer wenn bestimmte Volumen erreicht wurden, gingen die Lieferzeiten hoch. Das war schon auffällig. Auch gab es im vergangenen Jahr starke Bewegungen bei den Verkaufspreisen für die Fahrzeuge, insbesondere zu Jahresbeginn nach dem Wegfall des staatlichen Umweltbonus. Danach ist aber nicht mehr viel passiert, gab es keine Lockangebote mehr. Was viele Menschen traf, deren Leasingvertrag im vergangenen Jahr auslief – die mussten anschließend, bei der Verlängerung des Vertrages oder der Beschaffung eines Neufahrzeugs, ordentlich draufzahlen.

Der starke Rückgang bei den Neuzulassungen von E-Autos war also nicht das Ergebnis einer sinkenden Akzeptanz der Technik, sondern auch das einer bewussten Vertriebssteuerung?

Ich glaube, auch darüber wurde der Markt gesteuert, um benzin- und dieselgetriebene Modelle nicht zu stark ins Hintertreffen geraten zu lassen. Jetzt, zu Beginn des neuen Jahres, das wegen der neuen schärferen CO2-Flottenziele für die Industrie besondere Bedeutung hat, wird auch wieder stärker mit Preissenkungen und Rabatten gearbeitet, um den Markt zu stimulieren.

Bevor wir näher darauf eingehen – wie viele Elektroautos habt ihr im vergangenen Jahr über die Ludego-Plattform vermittelt?

Wir hatten einen Rückgang um zwei Drittel im dreistelligen Bereich. Vor allem der Barkauf ist fast 70 Prozent eingebrochen, dafür ist mehr Leasing dazugekommen. Aber im Vergleich zu 2023 haben wir nur noch in etwa halb so viele Elektroautos über unsere Plattform vermittelt. Unserer Meinung nach hat dies viel mit dem Preis zusammengehangen in Kombination mit der wirtschaftlichen Situation. Leasingraten haben sich teilweise verdreifacht, Rabatte sind teilweise komplett verschwunden. Gerade bei Elektroautos die sich über die Laufzeit rentieren ist es für viele aktuell schwierig dieses anfängliche Investment zu tätigen.

Derzeit scheint sich der Wind zu drehen: Einige Autohersteller überschlagen sich regelrecht mit Kaufanreizen bei E-Autos. Volkswagen hat dieser Tage unter dem Slogan „Drive Electric“ ein Sonderleasing-Programm für den ID.3 gestartet: Privatkunden können das Modell dadurch bis Ende Februar bereits für 249 Euro leasen.

Volkswagen und Ford sind die beiden Autohersteller, die am meisten tun müssen, um die neuen CO2-Flottenziele zu erfüllen. Wenn wir Pech haben, müssen wir in diesem Jahr mehrmals unseren Konfigurator mehrfach überarbeiten, weil sich die Preise und Ausstattungspakete bei einigen Modellen ändern. Jeder Hersteller gibt erst einmal so viel Rabatt wie er aufgrund des Wettbewerbs geben zu müssen glaubt. Bis dann der Wettbewerbe die Absatzziele nach oben schraubt und deshalb die Preise erneut anpasst.

VW ID.3 Pro 
Um den Absatz des kompakten Elektroautos in Deutschland anzukurbeln, hat Volkswagen kürzlich eine Sonderleasing-Aktion gestartet: Bis zum 10. Februar können Privatkunden das Modell für 249 Euro im Monat leasen - eine Sonderzahlung entfällt. Foto: Volkswagen
VW ID.3 Pro
Um den Absatz des kompakten Elektroautos in Deutschland anzukurbeln, hat Volkswagen kürzlich eine Sonderleasing-Aktion gestartet: Bis zum 10. Februar können Privatkunden das Modell für 249 Euro im Monat leasen – eine Sonderzahlung entfällt. Foto: Volkswagen

Da könnte sich also noch einiges an der Preisfront hochschaukeln.

Es gibt jetzt schon nette Preisnachlässe und Sonderangebote. Aber ja, das könnte sich noch hochschaukeln. Vor allem bei Modellen, die sich sehr ähnlich sind wie der neue Kia EV3 und der Skoda Elroq. Da schauen die Importeure genau hin, was der andere gerade macht. Die anderen werden erst jetzt mal einige Monate lang schauen, wie sich der Markt entwickelt – und dann nachjustieren.

Skoda hat sich viel vorgenommen für dieses Jahr, mit dem Elroq, aber auch weiterhin mit dem Enyaq.

Das sieht so aus. Im abgelaufenen Jahr war der Enyaq mit Abstand das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland. Teilweise waren das aber auch Nachholeffekte: Gerade bei dem Modell betrugen die Lieferzeiten über ein Jahr. Und ich vermute mal, viele Enyaqs sind im vergangenen Jahr an Großkunden verkauft worden. Wie sich das in diesem Jahr weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.

Es könnte sein, dass der Elroq den größeren Enyaq Volumen kosten wird.

Zwischen beiden Modellen liegt nach dem Facelift schon noch ein deutlicher Abstand. Ich denke, der Enyaq hat eine andere Zielgruppe und kann sich damit gut behaupten. Der Elroq könnte eher zu Lasten des VW ID.3 und des Cupra Born gehen, die beide die gleiche preissensiblere Zielgruppe bedienen.

Welche Rolle werden in diesem Jahr die chinesischen Anbieter spielen? Auf Ludego habt ihr ja einige Modelle aus Fernost im Angebot.

Dieses Jahr wird für alle Importeure aus China noch spannend und Sie befinden sich leider aktuell in einem perfekten Sturm, den mehrere Faktoren treiben.

Nämlich?

Die meisten Hersteller sind nach Europa gekommen, um hier Geld zu verdienen – auch, um dem Preiskampf auf dem chinesischen Markt zu entgehen. Dies ist aber leider zu einem Zeitpunkt geschehen, als die europäischen Kunden eher nach preiswerten Lösungen gesucht haben. Nun kommt dieses Jahr aber erschwerend hinzu, dass viele europäische Hersteller zum Erfüllen der CO2-Flottenquoten ihre Elektroautos teilweise unter Wert anbieten müssen. Damit geraten die chinesischen Importeure nun auch hier in einen Markt, der durch Preiskämpfe geprägt ist. Es wird sich zeigen, wer den längeren Atem hat.

Steter Strom aus Fernost
Der Strom chinesischer BEVs nach Europa nimmt zugleich trotz der Strafzölle kaum ab. Insgesamt wurden 2024 mit 451.000 BEVs zwar sechs Prozent weniger Stromer aus China importiert als im Vorjahr. Im Dezember 2024 lagen die Importe mit 33.000 Elektroautos allerdings acht Prozent über dem Vorjahreswert, zeigen aktuelle Zahlen der Strategieberatung PwC. Foto: BLG
Steter Strom aus Fernost
Der Strom chinesischer BEVs nach Europa nimmt zugleich trotz der Strafzölle kaum ab. Insgesamt wurden 2024 mit 451.000 BEVs zwar sechs Prozent weniger Stromer aus China importiert als im Vorjahr. Im Dezember 2024 lagen die Importe mit 33.000 Elektroautos allerdings acht Prozent über dem Vorjahreswert, zeigen aktuelle Zahlen der Strategieberatung PwC. Foto: BLG

Spielen da auch die von der EU verhängte Straf- oder Kompensationszoll eine Rolle?

Ich denke, die Zölle könnten für viele gerade kleinere Hersteller zum Problem werden. Sie sind im Prinzip das Zünglein an der Waage – in Kombination mit den vor ab genannten Problemen. Wir sehen aber auch schon einige Ausweichstrategien.

Welche?

BYD und MG sind bereits Ende vergangenen Jahres dazu übergegangen, verstärkt Plug-in-Hybride anzubieten. Diese Antriebe sind von den Strafzöllen der EU nicht betroffen. Somit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Bei Join-Venture-Firmen wie Smart, Mini, Polestar und Volvo Marken mit europäischen Partnern sehen wir bereits, dass die Preise anziehen oder Ausstattungsumfänge schrumpfen. Andere rein chinesische Firmen haben noch nicht reagiert. Möglicherweise können sie die Zusatzzölle aufgrund der hohen Gewinnspannen kompensieren. Ob diese Strategie bei zunehmendem Preisdruck noch funktioniert wird sich zeigen.

Elektrische Gebrauchtwagen vermittelt ihr über Ludego auch. Wie läuft da das Geschäft?

Das Angebot haben wir im vergangenen Jahr verstärkt gemacht, weil neue Stromer für viele Menschen noch zu teuer sind. In diesem Jahr werden Gebrauchtwagen aber oft unattraktiv sein, wenn Autohersteller Neuwagen ohne Gewinnerzielungsabsicht zu extrem günstigen Leasingraten anbieten, um die Quote zu erfüllen. Händler können damit im Gebrauchtwagenhandel nicht konkurrieren.

Wobei ja in diesem Jahr sehr viele Elektroautos auf den Markt zurückkommen, die vor drei oder zwei Jahren noch mit dem Umweltbonus gefördert wurden.

Das war schon Ende vergangenen Jahres zu beobachten. Da sind sehr viele Leasingverträge für den VW e-up und die Derivate von Skoda und Seat ausgelaufen. Da wurden allerdings viele Fahrzeuge von den Besitzern nach Vertragsende übernommen, weil es keine günstigere Alternative gab.

Da hat sich natürlich das Thema Restwertrisiko nicht so sehr gestellt. Das könnte sich aber dieses Jahr aufgrund der aktuellen Rabattschlacht ändern, oder?

Ich glaube das Thema Restwerte ist hier vielschichtiger als es vielleicht den Anschein hat. Pauschal kann man nämlich nicht sagen, dass Elektroautos einen höheren Wertverlust haben. Ich würde eher sagen, je weiter ein Elektroauto von dem besten Fahrzeug seiner Klasse entfernt ist, desto größer ist der Wertverlust. Wenn ich einen Kompaktwagen habe, der preislich über dem Preis eines Fahrzeugs aus Grünheide liegt….

…also von Tesla produziert wird….

…dann ist der Wertverlust vorprogrammiert. Dies ist dann vor allem ein Problem für die Leasinggesellschaften, die von vielen Herstellern gedrängt worden sind, möglichst günstige Raten zu liefern. Es zeigt sich aktuell, dass viele Händler Leasingfahrzeuge nur noch an den Hersteller zurückgeben, um so den Restwertrisiken zu entgehen. Ich schätze, das wird sich dieses Jahr noch weiter hochschaukeln. Das geht vor allem auf Kosten der Fahrzeughersteller ohne eigene Leasingbank, also vor allem die chinesischen Importeure.

Skoda Elroq
Das Interesse an dem neuen Stromer ist riesengroß, auch aufgrund des günstigen Einstiegspreises, der bei Partnern von Ludego bei 28.999 Euro für das Einstiegsmodelle „Tour“ beginnt. Foto: Skoda

Welches Elektroauto hat aus Deiner Sicht 2025 das größte Absatzpotenzial?

Ganz klar der Skoda Elroq. Das Interesse an dem Modell ist jetzt schon riesengroß. Mit einem Einstiegspreis bei uns von 28.899 Euro liegt der Elroq sogar noch unter dem eines VW ID.3, der erst bei 29.999 Euro startet.

In der Basisausstattung mit 50 kWh-Akku.

Stimmt, mit großem Akku liegen wir bei Skoda bei knapp 38.000 Euro, beim Kia EV3 in der Long Range-Version sogar bei 35.000 Euro: Vor zwei, drei Jahren hätte ich für ein Elektroauto mit 80 kWh-Akku bei den meisten Herstellern wenigstens 60.000 Euro hinlegen müssen. Wir sind zwar immer noch nicht bei dem Familienstromer für unter 25.000 Euro, aber mit beiden Modellen in einer Preisregion, wo viele Menschen ihre Schmerzgrenze haben.

Und wo siehst Du sonst noch Bewegung im Markt?

Interessant wird auch zu sehen sein, was in der Preisregion darunter passiert. Mit dem Dacia Spring und dem Leapmotor T03 gibt es zwei Modelle für unter 20.000 Euro, wobei bis auf das Platzangebot der Leapmotor stärker ist als der Dacia. Die Frage ist, was machen jetzt die anderen Stellantis-Marken, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen. Der Citroen e-C3 könnte noch spannend werden mit entsprechend günstigen Leasingangeboten. Und der Opel Frontera, der eigentlich darüber angesiedelt ist, konkurriert im Leasing bereits mit dem Citroen e-C3. Aber auch Hyundai hat mit dem Inster offenbar noch einiges vor, wie die aktuellen Rabatte und Leasingangebote zeigen. Aber da ist der Markt noch in der Findungsphase.

Hyundai Inster 
Bei Ludego wird der kleine elektrische Viersitzer in der Version mit 42 kWh-Akku für 22.000 Euro angeboten, 2000 Euro unter dem Listenpreis. Im Privatkunden-Leasing locken Händler mit Monatsraten von 123 Euro - Hyundai selbst ruft 199 Euro auf. Foto: Hyundai
Hyundai Inster EV
Bei Ludego wird der kleine elektrische Viersitzer in der Version mit 42 kWh-Akku für 22.000 Euro angeboten, 2000 Euro unter dem Listenpreis. Im Privatkunden-Leasing locken Händler mit Monatsraten von 123 Euro – Hyundai selbst ruft 199 Euro auf. Foto: Hyundai

Wie viele Fahrzeuge wirst Du dieses Jahr vermitteln?

Puh, schwer zu sagen. Wenn es doppelt so viel würden wie im letzten Jahr, wäre das gut. Aber derzeit gibt es noch so viele Unwägbarkeiten, politischer wie wirtschaftlicher Art. Da fällt mir eine Prognose schwer.

Womit fährst Du eigentlich persönlich?

Mit dem Fahrrad und per Deutschlandticket mit der Bahn. Ein Auto ist für meine Aktivitäten nicht notwendig. Außerdem wollte ich meinen Kunden, als die Industrie noch Lieferprobleme hatte, nicht die Autos wegnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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