Hin und wieder gibt Auto, die einen Aha-Effekt auslösen. Hippe Automobilisten schwärmen dann im besten Marketing-Sprech von einem „Statement Car“. Der rollende Würfel namens Soul trug maßgeblich dazu bei, dass Kia das Image der grauen Maus ablegte und zur Trendmarke für jüngere Autofahrer wurde. Als der Soul dann auch noch als vollelektrischer e-Soul über den Asphalt rollte, war der Schritt in die automobile Zukunft vollzogen.
Doch wie immer im Leben haben auch die schönen Dinge irgendwann mal ein Ende und so schlug für den Soul dieses Jahr die letzte Stunde. Dass die Koreaner das Segment der kompakten BEV-SUVs nicht kampflos räumen, ist ohnehin klar. Aufgrund der neuen Nomenklatur der Hyundai-Schwester konnte es aber kein Soul mehr sein, sondern der EV3. Was aber nicht bedeutet, dass der Nachfolger seelenlos ist. Ganz im Gegenteil: Dieser kompakte koreanische Crossover zeigt Kante, übertreibt es damit aber nicht. Also ist das Design gefällig, aber nicht gewöhnlich.
Mit einer Länge von 4,30 Metern fügt sich der Kia EV3 in die Riege von Volvo EX30, Lexus LBX und Smart #1 ein. Der Konzernbruder Hyundai Kona legt auf dieses Maß noch einmal drei Zentimeter drauf. Dennoch bekommt man auch im Kia EV3 keinen klaustrophobischen Anfall. Hinten nicht und vorne schon gleich gar nicht. Manche Fahrer und Beifahrer würden sich aber über eine längere Beinauflage und auch etwas mehr Seitenhalt auf dem Gestühl freuen. So thront man mehr auf den Vorderplätzen, als dass man darin sitzt.
Preise ab 35.990 Euro aufwärts
Da der EV3 kein Sportwagen ist, fällt das nicht großartig ins Gewicht. Wichtiger ist die Tatsache, dass man auch als Erwachsener im Fond genug Platz vorfindet, um einigermaßen bequem reisen zu können. Und der Kofferraum mutiert deswegen mit einem Fassungsvermögen von 460 Liter nicht zu einer besseren Handtasche. Legt man die Lehnen der Rückbank um, entsteht ein ebener Ladeboden und dann passen inklusive dem Fach darunter sogar bis zu 1.251 Liter hinein. Allerdings ist die Ladekante ziemlich hoch. Für das Ladekabel steht vorne eine 25-Liter-Frunk zur Verfügung. Übrigens: Der EV3 beherrscht bereits Vehicle-to-Load (V2L). Man kann also elektrische Haushaltsgeräte an eine Steckdose im Heckabteil anschließen und so wie daheim betreiben.
Das Interieur verströmt eine angenehme Atmosphäre. Allerdings hat die von uns gefahrene Topausstattung GT Line mit mindestens 48.690 Euro auch ihren Preis. Wir haben uns deshalb auch die Basisversion „Air“ des Kia EV3 (ab 35.990 Euro) einmal genauer angeschaut und konnten feststellen, dass sich der Innenraum auch hier wohltuend vom Hartplastik-Ambiente mancher Wettbewerber unterscheidet. Die Kunststoffoberflächen des Armaturenbretts sind genarbt und teilweise sogar unterschäumt. Von Billigheimer keine Spur.
Bis zu 605 Kilometer in einem Rutsch
Die serienmäßigen drei Bildschirme sind in einer leicht gekrümmten Einheit zusammengefasst und ergeben in Summe eine Größe von 30 Zoll. Diese setzt sich aus zwei 12,5 Zoll Monitoren und einer Fünf-Zoll-Bedieneinheit für die Klimaanlage zusammen, die sich zwischen dem digitalen Cockpit und dem Infotainment-Touchscreen befindet. Das Problem ist nur, dass ein Teil der Anzeigen durch den Lenkradkranz etwas verdeckt wird. Da ist es gut, dass es in der Mittelkonsole noch klassische analoge Hebel und Knöpfe gibt. Beim Infotainment gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln. Auch ohne Kia-Insiderwissen findet man sich in den Menüs schnell zurecht. Und das optionale Head-up-Display (kostet im Paket 1.290 Euro) vervollständigt das vielfältige Anzeigekonzept.
Kommen wir zum Antrieb. Für den Kia EV3 stehen zwei Batteriegrößen zur Wahl: Die Kapazität von 58,3 Kilowattstunden reicht für maximal 436 Kilometer, während mit den 81,4 kWh-Akkus Fahrten von bis zu 605 Kilometer ohne Ladepause möglich sind. In dem C-Segment ist das schon eine Kampfansage. Ähnliche Reichweiten bietet hier derzeit nur der neue VW ID.3 GTX. Wir kamen mit dieser Batterie auf einer ersten Ausfahrt bei 31 Grad Außentemperatur auf eine (vom Bordcomputer ) hochgerechnete Reichweite von 544 Kilometern, was dem angegebenen Wert von 563 km (mit 19-Zoll-Rädern) ziemlich nahe kommt.
Maximale Ladeleistung: 128 kW in der Topversion
Als Energiespeicher kommen im Kia EV3 hochwertige NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Cobalt) zum Einsatz. Aber statt der beim Hyundai-Konzern häufig verwendeten 800-Volt-Technik entschied man sich beim Kia EV3 aus Kostengründen für eine Bordspannung von 400 Volt. In einem preissensiblen Segment wie der Kompaktklasse ist das einerseits durchaus nachvollziehbar. Andererseits fällt die Ladeleistung dadurch enttäuschend gering aus. Da ist der neue Kia EV3 – das Wortspiel sei erlaubt – denn doch etwas zu sehr „auf Kante genäht“.
Sind 11 kW beim AC-Stromtanken noch völlig in Ordnung, ist die maximale Ladegeschwindigkeit an einer mit Gleichstrom betriebenen Schnellladesäule für ein Fahrzeug dieser Klasse eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Die kleine Batterie erreicht hier lediglich 101 kW, die große 128 kW. Da bietet der VW ID.3 mit bis zu 185 kW inzwischen deutlich mehr. In absoluten Zahlen brauchen die Fahrzeuge mit dem 81,4 kWh großen Akku 7:15 Stunden, um den Ladestand des Stromspeichers von 10 auf 100 Prozent zu füllen. Der kleine Akku braucht dafür 5 Stunden und 20 Minuten. Am Schnelllader dauert es 29 Minuten (58,3 kWh) bzw. 31 Minuten (81,4 kWh) für die Anhebung des Ladestands von zehn auf 80 Prozent. Das ist wahrlich keine Ruhmesleistung.
Start zunächst mit Frontantrieb
Beim Fahren macht der südkoreanische Stromer immerhin eine gute Figur. Ende des Jahres wird es den EV3 in Deutschland zunächst nur mit Vorderradantrieb und 150 kW oder 204 PS Antriebsleistung sowie 283 Newtonmeter Drehmoment geben. 2025 folgen dann eine Allradversion mit einer Systemleistung von knapp 200 kW sowie eine sportliche GT-Version, bei der vorne eine 145 kW (197 PS) und hinten eine 75 kW (102 PS) starke E-Maschine werkelt.
Schon die PS-Basisversion ist allerdings kräftig genug, um das zwei Tonnen schwere Vehikel flott durch die Gegend zu bewegen. Aus dem Stand ist nach 7,9 Sekunden Tempo 100 erreicht. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 170 km/h. Die Fahrmodi Eco, Normal und Sport unterscheiden sich nur marginal durch das Ansprechverhalten des Gaspedals. Außerdem erhöhen sich die Rückstellkräfte des Lenkrads. Hinzu kommen noch zwei Fahrprogramme: ein individuelles und eines für Schnee.
EV3 mit intelligenter Rekuperation
Unser Testfahrzeug war mit 19 Zoll großen Rädern bestückt, was zwar gut aussieht, dem Fahrtkomfort aber nicht gerade zuträglich ist. Trotzdem malträtiert der Kia EV3 nicht die Bandscheiben: Das Fahrwerk ist kommod abgestimmt. Man spürt zwar, dass die Federn das Gewicht tragen müssen und die Dämpfer für den Komfort zuständig sind. Aber die Abstimmung ist harmonischer als bei vielen anderen Elektroautos. Querfugen bringen das Fahrwerk nicht aus der Fassung und bei größeren Unebenheiten wippt die Karosserie nur ein wenig nach. So ist man im Kia EV3 auch bei längeren Strecken entspannt unterwegs.
Außerdem ist kompakte Crossover das erste Auto des Hyundai-Konzerns, das mit dem iPedal 3.0 ausgestattet ist. Das bedeutet eine intelligente Rekuperation, die auch auf den Verkehr reagiert. Insgesamt stehen drei Rekuperationsstufen sowie eine Segel-Einstellung zur Verfügung. Das Fahren nur mit dem rechten Fuß (One-Pedal-Drive) ist also möglich.
„25.000 Euro sind die unterste Grenze“
Nach dem EV3, dessen Auslieferungen Ende des Jahres anlaufen, ist vor dem kleineren EV2. Kia-Chef Kia-Chef Ho Sung Song ist sich der Tatsache bewusst, dass der kommerzielle Erfolg der Elektromobilität nur über den Preis zu erreichen ist: „Wir arbeiten hart daran, ein noch günstigeres Elektroauto auf den Markt zu bringen. 30.000 Euro wird schon schwierig. 25.000 Euro ist für mich die unterste Grenze. Weil wir keine Kompromisse bei der Qualität und der speziellen Ausstattung, die einen Kia ausmacht, eingehen.“
Das heißt wohl, dass der EV2, dessen Produktion Ende nächsten Jahres beginnt, vermutlich knapp 30.000 Euro kosten wird, der EV1 um die 25.000 Euro. Man darf gespannt sein, ob die Rechnung aufgeht. Zu wünschen wäre es.
‚Genarbt und teilweise hinterschäumt‘ waren die Oberflächen auch in den ersten ID.3 schon und die sind dafür von wirklich jedem erbarmungslos zerrissen worden, obwohl Kona und Niro mit vergleichbaren Preisen ganz ähnlich ausgestattet waren.
Warum läßt man den Asiaten eigentlich ständig durchgehen, was bei VW als mangelhafte Qualitätsanmutung gebrandmarkt wird? Das muß mir mal jemand erklären.