Mit Markus Siebrecht, 55, steht seit Oktober 2021 ein ehemaliger BMW- und Audi-Manager an der Spitzen der Renault Deutschland AG. Der gebürtige Bochumer, der nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker Betriebswirtschaft studierte, weiß gut, was ein automobiles Premiumprodukt ist – und welche Margen sich in dem Marktsegment erzielen lassen. Mit dem neuen vollelektrischen Mégane E-TECH will der Vertraute von Konzernchef Luca de Meo – man kennt sich aus gemeinsamer Zeit im Audi-Vertrieb – will Siebrecht einen ersten Vorstoß in die Richtung unternehmen.
Die Voraussetzungen dafür scheinen gut. Das neue Elektroauto kommt beim Publikum gut an, aus Deutschland liegen seit dem offiziellen Verkaufsstart am 1. Februar angeblich bereits mehrere hundert Bestellungen vor. Und das Angebot ist in der Einführungsphase knapp: In diesem Jahr, so ist am Rande der Produktpräsentation zu erfahren, werden nur etwa 12.000 Autos nach Deutschland ausgeliefert werden – dem nach Frankreich zweitwichtigsten Markt für Renault. Daraus ergeben sich doch so einige Fragen. Und nicht nur zum neuen Auto, sondern auch zur geplanten Verlagerung des deutschen Firmensitzes.
Herr Siebrecht, Sie sind jetzt seit vier Monaten bei Renault in Brühl, haben Sie sich gut eingelebt?
Soweit man das nach einer so kurzen Zeit sagen kann – ja.
Und Sie haben sich auch schon alle Geschäftszahlen angesehen?
Vorher oder nachher?
Sowohl als auch. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gezogen?
Renault war immer ein Volumenhersteller. Aus meiner Sicht müssen wir uns jetzt zu einem nachhaltig profitablen Anbieter wandeln.
Das war die Renault Deutschland AG im vergangenen Jahr nicht?
Doch, wir haben auch in 2021 positive Zahlen geschrieben. Jedoch wird das für die zukünftig notwendigen Investitionen nicht ausreichen. Aber absatzmäßig war das letzte Jahr durchaus zufriedenstellend – auch wenn es nicht mehr Wachstumsraten wie in den Jahren davor gegeben hat. Aufgrund von Corona, aber auch infolge der beschränkten Verfügbarkeit einiger Modelle. Darüber hinaus haben wir im vergangenen Jahr einen Strategiewechsel vollzogen, indem wir uns von einigen Absatzkanälen verabschiedet haben, die nur auf Volumen abzielten. In Zukunft interessiert uns mehr das profitable Endkundengeschäft.
Was war 2021 das meistverkaufte Modell in Deutschland?
Der Zoe mit rund 25.000 Einheiten. Hier schlägt sich der starke Trend zur Elektromobilität nieder, der in Deutschland durch die Förderung getrieben wird.
Als das Modell 2011 gelauncht wurde, verdiente Renault mit dem Auto kein Geld, musste sogar zuschießen, um den Absatz zu fördern.
Das hat sich inzwischen deutlich geändert – sonst würden wir die Zoe heute nicht mehr anbieten. Aber natürlich erzielt man mit Elektroautos auch heute noch nicht die Erträge, die man mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen erwirtschaften kann.
Das soll sich mit dem neuen Renault Mégane E-Tech ja sicher ändern: Das Auto ist deutlich teurer als ein Zoe.
Der Mégane E-Tech ist das erste Fahrzeug, das unter der geänderten Strategie auf den Markt kommt. Es verkörpert sehr stark die neue Ausrichtung von Renault…
…die darauf abzielt, einen höheren Ertrag pro Fahrzeug zu erwirtschaften….
Ja, Stück für Stück. Der Mégane E-Tech ist aber auch sehr wichtig, um im C-Segment mit einem Elektroauto präsent zu sein. Das ist das größte Segment in Deutschland. Und da wollen wir in Zukunft eine gewichtigere Rolle spielen.
Sie treffen dort mit dem Mégane E-Tech unter anderem auf den VW ID.3.
Der ID.3 ist natürlich einer der Haupt-Wettbewerber.
Sie kommen aus dem VW-Konzern, kennen die Kriterien, wie dort neue Autos beurteilt werden. Erfüllt der Mégane E-Tech diese?
Ich habe den Wagen schon Ende Oktober vergangenen Jahres gefahren. Was mich dabei begeisterte, ist die Haptik. Alle Materialien sind hochwertig, auch im Innenraum. Das unterscheidet den Megane E-Tech von vielen Fahrzeugen unserer Wettbewerber, bei denen man merkt, dass sie gestrippt wurden, um einen besseren Zielpreis zu erreichen.
Obwohl der Hartplastik-Anteil auch hier noch recht hoch ist.
Das sehe ich nicht so. Schauen Sie mal in die Konkurrenzfahrzeuge rein. Bei uns sind viele Teile im Interieur mit Stoff oder Leder bezogen, da setzen wir uns ganz deutlich nach oben ab.
Den Mégane E-Tech gibt es mit zwei Akkugrößen und drei Ladegeschwindigkeiten – wobei ursprünglich für die Variante mit dem kleinen Akku kein Gleichstrom-Laden vorgesehen war. Haben Sie das noch geändert?
Nein, die Lorbeeren dafür mag ich nicht beanspruchen. Aber es ist natürlich wichtig, dass in einem Land, in dem auch mit einem Elektroauto lange Strecken zurückgelegt werden, schnell geladenwerden kann. Weil sich eine Schnelllademöglichkeit grundsätzlich nicht nachrüsten lässt, war es gut, dass das vor dem Verkaufsstart noch korrigiert wurde.
Die Topversion des Mégane E-Tech hat aktuell einen Akku mit 60 kWh Kapazität. Halten Sie das für ausreichend? Einen VW ID.3 kann man auch mit einem 77 kWh-Akku ordern.
Ich denke, dass es wichtiger ist, die richtige Balance zwischen Größe und Gewicht zu finden. Wenn man sich das durchschnittliche Nutzerprofil anschaut, werden Autos heute pro Tag maximal 130 Kilometer bewegt. Viele liegen noch deutlich darunter. Also deckt man mit 60 KWh das Kunden-Nutzerprofil mehr als ab. Wichtig ist hier eine gute Waage hinzukriegen zwischen dem Fahrzeuggewicht, der Akkugröße, der Ladefähigkeit und dem Preisangebot. Da ist unsere Wahl ganz klar auf eine Batteriegröße von 60 kWh gefallen.
Was nicht ausschließt, dass Renault später noch ein paar Batteriezellen nachschießt?
Das ist nie auszuschließen. Aber grundsätzlich ist uns das Gesamtpaket wichtiger.
Wie hoch ist der Elektroanteil an den Verkäufen von Renault in Deutschland aktuell?
Im vergangenen Jahr hat der Anteil bei rund einem Drittel gelegen.
Inklusive der Plug-in-Hybride?
Nein, die kamen noch obendrauf.
Die Umweltprämie läuft zum Jahresende aus. Was würden Sie sich für 2023 wünschen?
Dass es auch weiterhin eine Förderung gibt. Denn für die Geschwindigkeit der Transformation des Fuhrparks ist das extrem wichtig. Für unsere Kunden ist aber im Augenblick das Wichtigste, dass sie auch zum Auslieferungszeitpunkt in den Genuss der aktuellen Förderung kommen, wenn sie sich jetzt für ein Elektroauto entscheiden.
Was von der Verfügbarkeit der Fahrzeuge abhängt. Wie viele Mégane E-Tech kommen denn dieses Jahr noch nach Deutschland?
Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen, aber das wird stark davon abhängen, wie schnell sich die Auftragsbücher füllen – und wann wir den Ausverkauf für 2022 vermelden müssen.
Sie raten also, sich mit den Bestellungen zu sputen?
Auf jeden Fall! Wir sind jetzt schon im dritten Quartal, was die Lieferzeit anbetrifft. Tendenziell eher schon am Ende des dritten Quartals.
Mehr ist aus der Produktion nicht herauszuholen, wenn die Nachfrage stärker werden sollte?
Wir sind sicher gut beraten, schon am Anfang auf höchste Qualität in der Produktion zu setzen und nicht auf Masse. Wir wollen unseren Kunden kein Auto verkaufen, das erst in ihren Händen reift.
Die Zoe läuft noch eine Weile weiter, Sie bieten auch den Twingo sowie den Kangoo als Stromer an.
Der Mégane E-Tech hat ein absolutes Alleinstellungsmerkmal bezüglich seiner Größe, seines Designs und bezüglich der technologischen Ausstattung. Das ist ein ganz anderes Auto mit einem ganz anderen Nutzerkonzept als ein Zoe, ein Kangoo E-Tech oder ein Twingo Electric.
Wie lange wird die Zoe noch im Programm stehen?
Bis 2024. Dann werden wir im Rahmen der Renaulution-Strategie ein neues Fahrzeug anbieten, das auch die Zoe-Kunden von heute begeistern wird.
Wie sehr hat der Zoe Absatz durch das schlechte Abschneiden beim jüngsten Euro NCAP- Crashtest gelitten?
Das hatte zunächst natürlich Auswirkungen im Vertrieb. Einige Kunden waren verunsichert. Dabei hat sich an der ursprünglich mit der Bestnote von fünf Sternen ausgezeichneten Sicherheit des Fahrzeugs gar nichts geändert, nur an den Bedingungen des Tests. Beim Euro NCAP-Test werden über die Jahre die Assistenzsysteme immer wieder upgegradet. Weil wir in der Basisausstattung den Notbremsassistenten nicht angeboten hatten, wurden wir abgestraft. In Deutschland haben wir daraufhin entschieden, die Basisausstattung nicht mehr anzubieten. Diese wurde ohnehin nur von weniger als zehn Prozent unserer Kundengeordert. Beim Leasing fiel der Unterschied zur nächsthöheren Ausstattung sowieso nicht ins Gewicht.
Letzte Frage, zu einem ganz anderen Thema: Die Renault Deutschland AG ist derzeit in Brühl bei Köln beheimatet. Wie lange noch?
Wir haben intern das Projekt Nestor gestartet. Nestor gleich „Neuer Standort Renault“. Das Projekt treibt eine Standortveränderung voran, auch einen Standortwechsel.
Warum das?
Renault hat das 150.000 Quadratmeter große Gelände in Brühl 1963 erworben. Es war damals von Renault sehr weise, alles in dieser Größenordnung zu erwerben. Mit Blick auf die Immobilienentwicklung hat man damit ein echtes Pfund, das ein ordentliches Kapital darstellt. Zumal das Grundstück nicht nur über einen Gleisanschluss verfügt, sondern obendrein an der „Blauen Banane“ liegt, an einem der Haupt-Datennetze von Nord- nach Süddeutschland. Damit ist das Gelände beispielsweise für Firmen aus dem Bereich Logistik hochinteressant. Mit unserer zentralen Organisation wollen wir an einen anderen Standort gehen. Auch, um dort in ein Arbeitsumfeld einzutauchen, das deutlich moderner ist als das von heute. Das kann in der Nähe des aktuellen Standorts sein, aber auch weiter entfernt. Wir sind da völlig offen, die Suche läuft noch. Es geht uns am Ende um eine Location, mit der wir unseren Mitarbeitern etwas Attraktives bieten können.
Wann entscheidet sich das?
Wir hoffen noch in diesem Jahr.