Volkswagen hat auf der IAA Mobility in München einige spannende Neuheiten präsentiert. Für Schlagzeilen sorgte unter anderem das Showcar ID.2 GTI, das einen Ausblick gibt auf ein ebenso sportliches wie kompaktes Elektroauto. Mit dem Elektro-GTI will Volkswagen sein Profil als E-Marke schärfen. Und die neue Modellgeneration wird zudem mehr Reichweite und Effizienz bieten. Wir sprachen darüber auf der Messe mit Kai Grünitz, dem Technikvorstand von VW.
Herr Grünitz, wie läuft es aktuell mit der Elektromobilität bei der Marke VW?
Elektromobilität ist für uns der Weg in die Zukunft, und das wird er auch bleiben. Das erste Halbjahr war da gerade sehr erfolgreich für uns mit gut 320.000 verkauften Elektroautos. Das ist ein Plus von fast 50 Prozent gegenüber dem letzten Jahr. Davon ein Drittel ID.4-Modelle. Es läuft also gut für uns, obwohl man im Gesamtmarkt sieht, dass die interessierten Early Adopters jetzt bedient sind — und in der Allgemeinheit der Wunsch nach Elektromobilität insgesamt etwas zurückhaltender wird.
Was hilft?
Wir müssen jetzt die Kunden mitnehmen, die bisher noch etwas skeptisch waren. Dazu muss es von der politischen Seite mehr Boost zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur geben, damit wir da endlich vorankommen. Denn das ist immer noch ein Fragezeichen bei vielen Leuten. Komme ich denn mit einem Elektroauto wirklich überall hin? Und von unserer Seite müssen wir mit reizvollen Angeboten antreten. Die Leute da abholen, wo sie heute stehen. Unsere bisherigen Elektroautos waren vielleicht zu progressiv gestaltet.
Zum Design kommen wir noch. Was passiert denn so in den nächsten drei Jahren bei VW?
Dazu gibt es eine klare Ansage: Wir planen 11 neue Elektromodelle allein bis 2027.
Die vollelektrischen SUV-Versionen VW ID.4 und ID.5, die dabei auch eine wichtige Rolle spielen, haben Sie gerade gründlich überarbeitet. Ihre Argumente für den Kauf eines dieser neuen Modelle?
Wir haben da sehr viele Kundenwünsche umgesetzt. Mit größeren Bildschirmen, einem starken Update für die Software, einen neuen hochperformanten Sprachassistenten und spürbar mehr Punch beim neuen Antrieb. Und bei der Effizienz dieses Antriebs machen die neuen Modelle einen ganz großen Sprung. Ähnliches habe ich jetzt auch im ID.7 erlebt, mit dem ich gerade länger auf der Autobahn unterwegs war.
Welche Rolle spielt denn der große ID.7 in ihrer vollelektrischen Modellpalette? Und wann startet die Kombiversion, die Tourer heißen soll?
Der VW ID.7 ist eine hochwertige Reiselimousine, die bisher in unserem Portfolio fehlte. Herausragende Akustik, toller Fahrkomfort, super Software. Und mit dem Kombi, von dem wir auch das größere Verkaufsvolumen erwarten, werden wir dann ein konkurrenzloses Angebot in dieser Klasse haben. Dieses Auto gefällt mir mit dem hinteren Schwung der Karosserie sogar noch besser als die Limousine. Es startet bereits im zweiten Quartal nächsten Jahres, die starke Allradversion für beide Modelle folgt zur Jahresmitte.
Apropos Raumangebot. Wann erscheint bei uns der ID.Buzz mit dem verlängerten Radstand, der größeren 85-kWh-Batterie und der 210-kW-Maschine?
Auch ein gutes Thema. Vorgestellt haben wir das größere Modell ja bereits, es startet zeitgleich mit der US-Version im ersten Quartal nächsten Jahres bei uns in Deutschland.
Wir wechseln mal die Preisklasse. Kommen die angekündigten kleineren und günstigeren Elektroautos von VW tatsächlich zu den avisierten Preisen von unter 25.000 und unter 20.000 Euro. Können Sie diese Versprechen angesichts der höheren Energie- und Materialpreise überhaupt noch halten?
Dazu stehen wir nach wie vor, auch wenn es fast jede Woche eine neue Herausforderung gibt. Dass der größere ID.2all für unter 25.000 Euro erst Ende 2025, Anfang 2026 kommt, hängt auch damit zusammen, dass wir da noch mal eine neue, günstigere Batterie entwickeln. Dazu haben wir klare Vorstellungen und ein spezielles, sehr motiviertes Team. Schließlich ist das der größte Kostenpunkt.
Mit Lithium-Eisenphosphat-Technologie in der Basisversion?
Ja, da werden eine LFP-Batterie und eine stärkere NMC-Variante kommen. Dabei wird die fest eingeplante LFP-Einstiegsversion so um die 34 kWh bieten, was eine Reichweite von über 300 Kilometern ermöglichen wird. Das sind aber noch Prognosen, für Näheres brauchen wir noch die genauen Messwerte.
Das vollelektrische Unter-25.000-Euro-Auto, das in Spanien gebaut werden wird, soll es ja auch für Cupra und Skoda geben. Wer darf denn da Anfang machen?
Klar, das ist eine ganze Familienkette im Konzern. Aber die Cupra-Version der Spanier wird Ende 2025 die Nummer eins sein, Anfang 2026 folgen wir mit dem VW ID.2all. Diese Entscheidung finde ich durchaus richtig, schließlich wird das eine Modellreihe, die für uns alle im spanischen Martorell vom Band laufen wird. Genau, diese Entscheidung ist fürs Cupra-Team natürlich besonders motivierend.
Und dieses ziemlich heiße GTI-Showcar auf der Basis des ID.2all, das VW jetzt auf der Münchner IAA präsentiert, das wollen Sie garantiert auch in die Realität umsetzen?
Natürlich, das ist ein konkreter Ausblick, wie wir bei VW unser ikonisches GTI-Label in die Zukunft bringen wollen. Mit diesem sportlich-emotionalen Modell werden wir Ende 2026 in die Verkaufsräume kommen.
Da bietet sich doch erst recht eine SUV-Version des ID.2all an. Können Sie dazu schon etwas Konkretes sagen?
Ja, es wird ein SUV-ähnliches Derivat auf der gleichen Plattform geben, das bei uns den Arbeitsnamen ID.2X trägt.
Mit rund zwölf Zentimetern mehr Radstand etwas länger als die ID.2all-Limousine?
Ja, so ungefähr wird es sein. An der Spurweite ändert sich jedoch nichts. Glauben Sie mir, vom Design her ist dieses Auto, das draußen noch niemand gesehen hat, der absolute Hammer. Das sieht gleich eine Klasse größer aus, als es eigentlich ist. Das wird eine echte Kampfansage in dieser Klasse.
Von einem kleinen Auto, das sogar die 20.000 Euro unterbietet, war bei VW ja auch schon offiziell die Rede. Etwa im handlichen Format des bisherigen VW up?
Ja, von der Größe her.
Ist inzwischen schon klar, wer da was im Konzern für dieses Günstig-Modell entwickelt?
Im Moment untersuchen wir verschiedene Varianten. Das wird bestimmt eine verteilte Entwicklung sein, aber das ist noch nicht final entschieden.
Wo soll dieses Auto eigentlich gebaut werden?
Sorry, das ist noch in der Diskussion. Da sind wir wirklich noch in einer frühen Konzeptphase.
Lassen Sie uns mal spekulieren. Start 2027?
Ja, etwa ein Jahr später als der ID.2all.
Geht das ohne chinesische Hilfe?
Selbstverständlich! Das wird ein europäisches Auto für den europäischen Markt.
Die elektrischen Nachfolger für die SUV-Modelle Tiguan und Touareg müssten dann ja auch bald in Sichtweite sein, oder?
Ein elektrisches Fahrzeug in der Größe eines Tiguans kommt in Richtung 2026/2027. Da geht es aber hauptsächlich ums Format, das ist kein Ersatz des gegenwärtigen Tiguan, dessen Nachfolger ja jetzt erst vorgestellt wird. Mit einem elektrischen SUV in der Größe eines Touareg wird es allerdings noch länger dauern.
Wie ist eigentlich der Stand bei der Entwicklung von Feststoff-Batterien? Da gab es mal tolle Prognosen von VW: 800 bis 1000 Kilometer Reichweite, Laden in 10 bis 15 Minuten und so.
Nach wie vor sind wir da dran, haben auch einige gute Partnerschaften. Die damals angekündigten Ziele waren allerdings sehr ambitioniert, da gibt es bis heute noch keinen festen Einsatzzeitpunkt.
Und wie steht es mit mehr Tempo beim Laden der Elektroautos? Da erleben wir jetzt gerade den Zuwachs bei ID.4 und ID.5 von 135 auf 175 kW. Wir haben aber auch schon Gerüchte von mindestens 200 kW gehört…
Ja, wir werden im Konzern auf über 200 kW kommen, etwa auf 210 kW. Das werden wir dann über komplette Plattformen ausrollen. Der ID.4 und der ID.5 sowie die ID.7-Versionen und die entsprechenden Schwestermodelle der anderen Konzernmarken bekommen das dann zum Beispiel. Nur der kleinere ID.2all wird das nicht haben. Und auch nicht brauchen.
Wie lange müssen wir da noch warten?
Die über 200 kW kommen erstmals mit der MEB+-Plattform, also etwa 2026. Wobei wir die 175 kW, je nach Zelltyp und äußeren Bedingungen, in der Realität an der Ladesäule schon öfter übertreffen. Am Ende geht es ja auch um ein möglichst gleichbleibend hohes Ladeplateau. Und mit dem E-Routenplaner unserer neuesten Software lassen sich die Batterien bestens vorkonditionieren. Intelligentes Lademanagement, das brauchen unsere Kunden. Das ist der wahre Clou.
Bei der Sprachsteuerung ihrer Autos soll sich auch viel getan haben.
Die hat in den neuen Modellen einen riesigen Sprung gemacht, da arbeitet jetzt eine hochperformante Software. Diese Sprachsteuerung ist jetzt sofort präsent, reagiert intuitiv und sehr stabil. Und per Text sehen Sie nun auch gleich, was sie verstanden hat. Wir haben da in den letzten Jahren viel gelernt und nun umgesetzt.
Beim Design anscheinend auch. Da gibt es ja die zwei großen Lager in der Elektromobilität. Die einen wollen, dass die Optik möglichst cool und futuristisch anmutet. Die anderen wollen so eng wie möglich an der jahrelang erlebten Linie der jeweiligen Marke bleiben. VW ist da gerade auf letzteres umgeschwenkt wie uns der ID.2all deutlich zeigt. Ist das die neue Richtung bei Ihnen?
Ja, ganz klar. Wir haben aus der Vergangenheit abgeleitet, was gutes, emotionales Volkswagen-Design eigentlich ausmacht. Sie werden deshalb in der Elektromobilität der Zukunft auch wieder klassischer gestylte Autos bei VW sehen. Die dann die Kunden wirklich da abholen, wo sie heute stehen. Und wie erwähnt: Da waren wir bisher vielleicht zu progressiv unterwegs und haben dabei nicht den geschmacklichen Nerv der Leute getroffen.
Mit Andreas Mindt haben Sie da offenbar den richtigen Designer für die Marke VW gefunden.
Ich schätze an ihm besonders, dass er auch seinen Mitarbeitern großen Raum zur Mitarbeit gibt, und dass so selbst aus den hinteren Reihen wunderbare Ideen kommen. Da werden auch gerade neue Farbwelten für die Innenräume und Materialien probiert — mit einer völlig neuen Wohlfühlatmosphäre. Das hat uns in den letzten Jahren gefehlt.
Themawechsel: Ist bei VW der Wasserstoffantrieb für Pkw-Modelle noch ein Feld für die technische Entwicklung?
Ich sehe das für VW definitiv nicht, in der privaten Mobilität wird sich das ohnehin nicht durchsetzen. Klar, für die chemische Industrie, die Kunststoff- oder Stahlproduktion ist Wasserstoff natürlich wichtig. Abgesehen davon, dass überhaupt nur begrenzte Mengen an Wasserstoff zur Verfügung stehen. Wir bei VW können mit den elektrischen Batterien wunderbar leben. In absehbarer Zukunft ist der Wasserstoffantrieb für uns wirklich kein Thema.
Vorletzte Frage. Die Chinesen haben mittlerweile überall auf Angriff geschaltet. Auch gegen VW. Ihr Kommentar?
Wenn Sie sich mal die Wettbewerbsstrukturen anschauen: Die meisten der chinesischen Wettbewerber im Elektrobereich, die da ganz viel reinhauen, verdienen überhaupt kein Geld. Da ist BYD, die das gut hinbekommen, immer noch die große Ausnahme. Das man so wie wir mit einer Plattform über große Skaleneffekte Geld verdienen kann, das müssen die chinesischen Hersteller noch lernen.
Was halten Sie eigentlich von Batterie-Wechselstationen wie sie NIO propagiert und umsetzt?
Ich finde, dass das eine interessante chinesische Technologie ist. Es gibt dazu allerdings keinen einheitlichen Standard, selbst in China nicht. Das macht es halt schwierig. Wenn sich das durchsetzen sollte, dann ist das gerade für so ein riesiges Land, in dem nicht jeder innerstädtisch laden kann, hochinteressant.
Herr Grünitz, wir danken für das Gespräch.