Für Autohersteller und -händler, aber auch für viele Neuwagenkunden war die vorzeitige und abrupte Beendigung des staatlichen Förderprogramms für Elektroautos ein Schock. Seit dem 19. Dezember gibt es für die Anschaffung eines Stromers keinen Umweltbonus in Höhe von 4500 Euro mehr, weil Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Wirtschaftsplan für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) neu aufstellen musste. Betroffen von der Maßnahme sind nach einer Erhebnung des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) rund 30.000 E-Autos, die noch in diesem Jahr zugelassen werden sollten – sowie weitere 30.000 Autos, deren Zulassung im Frühjahr anstand: Ursprünglich war geplant, einen auf 3000 Euro reduzierten Umweltbonus noch bis Ende 2024 zu gewähren.

Die Autohersteller haben inzwischen reagiert und sich entschlossen, den staatlichen Anteil an der Förderung für eine Übergangszeit zu übernehmen. Manche nur bis zum Jahresende, andere (in reduziertem Umfang) auch bis ins kommende Jahr hinein. Die Turbulenzen und Unsicherheiten werden im kommenden Jahr deutliche Auswirkungen auf das Neuwagengeschäft in Deutschland haben – und die Antriebswende zumindest verzögern, sind sich Experten sicher. Das befürchtet auch Phillip Kupferschmidt. Der Diplom-Kaufmann ist Direktor bei der Strategieberatung Accenture und dort für die Automobilbranche in Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich.

Philipp Kupferschmidt

Herr Kupferschmidt, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat kurz vor Jahresschluss in einer Nacht-und-Nebelaktion den Umweltbonus für Elektroautos gekippt. Ist die Antriebswende in Deutschland damit gestoppt?

Das bleibt abzuwarten. Zunächst muss man einmal festhalten, dass die Förderung einen erheblichen Einfluss auf den Absatz von Elektroautos hatte. Über die Kurzfristigkeit der Entscheidung, sie zu stoppen, kann wohl keiner glücklich sein. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Politik, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und für Planbarkeit zu sorgen.

Reagieren konnte kaum einer auf die Hauruckaktion, die an einem Samstagmorgen verkündet wurde und eine Zulassung eines Elektroautos bis Sonntagabend notwendig gemacht hätte, um noch an die Kaufprämie zu kommen.

Richtig, denn der entscheidende Punkt war ja immer der Zeitpunkt der Zulassung. Und auf den hatten die wenigsten Besteller von Elektroautos wegen der zum Teil sehr langen Lieferzeiten Einfluss. Nein, das ist nicht sehr glücklich gelaufen. Rechtlich ist nichts dagegen einzuwenden, denn es gibt keinen Anspruch auf eine solche Förderung. Und diese stand immer unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln. Aber für das wirtschaftspolitische Ziel, bis zum Jahr 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen, ist das natürlich verhängnisvoll.

Das sehen Sie nun nicht mehr erreichbar?

Nein. Im ersten Halbjahr dieses Jahres lag der Anteil der Elektroautos an den Gesamtzulassungen bereits unter 16 Prozent wegen des Wegfalls der Förderung für elektrische Dienstwagen und der Reduzierung der Kaufprämie. Da kann ich mir per Dreisatz leicht ausrechnen, dass es mit den 15 Millionen bis 2030 nichts mehr wird.

„Im Augenblick ist die Anschaffung eines Elektroautos mit einer Reihe von Nachteilen verbunden.“

Kupferschmidt über die Kaufzurückhaltung bei E-Autos

Ist der Bonus wirklich so wichtig?

Na ja, im Augenblick ist die Anschaffung eines Elektroautos schon mit einer Reihe von Nachteilen verbunden.

Sie meinen technischer Art?

Ja, die Reichweite ist geringer, die langen Ladezeiten sind auch ein Handicap. Diese Nachteile muss man versuchen auszugleichen, wenn man das durchaus sinnvolle Ziel verfolgt, im gesamtgesellschaftlichen Interesse eine bestimmte Anzahl von E-Autos zum Schutz des Klimas in den Verkehr zu bringen. Wir sind noch nicht an einem Punkt der Entwicklung, wo das neue Produkt als so attraktiv wahrgenommen wird, dass es sich von alleine verkauft. Zudem gibt es nach wie vor große Lücken in der Ladeinfrastruktur. Elektroautos sind deshalb aktuell nur für einen eingeschränkten Personenkreis wirklich sinnvoll.

An wen denken Sie da?

An Menschen, die nicht regelmäßig und unter Zeitdruck große Strecken mit dem Auto zurücklegen müssen. Und die Menschen, die ein Elektroauto auch daheim laden können. Wenn ich das nicht kann und auf öffentliche Ladesäulen angewiesen bin, wird der Case auch wirtschaftlich sehr schwierig.

Aktuell beträgt der durchschnittliche Ladestrompreis pro Kilowattstunde 64 Cent, sagen Marktbeobachter.

Nach einem Vergleich der Betriebskosten von Verbrennern und Stromern durch den ADAC war ein Elektroauto schon bei einem Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde nicht mehr vorteilhaft. Da muss ich mir als Politiker schon die Frage stellen, wie ich Anreize bieten kann, die den Absatz von Elektroautos unterstützen.

Elektroautos im Handel
"Wir sind noch nicht an einem Punkt der Entwicklung, wo das neue Produkt als so attraktiv wahrgenommen wird, dass es sich von alleine verkauft."  Bild: ZdK
Elektroautos im Handel
„Wir sind noch nicht an einem Punkt der Entwicklung, wo das neue Produkt als so attraktiv wahrgenommen wird, dass es sich von alleine verkauft.“ Bild: ZdK

Was würden Sie machen?

Es gibt natürlich eine Strategie, die über Negativanreize führt.

Also eine Art Peitsche für die Menschen, die partout nicht vom Verbrenner lassen wollen.

Über die steigende CO2-Abgabe ist ein erster Schritt in die Richtung ja schon getan: Der Spritpreis wird darüber immer stärker steigen. Bis 2030 müssen wir da mit einem Aufschlag von etwa 70 Cent pro Liter auf den Kraftstoffpreis rechnen. Bei gleichbleibenden Strompreisen wird das die Rechnung schon einmal zugunsten des Elektroautos verschieben.

Damit ist der deutlich höhere Anschaffungspreis aber noch nicht kompensiert. Aktuell beträgt der Aufpreis für einen Elektroantrieb über 10.000 Euro.

Kostenparität ist aktuell nicht gegeben, das ist völlig richtig. Wir können aber wohl davon ausgehen, dass wir uns der Kostenparität bald zumindest annähern oder sie sogar erreichen. Aufgrund der Fortschritte in der Batterietechnik, die eine höhere Energiedichte und eine längere Lebensdauer bei geringeren Produktionskosten bringen werden. Aktuell reden wir von 130 Dollar pro Kilowattstunde, in einigen Jahren werden es nur noch 60 sein. Bei einem Kostenanteil von 40 Prozent am Fahrzeug ergibt sich daraus ein großer Hebel.

„Wir können davon ausgehen, dass der Wegfall des Umweltbonus einen signifikanten Einfluss auf das Geschäft haben wird und die Zulassungszahlen von Elektroautos zurückgehen werden. Zumindest in 2024.“

Kupferschmidt über die Entwicklung des deutschen Pkw-Markts

Da werden viele sagen: Dann warte ich mit der Anschaffung des E-Autos, bis es so günstig ist wie ein Verbrenner.

Richtig. Deshalb braucht es bis dahin auch weiter Anreize. Und die können nicht allein darin bestehen, den Benziner teurer zu machen. Es braucht auch Anreize, um ein E-Auto attraktiver zu machen. Ich bin kein großer Freund von Subventionen, aber da half der Umweltbonus schon.

Welche neuen Anreize könnte es denn geben? Die Befreiung von der Kfz-Steuer geht – Stand heute – noch bis Ende 2030. Aber der geldwerte Vorteil für elektrische Dienstwagen hilft Privatkunden nicht.

Wir brauchen sicher übergangsweise noch weitere monetäre Anreize. Man könnte beispielsweise über eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Elektroautos sprechen. Aber natürlich muss sich auch die Industrie die Fragen gefallen lassen, was sie tut, um die Produkte attraktiver zu machen. Ich verstehe, dass die Hersteller zurückhaltend sind mit Preisnachlässen – wenn es nicht nur um die Überbrückung der schwierigen Phase nach dem Auslaufen des Umweltbonus geht. Eine Rolle spielt dabei sicher das hohe Restwertrisiko, das bei E-Autos in einer höheren Komplexität besteht als bei Verbrennern. VW hat, so glaube ich, schon verstanden, dass man selbst einen Anreiz schaffen muss. Die Kosten hängen ja nicht nur am Fahrzeug selbst, sondern auch an indirekten Kosten wie den Personalkosten in der Verwaltung. Höhere Effizienz durch konsequente Digitalisierung bietet ebenso Potenzial zur Einsparung von Kosten. Mit solchen Altlasten hat ein neues Unternehmen wie Tesla oder aus China nicht zu kämpfen.

„Wenn man den Weg beschreitet, ist man schnell in einer Abwärtsspirale.“

Kupferschmidt über Preissenkungen bei Elektroautos

Sie rechnen also mit Preissenkungen bei Elektroautos in 2024?

Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich glaube nicht, dass die Autohersteller aus eigenem Antrieb diesen Schritt gehen wollen. Denn wenn man den Weg beschreitet, ist man schnell in einer Abwärtsspirale. Sie werden eher versuchen, die Attraktivität des Produkts auf andere Weise zu steigern.

Es gibt bereits Schätzungen, wonach nach dem Wegfall des Umweltbonus in Deutschland bis zu 200.000 Elektroautos weniger verkauft werden. Haben Sie schon eigene Berechnungen angestellt?

Nein, das wäre zum jetzigen Zeitpunkt und vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen grenzwertig bis unseriös, eine Zahl in den Raum zu werfen. Die Fahrzeughersteller haben gerade Sofortmaßnahmen beschlossen. Man muss sehen, was davon nur für die Übergangszeit gedacht ist und was darüber hinaus geht. Aber wir können davon ausgehen, dass der Wegfall des Umweltbonus einen signifikanten Einfluss auf das Geschäft haben wird und die Zulassungszahlen von Elektroautos zurückgehen werden. Zumindest in 2024. In Schweden, Norwegen und Großbritannien war der Effekt ähnlicher Kürzungen oder Umstellungen nur kurzzeitig oder geringfügig. Was auch daran liegt, dass Elektrofahrzeuge dort schon fast im Massenmarkt angekommen sind. In Deutschland sind wir aufgrund unserer großen Automobilhistorie noch nicht so weit, wir sind noch in einer Übergangsphase. Aber die wird nicht mehr lange dauern.

2024 wird ein schweres Jahr in Deutschland für die Hersteller von Elektroautos?

Auf jeden Fall.

Und darüber wird die Zahl der Verkäufe von Neuwagen mit Verbrennern wieder steigen?

Ich kann mir das gut vorstellen. Der Verbrenner wird 2024 und auch 2025 auf dem deutschen Markt von E-Autos nicht weiter zurückgedrängt werden.

Was dann wiederum die Politik herausfordern dürfte.

Zumindest wenn sie das Ziel von 15 Millionen Elektroautos nicht aufgeben will.

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