Das Schlosshotel Kronberg, der ehemalige Witwensitz von Kaiserin Victoria, verfügt über 61 Gästezimmer und exklusive Suiten. Die „Royal Suite“, das Topangebot, hat eine Fläche von 150 Quadratmeter und kann bis zu vier Personen beherbergen – für 1960 Euro pro Nacht in der Nebensaison. Etwas günstiger wird’s im 20 Quadratmeter großen „Heritage Room“ für ein bis zwei Personen: Pro Nacht werden hier 260 Euro fällig. Das Frühstück kommt noch obendrauf.
Der Hyundai Inster bietet auf einer Grundfläche von gut sechs Quadratmetern bis zu vier Personen Platz. Bei weitem nicht so üppig wie in der „Royal Suite“, auch nicht so komfortabel wie im „Heritage Room“. Dafür kriegt man zum Preis von zwölf Übernachtungen im Schlosshotel das komplette Fahrzeug – ein Leben lang. Na ja, so lange Karosserie, Batterie und Antrieb halten. Hyundai gibt auf das Auto immerhin eine Garantie von fünf Jahren ohne Kilometerbegrenzung und von acht Jahren oder 160.000 Kilometer auf die Hochvolt-Batterie, die den elektrischen Kleinwagen antreibt. Da kann man als Normalverdiener schon ins Grübeln kommen, welche Investition sich eher lohnt – in ein Elektroauto oder in einen Aufenthalt in einem Fünf-Sterne- Luxushotel.

Die Ladebuchse in der Frontmaske des Hyundai Inster kann mit einem V2L-Adapter auch in eine Steckdose umfunktioniert werden, an der am Morgen eine Kaffeemaschine oder ein Wasserkocher angeschlossen werden kann. Foto: Hyundai
Zumal man mit dem 3,82 Meter langen Hyundai trotz seines günstigen Einstiegspreises von 23.900 Euro und trotz der auf den ersten Blick recht überschaubaren Größe recht kommod unterwegs ist, wie wir bei unserer Ausfahrt mit dem Stromer durch Frankfurt und raus in den Hochtaunuskreis feststellen. Gewählt haben wir dafür die mittlere Ausführung des Inster namens „Trend“, mit einem 71 kW oder 97 PS starken Motor und einer 42 kWh großen Batterie an Bord. Samt Sonder-Lackierung in Tomboy Khaki und Effizienz-Paket (das eine Wärmepumpe und eine Batterieheizung zur Vorkonditionierung umfasst), wären dafür 27.570 Euro zu entrichten – der materielle Gegenwert eines 14-tägigen Urlaubs in der „Royal Suite“ des Schlosshotels.
Hotelbett für eine Nacht und mehr
Das Platzangebot, so der erste Eindruck, ist wahrlich nicht fürstlich, aber gemessen an der Grundfläche, die das Fahrzeug einnimmt, erstaunlich großzügig. Eine exzellente Raumökonomie und einige pfiffige Ideen der Innenarchitekten sorgt dafür, dass weder in der ersten noch in der zweiten Sitzreihe Platznot aufkommt. Auch hinten geht es selbst für Personen von 1,85 Metern Körpergröße geradezu luftig zu. Erst recht, wenn die Sitzbank nach hinten geschoben ist. Der Kofferraum schrumpft dann zwar von 350 auf auf 280 Liter. Aber das reicht zur Not immer noch, um das Gepäck für einen Kurzurlaub unterzubringen.

Mit wenigen Handgriffen sind die Sitze im Inster in eine Liegefläche von 2,20 Metern Länge verwandelt. Abdeckungen verhindern, dass Kleinteile im Untergrund und zwischen den Polstern auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Der eigentliche Clou aber ist: Wer mit dem Inster reist, braucht eigentlich kein Hotel mehr. Denn der Innenraum taugt nicht nur zum Sitzen, sondern auch zum Liegen und Ausruhen, wenn nicht nur die Lehnen der Rücksitze, sondern auch die der Vordersitze umgeklappt werden. Es entsteht dann eine leicht ansteigende Liegefläche von 2,20 Metern Länge und etwa 1,50 Metern in der Breite. Mit einer entsprechenden Auflage aus dem Zubehörhandel lässt sich hier sicher eine ganz kuschelige Nacht verbringen. Und das sommers wie winters. Denn die Klimaanlage arbeitet in einem Elektroauto bei Bedarf rund um die Uhr, ohne allzu viel Strom zu verbrauchen.
300 Kilometer Reichweite sind drin
Wie es sich da so liegt, haben wir nicht ausprobiert – dafür reichte die Zeit nicht. Uns war es wichtiger, die eigentliche Funktion des Fahrzeugs zu erproben. Genau, die Fortbewegung. Und auch hier enttäuschte uns der Inster nicht. Obwohl wir uns für die mittlere Version mit dem kleinen Akku und dem schwächeren Motor entschieden hatten (alternativ gibt es eine Variante mit 49 kWh Akkukapazität und einem 85 kW starken Frontantrieb), waren wir auf unserer Rundreise durchaus flott und keineswegs als rollendes Verkehrshindernis unterwegs. Und das nicht nur im Stadtverkehr und auf der Landstraße, sondern auch mit 140 km/h auf der Autobahn. Und der Verbrauch hielt sich dabei erfreulicherweise in Grenzen. Der Bordcomputer warf am Ende einen Durchschnittsverbrauch von 17,8 kWh aus.

Hyundai erhofft sich große Stückzahlen von dem elektrischen Kleinwagen, der mit seinen großen Scheinwerfer-Augen viele Sympathien auf sich zieht. In der Lackierung Tomboy Khaki mimt er den Stadt-SUV. Auch ohne „Cross“-Paket. Fotos: Rother
Zwischendurch zeigte er auch Werte um die 15 kWh/100 km aus: Die vom Hersteller versprochene Reichweite von 327 Kilometern scheinen da zumindest in den Sommermonaten durchaus erreichbar. Im Winter, so unsere Schätzung, sollte man sich eher auf einen Aktionsradius um die 280 Kilometer einstellen. Die serienmäßige (!) Wärmepumpe ist im Alltag ebenso hilfreich wie die Vorkonditionierung des Akkus bei der Annäherung an die Ladesäule und der ebenfalls serienmäßige Schnellladeanschluss. Auch wenn darüber Gleichstrom nur mit 75 kW fließt (mit 85 kW bei der Wahl des großen Akkus): Nach einer halben Stunde ist der Stromspeicher wieder zu 80 Prozent gefüllt.
Serienmäßig mit Wärmepumpe und Rückfahrkamera
Was, fragt man sich da, braucht es da eigentlich mehr, um locker wie preisgünstig durch die Woche zu kommen? Nicht nur als Beschäftigter im Pflegedienst, sondern auch als Berufspendler. Zumal der kleine Hyundai Inster mit den großen Scheinwerfer-Augen bereits hohe Sympathie bei Stadtbewohnern genießt, wie wir bei der Fahrt durch Frankfurt feststellen konnten. Und das Preis-/Leistungsverhältnis ist derzeit beinahe unschlagbar. Ja, der Dacia Spring ist schon für 16.900 Euro zu bekommen, aber aber weitaus rustikaler, was Fahrverhalten und Ausstattung anbetrifft. Und mit seinem nur 28,3 kWh fassenden Akku steht er häufiger an der Ladesäule, als es seinem Besitzer (m/w) lieb sein kann. Zumal der Rumäne mit chinesischen Wurzeln Wechselstrom nur zweiphasig mit 7,4 kW aufnimmt und am DC-Schnelllader maximal auf 30 kW kommt. Die Ladepausen dauern im Spring also deutlich länger.

Das Lenkrad und Lenkradhebel finden sich in gleicher Form im Hyundai Ioniq 5. Und auch sonst macht der Inster einen erwachsenen Eindruck: Fahrer und Insassen vermissen hier nichts. Foto: Hyundai.
Nein, im Hyundai Inster vermisst man eigentlich nichts, was für eine sparsame Fortbewegung im automobilen Alltag erforderlich ist. Es gibt reichlich Assistenzsysteme, die das Fahren und Einparken erleichtern. Sogar eine Rückfahrkamera ohne Aufpreis und ein ordentliches Navigationssystem und nicht bloß eine Halterung fürs Smartphone. Wer mag, kann eine Sitz- und Lenkradheizung ordern sowie verschiedene Zubehörteile, um etwa einen Regenschirm an der Sitzlehne zu befestigen. Oder um die umgeklappte Lehne des Beifahrersitzes in einen Abstellplatz für den Laptop nutzen zu können: Bei Hyundai haben sie sich viel einfallen lassen, um den Inster möglichst schnell in den Alltag seiner Nutzer zu integrieren. So haben sie dankenswerter darauf verzichtet, möglichst viele Funktionen über das Zentraldisplay zu steuern: Zahlreiche Taster und Knöpfe machen die Eingewöhnung leicht und eine Bedienungsanleitung überflüssig.
Hyundai erhofft sich große Stückzahlen
Bei Hyundai versprechen sie sich deshalb wohl nicht zu Unrecht viel von dem neuen Einstiegsmodell, das bei 23.900 Euro startet und mit der Topversion Prime nur knapp oberhalb der 30.000-Euro-Marke liegt. Was Stückzahlen anbetrifft und Marktanteile, aber auch was die Gewinnung von neuen Kunden für die Marke und die Elektromobilität insgesamt anbetrifft. Bis zur Markteinführung des ähnlich positionierten VW ID.2 zum Preis von 24.990 Euro ist noch ein weiter Weg. Die einzig ernsthaften Konkurrenten derzeit sind der Fiat Grande Panda Electric (ab 24.990 Euro) und der Citroen e-C3 (ab 23.300 Euro). Und die Hyundai-Händler legen sich mächtig ins Zeug, um den Inster in möglichst großen Stückzahlen unters Volk zu bringen: Einige bieten den Kleinen im Leasing schon für Monatsraten von 113 Euro an.