In Reutlingen und Neu-Ulm geht es los: Hier können E-Autofahrer zum ersten Mal an den Stationen des Mineralölkonzerns Shell Strom zapfen. Und zwar ultraschnell, die Säulen schaffen jeweils bis zu 300 Kilowatt Gleichstrom. Damit lassen sich 100 Kilometer Reichweite in drei bis vier Minuten laden – wenn das Auto mitspielt. Dass die beiden Standorte in Süddeutschland liegen, ist wohl kein Zufall. Partner ist der baden-württembergische Energieversorger EnBW.

An insgesamt 50 Tankstellen wollen die beiden Unternehmen im ersten Zug Schnellladesäule mit je zwei Anschlüssen (CCS und Chademo) errichten. Doch das solle nur der Anfang sein, kündigt Jan Toschka an. Er ist Chef des Tankstellengeschäftes von Shell in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weitere Neuigkeiten dazu soll es Anfang des Jahres geben.

Rivale Aral investiert ebenfalls. Die BP-Tochter hat gerade im mecklenburgischen Wittenburg nahe der A24 ihre Tankstelle in der – ironischerweise – Rudolf-Diesel-Straße mit zwei Ultraschnellladesäulen ausgerüstet, die maximal sogar 320 kW leisten. Hohes Ladetempo ist für die Stationen wichtig, damit möglichst schnell der nächste Kunde an die Reihe kommt. Wir können „eine ideale Anlaufstelle für Elektroautofahrer sein, vorausgesetzt das Laden geschieht ähnlich schnell wie das Tanken flüssiger Kraftstoffe“, erklärt Aral-Vorstand Patrick Wendeler.

Zusätzlich gibt es in Wittenburg noch zwei Ladepunkt mit Wechselstrom und 22 kW, was für Plug-In-Fahrzeuge ausreicht. Insgesamt errichtet Aral derzeit verteilt über das Bundesgebiet an fünf Tankstellen Ladesäulen. Auch hier heißt es aus dem Unternehmen, weitere seien vorstellbar – dort wo sich ein tragfähiges Geschäftsmodell mittel- bis langfristig realisieren lasse.

Slider image

Sektorenkopplung – ganz persönlich

Shell-Manager Jan Toschka (r.) und sein EnBW-Kollege Marc Burgstahler bei der Eröffnung der ersten Schnellladesäulen an einer Tankstelle des Mineralölkonzerns. Foto: Shell

Slider image

Erst mal fünf

Aral errichtet derzeit an fünf Tankstellen im Bundesgebiet Schnellladesäulen mit einer Leistung von 320 Kilowatt. Foto: Aral

Andere Tankstellen-Ketten wie Total wollen ebenfalls Ladesäulen errichten. Doch geht es nach der Bundesregierung, werden die Mineralölkonzerne nicht weiter in Trippelschritten vorgehen können. Denn die Große Koalition hat in ihren Masterplan Ladeinfrastruktur hineingeschrieben, dass an allen knapp 14.500 Tankstellen in Deutschland „auch Ladepunkte angeboten werden“. Und zwar nicht freiwillig, sondern per Versorgungsauflage verpflichtend.

Ladeinfrastruktur an Tankstellen

Durch eine Versorgungsauflage soll geregelt werden, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden. Dabei wird insbesondere sichergestellt, dass für die individuell Betroffenen keine unzumutbaren, weil unverhältnismäßige finanziellen Belastungen entstehen und wo nötig einzelfallbezogene Übergangsregelungen sowie Ausnahme- und Befreiungsvorschriften geschaffen werden.

Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung

Die Tankstellenbetreiber fühlen sich überrollt

Die Branche reagiert auf den Vorstoß der Politik derzeit ablehnend. Man wisse doch noch gar nicht, ist von Shell zu hören, ob die E-Autofahrer überhaupt im großen Stil an Tankstellen laden wollten. Möglicherweise erledigten sie das bevorzugt Zuhause oder am Arbeitsplatz. Der Mineralölwirtschaftsverband rechnet vor, dass sich die Subventionen für ein Elektroauto schon heute auf 20.000 Euro belaufen würden. Eine weitere indirekte Förderung „in Form eines Ladesäulenzwanges an Tankstellen, die am Ende auch der klassische Tankstellenkunde mitbezahlen müsste, ist daher nicht erforderlich“, sagte Christian Küchen vor kurzem, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Sinnvoller sei es aus seiner Sicht, klimaneutrale synthetische Kraftstoffe zu fördern, dann könnten auch die heutigen Verbrenner zum Klimaschutz beitragen. Das sieht auch der Tankstellen-Interessenverband (TIV) so, in dem sich die Tankstellenbetreiber zusammengeschlossen haben. Diese Treibstoffe kosteten heute vier bis neun Euro pro Liter, sagt Verbandssprecher Herbert W. Rabl. Daher gehe es nicht ohne Subventionen des Staates, damit sie wettbewerbsfähig würden. Ihr Vorteil: Die vorhandene Tankstelleninfrastruktur ließe sich weiter nutzen.

Schnellladesäule von Aral Aral, Shell, Total: Die Mobilitätswende erreicht die Mineralölkonzerne. Sie beginnen, Ladesäulen an Tankstellen aufzustellen, und entwickeln Produkte für Elektroautos. E-Mobilität, Laden

Bei einem Ladesäulenzwang könne er sich „grundsätzlich nicht vorstellen, wie das gehen solle“, meint Rabl. Viele Tankstellen verfügten gar nicht über ausreichend leistungsstarke Stromanschlüsse. Auch sei nicht klar, was genau mit einem Ladepunkt gemeint sei. Von der Politik fühlt er sich überrollt. Mit dem TIV habe bisher niemand über die Umsetzung gesprochen, klagt er.

Bundesregierung prüft Umsetzbarkeit

Immerhin hat die Koalition bereits in ihrem Masterplan die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen vorgesehen – allerdings nur im Einzelfall. Wann der Ladesäulenzwang kommt, steht aber noch nicht fest. Auf Anfrage von EDISON erklärte das Bundesverkehrsministerium, die Regierung prüfe derzeit die konkrete Umsetzung: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran.“

Artikel teilen

8 Kommentare

  1. Nora

    Ich finde es gerecht, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden sollen. Ich würde mich persönlich auf eine solche Initiative freuen. Die Ladeinfrastruktur ist definitiv wichtig. Danke für den Beitrag, sehr interessant! https://www.tanktechnikgmbh.com/

    Antworten
  2. haarthhoehe

    Klimaneutrale synthetische Kraftstoffe gibt es nicht. Abgesehen von dem grottenschlechten Energiebedarf -dafür könnte man x-fach Akkus laden- überlassen die Ökospritverbrenner Abgase, die das Kleinklima belasten. Darunter leiden z.B. Asthmatiker. Früher hat man solche Belastungen als Imponderabilien bezeichnet, also Unwägbares. Die Zeiten sind vorbei. Die Gerichte können nicht mehr ignorieren, dass es Alternativen gibt. Die Politiker allerdings schon. Greenwashing hilft da auch nicht weiter.

    Antworten
  3. ekt

    Es wird höchste Zeit, dass auch die Abrechnungssysteme der diversen Anbieter vereinheitlicht werden. Warum geht das nicht ganz einfach mit der EC-Karte?
    ich muss immer noch wenigstens der unterschiedliche Karten in der Tasche haben…

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Die Zeit der Karten und Apps geht zu Ende. Künftig gilt Plug&Charge – einmal anmelden, Kreditkarte hinterlegen und Strom laden.

      Antworten
  4. gerd

    Die Regierung soll einfach mal Schuko Steckdosen an die subventioniertern Bahnparkplätze hinschrauben. Mobilitätsunternehmen Zukunft!

    Antworten
  5. Egon meier

    Sorry .. der völlig falsche Weg.
    Geladen wird und soll zu 95% zu Hause und bei der Arbeit. Das geht dann Akku-schonend und zu möglichst günstigen Tarifen in den netzschwachen Zeiten.
    Dazu brauch es Änderungen im Miet- und WE-Recht.
    die restlichen 5% Ladetätigkeit ist auf Reisen – dazu benötigt man Schnellader an den großen Tank- und Raststätten an Bundesstraßen und -autobahnen.

    Rest ist einfach Unsinn

    Antworten
    • JürgenV

      Also ich finde nicht, das es Blödsinn ist. Es wird immer noch eine Menge Leute geben, die nicht die Möglichkeit haben zu Hause oder am Arbeitsplatz zu laden. Daher fände ich es gut, wenn an den Tankstellen auch Ladestationen zu finden wären. Klar wehren sich die Tnkstellenbetrieber und möchten lieber die sogenannten klimaneutralen Kraftstoffe liefern. So könnte man schön den Verbrennungsmotor weiterhin benutzen. Nur kommt aus so einem Auspuff eben nicht nor NOx und CO2 raus, sondern noch jede Menge anderer Dreck. Und das wäre in Folge von verbrannten klimaneutralen Kraftstoffen ebenso sein. Ich will hier die E- Mobilität nicht als Alleinheilsmittel anpreisen, aber was besseres haben wir momentan nicht. Wasserstoff ist es zumindest im PKW sicher nicht.

      Antworten
      • Egon meier

        natürlich gibt es diesen Personenkreis – aber dafür sind die Tankstellen der falsche Ladeort und der Kundenkreis ist viel zu klein.
        Ein Laden an der Tankstelle ist zwangsläufig so teuer, dass ein BEV völlig unwirtschaftlich ist.
        Man kann es drehen und wenden wie man will: BEV darf nicht teuer und sollte möglichst deutlich preiswerter sein als Verbrenner.
        An der Tankstelle: Netzstrompreis+Investition+Gewinn+.. -> unbezahlbar in D

        Was helfen würde wäre ‚Laternenlader‘ an den Straßen mit niedriger Ladeleistung, die netzabhängig gesteuert werden könnten (wenn nachts der Windstrom kommt wird aufgedreht!!)

        Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert