Maarten Steinbuch hat an der Technischen Universität von Eindhoven den Lehrstuhl für „Systems & Control“ inne. Seine Forschungsaktivitäten reichen von der Automobiltechnik (Schwerpunkt: Vernetztes und autonomes Fahren) über die Robotik und bis hin zur Steuerung von Bewegungen, nicht nur im Verkehr, sondern auch bei hochpräzisen chirugischen Eingriffen. Der heute 61-jährige Ingenieur startete seine Karriere im Elektrokonzern Philips und hält neun Patente. Zusammen mit seinem Kollegen, Carlo van de Weijer von der TU Eindhoven hat er ein Buch über die Zukunft der Mobilität verfasst.

Angesichts der explodierenden Strompreise ist die Frage berechtigt, ob dies das Wachstum des elektrischen Fahrens bremsen wird. Schließlich ist eine Verdoppelung des Preises für eine Kilowattstunde (kWh) von, sagen wir mal, 0,20 auf 0,40 Eurocent schon sehr heftig. Wie würde der durchschnittliche Autofahrer reagieren, wenn der Benzinpreis innerhalb weniger Wochen von 2 Euro (so viel kostet der Liter Superbenzin aktuell bereits in den Niederlanden) auf 4 Euro pro Liter steigen würde? Ich denke, die Straßen rund um das Regierungsviertel wären voll mit empörten Autobesitzern. Die Politik würde aufgefordert werden, direkte Maßnahmen zu ergreifen, um die Freiheit der Autonutzung nicht noch weiter einzuschränken.

60 Kilometer für zwei Euro an Energiekosten

So weit ist es aber noch nicht gekommen. Zum Glück gibt es jetzt Maßnahmen, um die Folgen der hohen Benzinpreise zumindest teilweise auszugleichen. Durch eine kraftstoffsparende Fahrweise beispielsweise – oder den Verzicht auf Autofahrten.

Professor Maarten Steinbuch
Foto: TU Eindhoven

Für Fahrer von Elektroautos halten sich die Auswirkungen der Preiserhöhungen an den öffentlichen Ladesäulen vorerst in Grenzen – sie laden ihre Stromer überwiegend daheim. Absolut gesehen ist das elektrische Fahren ohnehin günstig, abgesehen von der Abschreibung des Autos beim Kauf. Die Wartungskosten sind sehr gering, auch die Kosten pro Kilometer sind niedriger als bei einem mit fossilen Brennstoffen betriebenen Auto.

Für 2 Euro kann man mit einem Liter Benzin in einem benzinbetriebenen Auto leicht zwanzig Kilometer zurücklegen, wenn man vorsichtig mit dem Gaspedal umgeht. Bisher konnte man bei uns für 2 Euro auch fast zehn Kilowattstunden elektrische Energie kaufen. Damit könnte man mit einem Elektroauto fünfzig bis sechzig Kilometer weit fahren. Selbst wenn sich der Strompreis verdoppeln würde, wäre es immer noch billiger als die Benzinvariante.

Der Elektroauto-Experte Maarten Hachmang hat einen schönen und klaren Blog zu diesem Thema verfasst. Die Kostenunterschiede beim elektrischen Tanken scheinen demnach um ein Vielfaches größer zu sein als beim normalen Tanken. Das liegt seiner Meinung nach daran, dass Strom überall verfügbar ist: zu Hause, am Arbeitsplatz, in Einkaufszentren, an der Autobahn, an öffentlichen Ladestationen und an vielen anderen Stellen. Die Existenz all dieser Möglichkeiten macht die Stromkosten in hohem Maße vom Energievertrag, aber auch den Wirtschaftszielen des Betreibers der Ladestation abhängig.

Lademöglichkeiten am Supermarkt nutzen

So gibt es beispielsweise immer mehr Einzelhandelsgeschäfte, die das Laden von Ökostrom während es Einkaufs im Markt ohne Aufpreis ermöglichen. In dreihundert Lidl-Filialen in den Niederlanden ist das Stromtanken zum Beispiel noch völlig kostenlos.

Der Umbau der Autoflotte kommt schneller voran als der Aufbau der Ladeinfrastruktur für Stromer, belegt der Charging Radar. Die Autoindustrie schlägt Alarm. Laden

Für Menschen mit einer eigenen Ladestation in der Garage oder Toreinfahrt ist das „Betanken“ eines Elektroautos ebenfalls sehr günstig – vor allem, wenn sie einen langfristigen Stromvertrag mit ihrem Anbieter haben. Das Gleiche gilt für die meisten öffentlichen Ladesäulen und Ladestationen an Autobahnen: Die Service-Provider haben in der Regel langfristige Verträge mit den Energieversorgern, so sich dass sich Preiserhöhungen dort nicht sofort niederschlagen. Wenn sich der jüngste Preisanstieg nicht als saisonaler Effekt herausstellt, dann erwarte ich, dass zumindest im nächsten Sommer, wenn die Sonne wieder hell scheint, das intelligente Laden einen kräftigen Schub erlebt: Geladen wird dann vorzugsweise, wenn Grünstrom im Netz ausreichend vorhanden und entsprechend günstig ist.

PV-Anlagen amortisieren sich nun schneller

Ein zusätzlicher positiver Effekt der altuellen Preiserhöhungen ist, dass sich jetzt Sonnenkollektoren, Wärmepumpen und vor allem Investitionen in die Wärmedämmung von Häusern schneller amortisieren. Die Haupt-Leidtragenden sind diejenigen, die sich gerade ein Haus gekauft haben – oft auch noch zu einem beträchtlichen Preis. Sie müssen unter den aktuellen Bedingungen einen neuen Energievertrag abschließen. Wenn sie auch noch ein Elektroauto besitzen, würde ich ihnen raten, sich nach Lademöglichkeiten vor Geschäften, bei der Arbeit und im Freundes- und Bekanntenkreis umzusehen – und die Stromverträge der Versorger genau zu studieren. Das kann leicht einen Unterschied von bis zu zehn Euro pro Akkuladung ausmachen.

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