Der CEO von Daimler Truck, Martin Daum und ein hochrangiger Vertreter des Energieunternehmens Masdar, nach eigenen Angaben Speerspitze für saubere Energie in den Vereinigten Arabischen Emiraten, unterzeichneten in Abu Dhabi (VAE) ein Memorandum of Understanding. Darin geht es um die Lieferung von grünem Flüssigwasserstoff von Abu Dhabi nach Europa.

„Masdar hat sich zum Ziel gesetzt, einer der führenden Akteure bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff weltweit zu sein, und wir glauben, dass der Transportsektor einer der strategisch wichtigsten Märkte für grünen Wasserstoff ist. Diese Vereinbarung hat das Potenzial, eine erhebliche Verringerung der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr in Europa zu ermöglichen, und sie unterstützt das Ziel der VAE, bis 2031 eine führende Rolle auf dem Markt für kohlenstoffarmen Wasserstoff einzunehmen,“ erklärte Mhamed Jameel Al Ramahi, der CEO des arabischen Staatsunternehmens Masdar.

Ein erster Schritt
Martin Daum, Vorstandsvorsitzender und CEO von Daimler Truck und Fawaz Al Muharrami, Executive Director of Clean Energy und Deputy Chief Operating Officer (COO) von Masdar bei der Vertragsunterzeichnung in Abu Dhabi. Fotos: Daimler

Warum bemüht sich Daimler Truck um einen solch gigantischen Deal und überlässt es nicht der Politik? Ganz einfach: „Die Zeit tickt“, wie Martin Daum nicht müde wird zu erwähnen. Dabei verweist er gerne auf seine „magische Formel“ mit den drei Pfeilern: gute Produkte, Kostenparität zwischen grünem Wasserstoff und anderen Energieformen und nicht zuletzt eine funktionierende Infrastruktur. Wenn nur einer der Pfeiler versagt, kollabiert das gesamte Bauwerk.

„Sehr enger Zeitstrahl“

Schon 2027/2028 soll der grüne Wasserstoff fließen. „Das ist ein sehr enger Zeitstrahl“, weiß Daum. „Bockstarke Produkte haben wir.“ Jetzt gehe es darum, sie dauerhaft und zahlreich auf die Straße zu bringen. Daimler Truck sieht sich als aktiver Gestalter dieses Prozesses.

Für die Produkte des Hauses, die LKW, braucht es ein tragendes Wasserstoffnetz. Das „A und O, das Rückgrat, ist die Infrastruktur,“ betont der Manager immer wieder. Daimler Truck wiederum liefere eine Menge Knowhow und Wissen in der Schnittmenge zwischen Kunde und Hersteller. Der Kunde will schließlich wissen, ob und zu welchen Kosten er seinen Wasserstoff-LKW bewegen kann.

Will Daimler Truck damit zum Energielieferanten werden, also weitere Geschäftszweige aufmachen? Die Antwort wenige Minuten nach der Unterzeichnung des Vertrages in Abu Dhabi ist glasklar: „Nein. Wir werden nicht ins Energieverteilungsgeschäft einsteigen.“ Der LKW-Hersteller wolle weder in Solarfelder, noch in Tankschiffe, noch in Flüssigwasserstoff investieren. Vielmehr sieht Daimler Truck seine Rolle als „Katalysator“. Daum: „Wir sind keine Traumtänzer, die hoffen, dass eines Tages aus dem Nichts eine Wasserstoffquelle auftaucht.“

Am Preis scheiden sich die Geister

Als Analogie, welch entscheidende Rolle solche Vorreiter bei neuen Mobilitätsformen spielen, nennt Daum Carl Benz mit seinem Patentwagen: „Wenn er gesagt hätte, wir müssen erst eine Ölquelle erschließen, bevor wir unser Auto auf die Straße bringen, wären wir heute immer noch mit dem Pferd unterwegs.“ Dieses Henne-Ei oder Ei-Henne Problem gelte es zu durchschlagen. Jetzt.

Der Zeitplan ist ambitioniert. Dem Daimler Truck Boss geht es darum, seinen Kunden bis 2027 bezahlbaren Wasserstoff bieten zu können. „Zu Preisen, die unser Kunde bereit ist zu bezahlen.“ Aktuell kostet das Kilogramm Wasserstoff an den Tankstellen von H2Mobility in Deutschland 13,75 Euro – das kann sich kaum ein Speditionsunternehmen leisten. Schließlich verbraucht ein Mercedes-Benz Gen H2 Truck für große Distanzen (Long Haul) wenigstens sieben Kilogramm von dem wertvollen und in grüner Form bislang noch sehr seltenen Stoff auf 100 Litern Fahrstrecke. Für den Verteilerverkehr hat Daimler Truck den batterieelektrischen Mercedes eActros 600 im Programm, der mit einer Akkuladung Distanzen von gut 500 Kilometern bewältigen kann.

Brennstoffzellen-Truck von Mercedes-Benz
1000 Kilometer mit einer Tankfüllung
Mit einer Rekordfahrt von Wörth nach Berlin demonstrierte Daimler Truck die Leistungsfähigkeit eines schweren Brennstoffzellen-Stromers auf der Fernstrecke. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts soll die Technik serienreif sein.

Wie stellt sich Daimler das Procedere vor? Denkbar seien durchaus Konzepte, wonach der Gen H2 Truck als Paket inklusive Wasserstoff zu einem bestimmten Preis angeboten werde. Als Übergangslösung. An diversen Geschäftsmodellen arbeite man derzeit. Solche Geschäftsmodelle kann sich Daum sehr wohl als Return on Investment (RoI) vorstellen. Bis die Sache läuft. Denn genauso sicher ist sich der Daimler Truck Chef, dass Wasserstoff auch im Jahr 2030 ein ganz wichtiger Faktor ist, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

Enormer Bedarf an Wasserstoff

Ein Mercedes-Benz Gen H2 Truck, so die Faustregel, verbrauche bei seinen Fahrten rund zehn Tonnen Wasserstoff im Jahr. Wenn Daum ab dem Jahr 2030 mindestens 10.000 dieser Fahrzeuge an die Kunden bringen will, bedeutet das einen Bedarf von wenigstens 100.000 Tonnen Flüssigwasserstoff im Jahr. Skaliert man dies hoch, so sind allein für die geplanten Lastzüge alsbald eine Million Tonnen und mehr nötig – bei einer LKW Lebenszeit von zehn bis 15 Jahren kommt da einiges zusammen. Hinzu kommt, dass Daimler Truck laut Daum ab 2030 rund 50.000 Elektrolaster (den einen Teil mit Wasserstoff als Treibstoff, den anderen mit einem batterieelektrischen Antrieb) verkaufen müsse, um die Auflagen der EU zur Dekarbonisierung zu erfüllen.

In zwölf Minuten wieder voll
Der Mercedes GenH2-Truck hat zwei Edelstahltanks an Bord, die jeweils 40 Kilogramm Flüssigwasserstoff aufnehmen.

Die Marschrichtung ist klar: 2027 soll der grüne Wasserstoff in Europa getankt werden können. Einen großen Teil davon will Abu Dhabi liefern. Masdar hat weltweit in Projekte im Gesamtwert von über 30 Milliarden US-Dollar investiert und verfolgt ehrgeizige Wachstumspläne. Seine Gesamtstromerzeugungskapazität von derzeit über 20 Gigawatt will das Emirat bis 2030 auf 100 GW steigern.

„Heute haben wir null Infrastruktur – gerade so wie seinerzeit Carl Benz. Von Null auf Hundert ist es immer schwer, in Fahrt zu kommen. Danach läuft es,“ konstatiert Daimler-Truck-Chef Daum. Diese Anschubhilfe will der Lastwagen-Konzern aus Leinfelden-Echterdingen leisten. Im Alleingang.

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