Eine Reifenpanne auf dem Mond? Wäre ganz schlecht. Auch wenn es aufgrund der sechsfach geringeren Gravitation wesentlich deutlich einfacher sein sollte, für einen Reifenwechsel den Mond-Rover anzuheben. Das erste Lunar Rover Vehicle (LRV), mit dem die Apollo-Astronauten David Scott und James Irvian 1971 fast 28 Kilometer weit über die Mondoberfläche stromerten, besaß deshalb luftlose Reifen, die aus einem gewebten Netz aus verzinktem Klavierdraht bestanden. Angenietete Laufflächen aus Titan verhinderten, dass das Elektromobil unterwegs im Sand versank.

55 Jahre später, im Herbst 2026, will die Nasa mit einer Artemis-Mission und der nagelneuen Orion-Raumkapselschiff erneut Astronauten auf den Mond bringen, um die Erkundung des Mondes fortzusetzen und in der Nähe des Südpols eine dauerhafte Basis auf dem Erdtrabanten vorzubereiten. Artemis 5, nach heutigem Stand geplant für 2029, soll dann auch wieder einen Elektro-Rover an Bord haben – ein Lunar Terrain Vehicle (LTV), wie das Gefährt nun genannt wird. Wer das Gefährt baut und wie es aussehen wird, steht noch nicht fest: Die Nasa hat mit Intuitive Machines, Lunar Outpost und Venturi Astrolab gerade erst drei private US-Unternehmen ausgewählt und aufgefordert, Machbarkeitsstudien zu entwickeln. Insgesamt 4,6 Milliarden Dollar stellt die Nasa den drei Konsortien dafür zur Verfügung.

Luftlose Reifen auch für Serienautos

Da gibt es also eine Menge zu entwickeln und zu liefern, auch gute Geschäfte zu machen. Die Reifenindustrie bringt sich dafür bereits in Stellung. Sowohl Goodyear als auch Bridgestone haben Reifenkonzepte entwickelt, mit denen der Mond-Rover „unplattbar“ werden soll. Vorgestellt werden sie vom 8. bis 11. April auf dem 39. Space-Symposium in Colorado Springs.

Federnd über die Mondoberfläche 
Das Konzept-Rad von Bridgestone für den Mond-Rover sieht dünne, hochflexible Metallspeicher vor, die das Fahrzeug abfedern. Die Lauffläche besteht ebenfalls aus Metall, die allerdings mit Filz überzogen ist, um die Traktion zu verbessern.
Federnd über die Mondoberfläche
Das Konzept-Rad von Bridgestone für den Mond-Rover sieht dünne, hochflexible Metallspeicher vor, die das Fahrzeug abfedern. Die Lauffläche besteht ebenfalls aus Metall, die allerdings mit Filz überzogen ist, um die Traktion zu verbessern.

Die Konzeptmodelle für die luftlosen („Air free“) Reifen von Bridgestone aus Japan und Goodyear aus USA ähneln auf verblüffende Weise der inzwischen seriennahen Rad-Reifen-Kombination Uptis, die Michelin gerade in Europa unter Realbedingungen testet – für spätere Einsätze vor allem an gewerblich genutzten Kleintransportern auf asphaltierten Straßen. Das pannensichere, leichte und komplett wiederverwertbare Uptis (Unique Puncture-proof Tire)-System besteht aus einer Kombination aus verschiedenen Gummimischungen, einer Aluminiumlegierung für die Felge und einer flexiblen Trägerstruktur aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

Kamelfüße als Vorbild

Statt aus Kohlefasern bestehen beim Bridgestone-Rad die „Speichen“, die das Gewicht des Mond-Rovers tragen und Stöße absorvieren sollen, allerdings aus Metall. Und die Lauffläche besteht nicht aus Gummi, sondern aus einer Metalllegierung, die mit einem weichen Filzmaterial belegt ist. Bridgestone will auf diese Weise die Reibungskraft zwischen Reifen und Untergrund und damit die Traktion erhöhen. Zum Vorbild nahmen sich die japanischen Reifenentwickler dabei die Fußpolster von Kamelen. Wie es bei Bridgestone heißt, arbeitet man schon seit vielen Jahren an einem solchen Rad-Reifen-Konzept. Soll heißen: Abgeschaut habe man sich bei Michelin gar nichts.

Mond-Mobilität 
Goodyear hat für das Lunar-Terrain-Vehicle, das 2029 mit einer Artemis-Mission zum Südpol des Mond transportiert werden soll, einen unplattbaren Zwei-in-Eins-Reifen auf Metallbasis entwickelt. Foto: Goodyear
Mond-Mobilität
Goodyear hat für das Lunar-Terrain-Vehicle, das 2029 mit einer Artemis-Mission zum Südpol des Mond transportiert werden soll, einen unplattbaren Zwei-in-Eins-Reifen auf Metallbasis entwickelt. Foto: Goodyear

Ähnlich dürfte wohl Goodyear argumentieren und auf den „Aero“ verweisen, einen luftlosen „Zwei-in-Eins“-Reifen, den der Konzern schon 2019 präsentiert hatte – für fliegende Autos. Wie es damals hieß, würde der Aero auf der Straße wie ein normaler Reifen funktionieren. In der Luft könnten die offenen Lamellenspeichen des schlanken und ultraleichten Rads hingegen als eine Art Propeller dienen. Zudem sah das Konzept einen KI-Prozessor vor, der Informationen von den Reifensensoren auswerten sollte, um das Fahr- oder Flugverhalten zu verbessern. Gut möglich, dass die Technik nun auch in das Reifenkonzept für den Mond-Rover einfließt.

Drahtgeflecht
Venturi Lab aus der Schweiz hat 2023 auf der Luftfahrtschau in Paris ein neues Rad für ein Raumfahrzeug vorgestellt, das 2026 mit einer Starship-Rakete von Space X auf dem Mond abgesetzt und dort für den Transport von Nutzlasten verwendet werden soll. Das Rad des FLEX-Rover stützt sich auf 192 Speichen, die aus feinen, hochflexiblen Kabeln bestehen.
Drahtgeflecht
Venturi Lab aus der Schweiz hat 2023 auf der Luftfahrtschau in Paris ein neues Rad für ein Raumfahrzeug vorgestellt, das 2026 mit einer Starship-Rakete von Space X auf dem Mond abgesetzt und dort für den Transport von Nutzlasten verwendet werden soll. Das Rad des FLEX-Rover stützt sich auf 192 Speichen, die aus feinen, hochflexiblen Kabeln bestehen.

Extreme Temperaturunterschiede auf dem Mond

Auch bei Goodyear soll die Tragstruktur statt aus Kohlefasern aus einem Metallgewebe bestehen. Dies ist allerdings auch nötig, damit die Räder den extremen Temperaturschwankungen auf dem Mond standhalten und trotzdem flexibel und stabil bleiben: Auf der Oberfläche des Erdtrabanten kann es tagsüber bis zu 127 Grad Celsius warm, in der Nacht bis zu minus 140 Grad kalt werden. Konventionelle Reifen auf Kautschuk-Basis würde da schnell zerfließen oder zerbröseln. Die Folge wären jede Mengen Reifenpannen.

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