Stellen Sie sich vor: Der Akku Ihres E-Bikes ist bei der Ankunft am Ziel komplett leer – und zehn Minuten später wieder fast voll geladen. Kein langes Warten über Nacht mehr, kein stundenlanges Hängen an der Steckdose. Genau das verspricht ein junges Startup aus Kalifornien: Morelle. Und das Beste: Das E-Bike sieht so aus wie ein normales Fahrrad ohne elektrische Trittunterstützung.

Die Revolution beginnt mit einem Pulver

Herzstück des Morelle-Rads ist eine neuartige Lithium-Ionen-Batterie mit einem entscheidenden Unterschied: Statt Graphit verwenden die Entwickler Silizium-Pulver in der Anode. Das speichert bis zu zehnmal mehr Energie und ermöglicht nicht nur eine höhere Reichweite – sondern auch Ladeleistungen von 1200 bis zu 1500 Watt oder 15 Ampere (A) an der Steckdose. Damit sind Ladezeiten von nur 10 bis 15 Minuten möglich. Zum Vergleich: Übliche E-Bike-Akkus brauchen mit einem handelsüblichen Ladegerät mit zwei Ampere Stromstärke vier bis acht Stunden, mit einem 6A-Fastcharger immer noch über eine Stunde.

Gut getarnt 
Dass das Fahrrad über eine elektrische Trittunterstützung verfügt, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sowohl der Antrieb an der Tretkurbel als auch der Akku im Unterrohr sind gut versteckt. Und auch das Gewicht von knapp 14 Kilogramm kann sich sehen lassen.
Gut getarnt
Dass das Fahrrad über eine elektrische Trittunterstützung verfügt, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sowohl der Antrieb an der Tretkurbel als auch der Akku im Unterrohr sind gut versteckt. Und auch das Gewicht von knapp 14 Kilogramm kann sich sehen lassen.

„Wir wollten weg vom Gedanken, dass man das E-Bike stundenlang unbeaufsichtigt laden muss“, sagt Kevin Hays, einer der Gründer. Gemeinsam mit Michael Sinkula, einem Spezialisten für Tech-Entwicklung, hat er Morelle ins Leben gerufen – nach gescheiterten Anläufen, die großen Player der Branche wie Bosch Bike Systems für die Idee zu begeistern. Die Reaktion: Ablehnung.

Vom Air-Taxi zum Lastenrad

Hays und Sinkula kommen ursprünglich aus der Hochtechnologie: Bei ihrem früheren Arbeitgeber Ionblox aus Fremont in Kalifornien arbeiteten sie an Akkus für eVTOL-Flugtaxis – elektrische Senkrechtstarter, wie sie etwa für urbane Luftmobilität vorgesehen sind. Aus diesem Wissen entwickelten sie ein Batteriesystem, das nicht nur in E-Bikes, sondern bald auch in humanoiden Robotern von Under Control Robotics (UCR) zum Einsatz kommen soll – etwa auf Baustellen und in Minen.

„Die Anforderungen an einen humanoiden Roboter sind ähnlich wie beim E-Bike“, erklärt Sinkula. „Hohe Energiedichte, wenig Platz, geringes Gewicht – das passt perfekt zusammen.“

Die Legende fährt mit

Doch wer sorgt dafür, dass das futuristische Rad nicht nur schnell lädt, sondern auch richtig gut fährt? Gary Fisher, eine Ikone der Fahrradwelt. Der Mountainbike-Pionier aus Kalifornien, der in den 1970er-Jahren den Geländesport auf zwei Rädern mitbegründete, ist bei Morelle für das Fahrraddesign verantwortlich.

„Wir wussten nicht, ob ihn E-Bikes überhaupt interessieren“, sagt Hays. „Aber Gary war sofort Feuer und Flamme.“ Für ihn sei klar gewesen: Wenn ein E-Bike sich fährt wie ein Bio-Bike – warum nicht?

Radfahrlegende Gary Fisher
Bereits in den 1960er Jahren konstruierte der heute 73-jährige zusammen mit  Freunden und Fahrern aus Kalifornien Offroad-Fahrräder, die sie "Klunkers" nannten und mit denen sie die steilen Schotterstraßen des Mt. Tamalpais hinunterfuhren.
Gary gewann den Masters' XC National Titel und das europäische TransAlp Rennen. Später stieg er in die Fahrradproduktion ein und verkaufte Mountainbikes, aber auch Straßenräder unter eigenem Namen. Inzwischen ist Fisher "Head Developer" bei Morelle. 
Foto: Evan B. Dudley für Morelle
Radfahrlegende Gary Fisher
Bereits in den 1960er Jahren konstruierte der heute 73-jährige zusammen mit Freunden und Fahrern aus Kalifornien Offroad-Fahrräder, die sie „Klunkers“ nannten und mit denen sie die steilen Schotterstraßen des Mt. Tamalpais hinunterfuhren.
Gary gewann den Masters‘ XC National Titel und das europäische TransAlp Rennen. Später stieg er in die Fahrradproduktion ein und verkaufte Mountainbikes, aber auch Straßenräder unter eigenem Namen. Inzwischen ist Fisher „Head Developer“ bei Morelle.
Foto: Evan B. Dudley für Morelle

Mit seiner Hilfe entstand ein nur knapp 14 Kilogramm schweres Rad, das nicht nur leichter, sondern auch schlanker und unauffälliger ist als die meisten heutigen Pedelecs. Der 350 Wattstunden fassende Akku im Unterrohr ist kleiner, trotzdem leistungsstark – was vor allem für urbane Flottenbetreiber oder Fahrradkuriere in Städten wie New York oder San Francisco ein echter Gamechanger sein könnte: Lange Ladezeiten können sich Kurierfahrer auf einem E-Bike nicht leisten, weil darüber kostbare Arbeitszeit verloren geht. Auch auf dem europäischen Markt hat Morelle deshalb großes Potenzial.

Mehr Fahrgefühl, weniger Technikballast

Einen entscheidenden Beitrag zum „Bio-Bike-Feeling“ liefert auch der Antrieb: Gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Bafang entwickelte Morelle einen kompakten Mittelmotor, der besonders leise und leicht ist – und sich kaum noch vom Tretlager eines normalen Fahrrads unterscheidet. Die schlanke Integration ins Rahmendesign verstärkt den unauffälligen Look und sorgt für ein natürliches Fahrgefühl, das selbst erfahrene Radfahrer überzeugt.

So groß wie eine Cola-Dose 
Die Leistungsdaten des zusammen mit Bafang entwickelten Mittelmotors für das 45 km/h schnelle S-Pedelec hat Morelle noch nicht verraten. Was die Kompaktheit anbetrifft, so konkurriert er mit dem neuen "Centrix"-Antrieb von ZF. Bilder: Morelle
So groß wie eine Cola-Dose
Die Leistungsdaten des zusammen mit Bafang entwickelten Mittelmotors für das 45 km/h schnelle S-Pedelec hat Morelle noch nicht verraten. Was die Kompaktheit anbetrifft, so konkurriert er mit dem neuen „Centrix“-Antrieb von ZF. Bilder: Morelle

Morelle verkauft seine E-Bikes direkt an Endkunden – zum Preis von rund 3.000 Dollar. Gefertigt wird in Taiwan, die ersten 1.000 Räder sollen Anfang kommenden Jahres ausgeliefert werden. Schon jetzt nimmt das Unternehmen auf seiner Website gegen eine Anzahlung von 1000 Dollar Vorbestellungen entgegen. Noch ist alles eigenfinanziert – doch das könnte sich bald ändern: Mehrere Investoren zeigen bereits Interesse, die Expansion des Geschäfts zu finanzieren.

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