Paris war die erste Großstadt in Europa, die 2018 elektrische Tretroller von Sharing-Anbietern wie Tier, Lime und Bird zuließ – zur Ergänzung des Öffentlichen Nahverkehrs, für die Überbrückung der „letzten Meile“ zwischen der Bus- oder Metro-Haltestelle und beispielsweise der eigenen Wohnung. Doch fünf Jahre später wird dieses Kapitel der Mikromobilität an der Seine wieder geschlossen: Bei einer Bürgerbefragung stimmten 89 Prozent der rund 100.000 Teilnehmer für ein Verbot der sogenannten „Trottinettes“, wie die elektrischen Tretroller auf Französisch heißen.

Angestoßen hatte die Bürgerbefragung die Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Anlass dazu gab unter anderem eine unsachgemäße Benutzung der Leih-Roller, die zu einer Vielzahl von Unfällen führten: Allein im vergangenen Jahr wurden im Stadtgebiet 408 Unfälle mit den Trottinettes gezählt, bei denen 459 Menschen verletzt wurden und drei Menschen getötet wurden. Zudem sorgte das chaotische Abstellen der E-Scooter auf Bürgersteigen und in Parkanlagen immer wieder für Ärger bei Bürgern und den Vertretern der Stadtverwaltung – ähnlich wie in anderen europäischen Großstädten.

Frankfurter E-Roller-Idyll 
Elektrische Tretroller können inzwischen in 135 deutschen Städten entliehen werden, um sich umweltfreundlich auf kurzen Strecken zu bewegen. In vielen Städten wird inzwischen aber über eine Begrenzung des Angebots diskutiert. Foto: VOI
Frankfurter E-Roller-Idyll
Elektrische Tretroller können inzwischen in 135 deutschen Städten entliehen werden, um sich umweltfreundlich auf kurzen Strecken zu bewegen. In vielen Städten wird inzwischen aber über eine Begrenzung des Angebots diskutiert. Foto: VOI

Auch in deutschen Städten haben die E-Scooter bereits ihre Spuren in den Unfallstatistiken hinterlassen. In Nordrhein-Westfalen verunglückten im vergangenen Jahr 1.800 Fahrer eines E-Rollers, drei Menschen kamen dabei ums Leben. Und auch die „Entsorgung“ der batteriegetriebenen Tretroller in Flüssen oder Teichanlagen sorgte immer wieder für Schlagzeilen: Allein in Köln, wo eine Flotte von insgesamt 4500 Leihroller verschiedener Anbieter bereit steht, mussten seit Anfang 2020 mehr als 500 E-Scooter mit großem Aufwand aus städtischen Gewässern und dem Rhein geborgen werden. Das Verbot in Paris dürfte hier wie auch in den 134 anderen deutschen Städten, in denen Sharing-Anbieter aktiv sind, Forderungen aufleben lassen, den bunten Leihrollern die rote Karte zu zeigen.

Neue Regeln konnten Pariser nicht umstimmen

In Paris stehen aktuell noch rund 15.000 Elektro-Roller zum Leihen bereit. Sie werden auch durchaus rege genutzt: Rund 400.000 Menschen nutzen nach Angaben der Sharing-Anbieter jeden Monat. Allein im Oktober vergangenen Jahres seien damit 1,7 Millionen Fahrten zurückgelegt worden, berichtete die Zeitung „Le Parisien“. Mit einer Verschärfung der Bestimmungen hatten die drei verbliebenen Sharing-Anbieter Lime, Tier und Dott in den vergangenen Wochen das Verbot noch abzuwenden versucht. So müssen Nutzer bei der Registrierung inzwischen ihren Personalausweis einscannen, damit nur Erwachsene die Scooter nutzen und Rowdys leichter identifiziert und von einer Vermietung ausgeschlossen werden können. Auch hatten die Anbieter zugesagt, ungenutzt auf Bürgersteigen und Plätzen herumliegende Scooter schneller als bisher wegzuräumen.

Die wilden Jahre sind vorbei
Die geschätzten Umsatz- und Nutzer-Zahlen aus Deutschland deuten auf einen abflachenden Trend. Viele Anbieter haben sich mittlerweile auch schon wieder aus dem Markt zurückgezogen. Grafik: Statista Mobility Market Outlook
Die wilden Jahre sind vorbei
Die geschätzten Umsatz- und Nutzer-Zahlen aus Deutschland deuten auf einen abflachenden Trend. Viele Anbieter haben sich mittlerweile auch schon wieder aus dem Markt zurückgezogen. Grafik: Statista Mobility Market Outlook

Doch das hatten die Stimmung in der Stadtbevölkerung gegen die Trottinettes nicht mehr kippen können. Nach dem Votum der Bürgerbefragung werden die Sharing-Anbieter nun Ende August ihre E-Roller komplett aus der Stadt entfernen müssen. Privatroller sind von dem Verbot nicht vertroffen.

Deutschland zweitgrößter Markt weltweit

Bei den Sharing-Anbietern geht nun die Sorge um, dass das Votum von Paris auch in anderen Städten zu einer Diskussion über ihr Angebot führen könnte. Der früheres Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte in der Mikromobilität „ein enormes Zukunftspotenzial“ gesehen und den E-Scootern mit einer Verordnung 2019 die Tür geöffnet. In vielen deutschen Kommunen hatten Tier, Tier, Lime, Bolt, Voi und viele andere Dienste daraufhin Fuß fassen können.

Paris zeigt den E-Scooter-Verleihern die rote Karte. Sollten deutsche Städte dem Beispiel folgen?
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Statista beziffert den Umsatz der E-Scooter-Sharing-Anbieter allein in Deutschland auf jährlich etwa 167 Millionen Euro. Damit, so heißt es dort, ist Deutschland der weltweit zweitgrößte Markt für den Verleih von E-Scootern – vor Frankreich und nach den USA. Gleichwohl flacht die Umsatzkurve langsam ab: 2022 wuchsen die Umsätze der Schätzung zufolge noch um 12,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2025 werde das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr nur noch 4,7 Prozent betragen – die Hype scheint vorbei.

E-Scooter ersetzen kaum Autofahrten

Verkehrsexperten und Umweltschützer hatten die Entwicklung ohnehin kritisch gesehen. „Zum Großteil haben sie eine Lückenfunktion im Spaß- und Freizeit-Verkehr. Was ich weniger sehe, ist, dass sie Menschen vom Auto wegbewegen“, sagt Arne Fellermann, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Ein ähnliches Zwischenfazit zogen Experten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich: „Unter den aktuellen Nutzungsbedingungen schaden geteilte E-Scooter und E-Bikes dem Klima mehr, als sie nützen.“ Das liege vor allem daran, dass sie hauptsächlich Verkehrsmittel ersetzen, die ohnehin schon nachhaltig sind. Denn die Roller ersetzten Fahrten mit der Straßenbahn oder dem Fahrrad, aber nur sehr selten eine Autofahrt.

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