(UPDATE) Auf einem ein Kilometer langen Autobahnabschnitt in Nordbayern entsteht eine öffentliche Teststrecke für induktives Laden. Elektroautos und batterieelektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge können dort ab Mitte 2025 ihre Batterien per Induktion laden, kündigte die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) an. Spulen im Straßenbelag erzeugen beim Darüberfahren und Parken von mit entsprechender Gegenspule ausgestatteten Fahrzeugen ein Magnetfeld und generieren so Ladestrom für die Batterie. Das Projekt „eCharge“ der Technische Universität Braunschweig zeigte bereits 2021, dass das induktive Laden während der Fahrt die Reichweite von Elektroautos deutlich erhöhen könnte.
Mit dem Vorhaben in Nordbayern erprobt die FAU automatisierte Herstellungs- und Einbauprozesse für das von der israelischen Firma Electreon entwickelte drahtlose Electric Road System (ERS). Electreon ist bereits beim deutschlandweit ersten öffentlichen Straßenprojekt zum kabellosen Laden der EnBW im baden-württembergischen Balingen dabei. Dort wird auf der Landesgartenschau ( 5. Mai bis zum 24. September 2023) ein elektrisch angetriebener Shuttle-Bus seine Batterien unterwegs drahtlos nachladen können. Auch in Köln läuft derzeit ein Versuch zum induktiven Laden – hier allerdings nicht während der Fahrt, sondern an einem Haltepunkt von Elektro-Taxen.
Standards für Serienproduktion
Eine Standardisierung ebne einer künftigen Serienproduktion solcher Straßen mit integrierten Ladespulen den Weg, erklärte Projektleiter Alexander Kühl vom FAU-Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) zu dem neuen Autobahn-Projekt. Die Technik könne perspektivisch einen wichtigen Beitrag leisten, um das Reichweitenproblem wegen zu wenig verfügbarer Ladesäulen zu minimieren. Gegenüber mit Oberleitungen elektrifizierten Straßen biete die unsichtbare Integration der Ladespulen in Verkehrsflächen zudem den Vorteil, dass sie sich für jegliche Art von Fahrzeugen eigne.
Zwischenladung mit bis zu 70 kW
Die in Nordbayern geplante kurze Teststrecke für das induktive Laden reiche laut Kühl nicht aus, um die passierenden Fahrzeuge vollständig aufzuladen, aber „bei vergleichbaren Tests wurden bisher bis zu 70 kW Leistung übertragen“. An dem acht Millionen Euro teuren Projekt mit dem Namen Empower sind neben der FAU und Electreon auch die TH Nürnberg, die Berliner Firma für digitale Projektierung Via Imc, der baden-württembergische Anlagenbauer Risomat sowie die Autobahn GmbH beteiligt. Es erhält eine Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Programms „Elektro-Mobil“. Geführt wird das Projekt vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte.
Im Interview spricht Andreas Wendt, Regionalleiter für Deutschland und Geschäftsführer von Electreon Germany, über aktuelle und geplante Projekte des Unternehmens.
Herr Wendt, planen Sie weitere Projekte zum induktiven Laden in Deutschland oder anderen europäischen Ländern?
Wendt: Neben unseren angekündigten ERS-Projekten in Balingen und auf der Autobahn, die auf öffentlichen Straßen liegen, haben wir zwei weitere Projekte in Deutschland, darunter ein weiteres mit der EnBW, die auf Privatstraßen liegen. Außerhalb Deutschlands haben wir ein Projekt in Italien in der ersten Phase auf einer Privatstraße, ein 1,6 Kilometer langes Projekt in Schweden auf einer öffentlichen Straße, bei dem ein E-Bus und ein E-LKW gleichzeitig aufgeladen werden, sowie ein bevorstehendes 1,6 Kilometer langes ERS-Projekt in den USA und mehrere Projekte in Israel. Es gibt weitere ERS-Ausschreibungen in Europa, die auch veröffentlicht wurden und auf die wir uns ebenfalls bewerben.
Wie realisieren Sie die Abrechnung auf öffentlichen Straßen?
Wenn es um das Abrechnen von Nutzern geht, die auf einem ERS fahren, basiert das Konzept auf einem Mess- und Abrechnungssystem, das Teil unseres im Fahrzeug installierten Empfängers ist. Als Teil eines Konsortiums arbeiten wir eng mit anderen Unternehmen zusammen, um eine eichrechtskonforme Lösung für die Abrechnung und Messung zu entwickeln, insbesondere für private E-Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen. Neben der dynamischen Ladung über ein ERS, also in Bewegung, haben wir auch eine statische Ladelösung, die stationäre, geparkte Fahrzeuge mit Strom versorgt. Auch hierfür haben wir mehrere geschäftliche Vereinbarungen unterzeichnet, die auf verschiedenen Finanzierungsmodellen basieren, die für die Bedürfnisse des Betreibers relevant sind – beispielweise monatliche Servicegebühr oder Gerätekauf.
Kann das ERS mit herkömmlichen Ladelösungen konkurrieren?
Es gibt derzeit mehrere Unternehmen, die leitfähige oder kabelgebundene ERS-Technologie anbieten. Aber Electreon ist führend in der Entwicklung der kabellosen, induktiven ERS-Technologie und das einzige Unternehmen, das sie in zahlreichen realen Szenarien und Projekten getestet hat. Obwohl sich die ERS-Technologie noch in einer relativ frühen Phase befindet, steigt die Nachfrage kontinuierlich an. So wurde beispielsweise Anfang vergangenen Jahres die erste große Ausschreibung für ein 42 Kilometer – 21 Kilometer in beide Richtungen – langes ERS in Schweden veröffentlicht. Durch unsere verschiedenen Projekte und Anwendungsfälle stellen wir immer wieder die Vorteile der Electric Road Systems unter Beweis, beim Aufladen jeder Fahrzeuggröße, jedes Fahrzeugtyps, jedes Herstellers. Ein Großteil des Systems ist unterirdisch. Wir glauben, dass wir in den nächsten Jahren mehr Ausschreibungen für ERS-Projekte sehen werden, da mehrere europäische Länder ihre Absicht und Finanzmittel zur Elektrifizierung von Straßen für eine nachhaltigere, intelligente Ladelösung angekündigt haben – einschließlich der Pläne Schwedens und Frankreichs für 2.000 beziehungsweise 4.000 Kilometer lange ERS bis 2030 und Deutschlands Spezialfinanzierung für verschiedene Elektrifizierungsprogramme.