Sie selbst sind auch schon elektrisiert?

Oh ja.

Seit wann?

Ich habe im Frühjahr vergangenen Jahres mit einem EQC einen viermonatigen Selbstversuch gemacht, um zu spüren, was die Elektromobilität mit einem macht. Ich habe daheim eine Wallbox installiert und bin ausschließlich elektrisch gefahren.

Mit welchem Ergebnis?

Dass ich nicht nur mich, sondern auch viele andere für das elektrische Fahren begeisterte. Es war einfach großartig: Man fährt lautlos und entspannt, abends in die Garage und lädt das Auto wie früher ein Handy.

Wie viele Ladekarten hatten Sie damals dabei?

Ich hatte das Glück, eine Mercedes me Charge-Karte zu haben und danach meine Ladestopps geplant. Man plant seine Mobilität insgesamt sehr viel bewusster. Beim EQS nimmt einem das Navigationssystem davon schon viel ab – es plant auf langen Strecken die Ladepausen gleich ein und gibt Empfehlungen, wie viel Strom am Ladepunkt aufgenommen werden sollte, um die Reisezeit möglichst kurz zu halten: Man muss ja nicht mit einem zu 100 Prozent gefüllten Akku am Ziel ankommen, wenn dort eine Lademöglichkeit besteht.

Elektroautos standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon bei Frauen hoch im Kurs, weil sie leichter zu starten und zu bedienen waren als die Verbrenner. Tut sich Ihr Geschlecht nun ebenfalls leichter mit dem Elektroantrieb?

Ich habe mich für neue Techniken immer interessiert, bin immer offen für Veränderungen. Aber das ist eine Typsache, keine Frage des Geschlechts. Was wir sehr wohl feststellen beim Einstieg zum Umstieg: Wer sich überwiegend im Kurzstreckenverkehr bewegt, springt leichter auf das Elektroauto.

Einfacher geht es nicht – und schöner auch kaum
Beim EQS plant das Navigationssystem auf langen Strecken die Ladepausen gleich ein und gibt Empfehlungen, wie viel Strom am Ladepunkt aufgenommen werden sollte, um die Reisezeit möglichst kurz zu halten. foto: Mercedes

Daimler ist Teil des Ionity-Konsortiums, was es ermöglicht, Mercedes-Kunden Sonderkonditionen am Schnelllader einzuräumen: Statt 79 Cent zahlen Mercedes EQ-Kunden hier per me Charge nur 29 Cent pro Kilowattstunde. Was würden Sie denn für einen fairen Strompreis halten?

Schwierige Frage. Der Markt für Autostrom ist neu. Der muss und wird sich sicher noch einpendeln. Deshalb ist die Transparenz der Preise so wichtig. Für die Preise von Benzin und Diesel haben wir heute ein sehr gutes Gespür. Bei Strompreisen fehlt uns das noch, weil sie aufgrund der Anbieterstruktur sehr unterschiedlich ausfallen. Je mehr Menschen sich mit den Strom-Preisen beschäftigen, weil sie ein Elektroauto bewegen, desto stärker wird der Markt darauf reagieren müssen. Aber wenn Sie sich die Zahlen des EQS ansehen – sowohl die Ökobilanz wie die Gesamtkostenbilanz – dann werden Sie feststellen, dass das Auto günstiger ist als ein Verbrenner.

Günstig? Na ja, es ist ein Luxusauto, das sich nur wenige Menschen leisten können.

Richtig. Aber wir werden künftig in jedem Preissegment ein Elektroauto anbieten. EQA und EQB sind ja schon auf dem Markt, der EQE folgt bald.

Dafür läuft das Stadtauto Smart EQ For Two demnächst aus. Viele bedauern das schon jetzt. Sie auch?

Der smart fortwo ist weiterhin verfügbar und da ich ja schon weiß, was wir gemeinsam mit Geely auf die Strasse bringen werden, bedauere ich das nicht, sondern bin begeistert von dem, was kommt. Es kommt ein anderes Auto…

…ein kleines SUV…

…ja, aber es wird ein echter Smart sein, auch wenn es kein Zweisitzer wird.

Sie sind, so habe ich gelesen, Cabrio-Fan. Wann werden der SL oder SLC elektrisch?

(Lacht) Das ist eine der Fragen, die uns um Rahmen der Transformation beschäftigen: Wie entwickeln wir unser Portfolio weiter – auf der Basis der neuen Elektro-Plattform MB.EA. Ob dabei auch wieder ein Cabriolet herauskommt, ist noch nicht entschieden.   

Der Akku ist inzwischen, nach 15 Minuten, schon zu zwei Drittel gefüllt. Geladen wurden knapp 38 kWh – und der Ionity-Lader pumpt weiterhin kräftig Strom in den Akku des Mercedes EQS, der mittlerweile einige Schaulustige angelockt hat.

„Wir wollen doch alle unseren Lebensstil erhalten. Aber das können wir nur, wenn wir unseren eigenen CO2-Fußabdruck verkleinern.“

38 Kilowattstunden sind wieder an Bord. Damit kämen Sie im EQS, vermute ich mal, bei forscher Fahrt knapp 200 Kilometer weit.

Ich denke, deutlich weiter. Mein Durchschnittsverbrauch auf dem Weg hierher lag unter 16 kWh.

Weil in der Schweiz maximal 120 km/h erlaubt sind.

Und weil das Auto auf Effizienz getrimmt wurde. Der Verbrauch liegt im WLTP-Zyklus bei ca. 19 kWh/100 – und ist wirklich leicht erreichbar. Für die Zukunft peilen wir Werte um die 10 kWh an. 

Konzernchef Ola Källenius stellt die Weichen für "Electric Only" - und kündigt neue Partnerschaften an. Elektroauto

Sie sind Mutter von Drillingen. Wie alt sind die inzwischen?

19 Jahre.

Und alle haben einen Führerschein?

Ja.

Das kann nur an der Mutter liegen. Angeblich macht die Generation Y doch keinen Führerschein mehr, weil sie sich für Autos nicht mehr interessiert.

Ich weiß nicht, ob das an der Mutter liegt. Aber es war für die jungen Menschen von heute noch nie so einfach, mobil zu sein, ohne ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Denn der öffentliche Nahverkehr ist besser ausgebaut als zu der Zeit, als wir jung waren. Und es gibt heute so viele attraktive Sharing-angebote. Meine Kinder besitzen deshalb einen Führerschein – aber kein eigenes Auto. Das brauchen sie während des Studiums auch nicht, dort, wo sie leben. Aber wenn sie mal in Urlaub fahren möchten oder nach Hause kommen, ist ein Auto für sie erste Wahl.

Und zwar ein Elektroauto?

Bestimmt. Und auch das liegt sicher zum Teil an mir. Neben der festen Überzeugung, dass der Elektroantrieb in Zukunft die einzige Möglichkeit ist, sich klimaverträglich und zuverlässig auf der Straße zu bewegen. Wir wollen ja alle unseren Lebensstil erhalten. Aber das können wir nur, wenn wir unseren CO2-Fußabdruck deutlich verkleinern.

Mit Herz und Verstand
Britta Seeger ist eine von zwei Frauen im achtköpfigen Vorstand der Daimler AG und dort seit 2017 zuständig für den weltweiten Vertrieb sämtlicher Personenwagen von Mercedes-Benz. Für den Autokonzern arbeitet die 51-jährige Betriebswirtin seit dem Studium. Privat fährt die Mutter von Drillingen übrigens ein VW Käfer Cabriolet. Foto: Mercedes

Was denken Sie: Wann werden Ihre Leute im Vertrieb den letzten Verbrenner verkaufen?

Das ist schwer zu sagen. Es ist es ja auch nicht unbedingt wichtig, sich auf ein Ausstiegsdatum festzulegen. Uns war es im Vorstand wichtiger, den Weg hin zur Elektromobilität zu beschleunigen.

Und Elektromobilität heißt ausschließlich batterieelektrische?

Wir haben im Konzern intensiv untersucht, welche Antriebstechniken für welche Anwendungen die besten sind. Und der beste Use Case für Wasserstoff ist der schwere Lkw für die Langstrecke. Für Pkw sehen wir im Augenblick die Batterietechnik als die beste an – auch mit Blick auf die Innovationen bei Motoren und der Speichertechnik, die wir in den nächsten Jahren erwarten. Aber dadurch, dass unsere Kollegen im Lkw-Geschäft die Brennstoffzellentechnik weiterentwickeln, haben wir die großartige Chance, gegebenenfalls wieder in die Technik einzusteigen.

Inzwischen ist der Akku zu über 80 Prozent gefüllt, rund 63 kWh während des halbstündigen Gesprächs  geflossen. Die Ladeleistung lag in der Spitze und eine ganze Weile bei 205 kW, inzwischen sind es immerhin noch 125 – Respekt. Zeit die Reise fortzusetzen. Bis nach Stuttgart-Sindelfingen sind es noch gut 180 Kilometer. Das sollte locker zu schaffen sein.

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