„NIO will ein positives Lebensgefühl vermitteln“

In Deutschland sind ja SUV-Modelle sehr beliebt. Da hat NIO den ES6 und den großen ES8 zu bieten. Kommen die demnächst auch zu uns?

Sie können damit rechnen. Wenn wir so tolle Autos bauen, warum sollten wir damit nur chinesische Kunden beliefern? Es spricht wirklich nichts dagegen, auch diese Modelle nach Deutschland zu bringen.

Kleinwagen sind für NIO derzeit kein Thema?

Erst einmal nicht. Wir bleiben im Premium-Segment. Dafür spricht auch, dass alle unsere bisherigen, größeren Autos das exakt gleiche Batteriepackage zum Wechseln nutzen können.

NIO wirbt auffallend mit der Nachhaltigkeit seiner Autos. Wie wichtig ist dieses Thema für Sie?

Sehr wichtig. Bei Nio setzen wir zum Beispiel Karuun ein, ein Material aus der natürlichen, schnell wachsenden Kletterpflanze Rattan. Eine Alternative für Kunststoff. Ein Nature Tech-Material mit einzigartigen Eigenschaften. Das hat ein Start-up aus dem Allgäu entwickelt.

Interessant ist auch NIOs Sprachmanager, dieser lustige NOMI, der oben auf dem Armaturenbrett thront. Der soll ja, im Gegensatz zu Systemen ihrer Wettbewerber, extrem schnell reagieren. Hat sogar eine Selfie-Funktion.

Mit NOMI kam sogar weltweit zum ersten Mal ein AI-Device, also künstliche Intelligenz in ein Auto. Das ist nicht nur eine Sprachsteuerung, das ist tatsächlich ihr Reisebegleiter. NOMI versteht sie immer, ist zudem mit Clouds verbunden. Und wenn sie ihn trainieren, reagiert er jeden Tag smarter, reagiert sogar emotional. In der neuesten Version kann Nomi ihre Sätze ohne ein Aufrufen und ohne Pausen verstehen. Sie können sich mit NOMI, in China funktioniert das schon, völlig normal unterhalten. Wie mit einem menschlichen Gesprächspartner. Jeder redet direkt nach dem anderen. Das ist eine Kernkompetenz von NOMI.

Wo sehen sie denn NIO in fünf Jahren in Deutschland?

Bis 2025 wollen wir unsere Produkte und unseren Service in mehr als 25 Ländern anbieten. Natürlich ist da der europäische Markt inbegriffen, auch Deutschland. Und dort wo wir präsent sind, da wollen wir ein signifikanter Player im Premium-Segment sein. Und was NIO überall am wichtigsten ist: Wir wollen die höchste Kundenzufriedenheit unter allen bekannten Automobilherstellern erreichen.

NIO will extreme Reichweiten offerieren, eine überragende Software und offenbar auch beste Verarbeitungsqualität. Wollen Sie damit die etablierten deutschen Autohersteller überholen?

Wenn man Bereiche des chinesisches Marktes nimmt, dann haben wir Mercedes, BMW oder Audi schon überholt. Wenn sie zum Beispiel die Verkaufszahlen der SUVs EC6 und ES8 ansetzen: Von denen verkaufen wir im Großraum Shanghai mehr Elektrofahrzeuge als Mercedes oder BMW mit den entsprechenden Wettbewerbsfahrzeugen.

Und bei uns in Deutschland?

Da gibt es natürlich einen harten Wettbewerb. Aber wir wollen auch hier die Herzen der User erobern. Müssen natürlich erst einmal verstehen, wohin die Herzen hier heute schlagen.

Und in zehn Jahren? Da überholen Sie dann Tesla weltweit.

Ich glaube, da müssen wir uns erst einmal selbst überholen.
Danach schauen wir, wer dann noch die Mitläufer sind.

NIO hat dazu doch bestimmt einen schönen detaillierten Plan…

Ja, natürlich. Für fünf Jahre und auch längerfristig. Aber für die nächsten fünf Jahre geht es tatsächlich erst einmal um die geografische Ausdehnung. So starten wir zum Beispiel 2022 auch noch in den Niederlanden, in Schweden und Dänemark.

Sehen Sie aus ihrer Sicht bestimmte Fehler der deutschen Autohersteller? Haben die nicht zu lange an Verbrennermodellen festgehalten?

Ich möchte hier nicht über Fehler anderer Autohersteller reden. Lieber darüber, was für NIO am wichtigsten ist. Nämlich, dass wir als Start-up schnell und agil in vielen Themenbereichen gleichzeitig agieren müssen. In unseren Entwicklungsprozessen sind wir zum Beispiel schon jetzt schneller als andere. Nehmen Sie den ES8. Due Entwicklung des Autos hat nur 35 Monate gedauert, vom ersten Sketch bis zum Start der Produktion. Traditionell braucht man 55 bis 60 Monate für so ein Auto auf einer völlig neuen Plattform.

„Wir konzentrieren uns auf die smarten Features, die sonst niemand hat.“

NIO ist Tempo wichtig?

Genau, wir müssen wirklich agil bleiben. Uns auf unsere besonderen Fähigkeiten konzentrieren, auf die smarten Features, die so niemand hat. Auf das autonome Fahren, auf NOMI, auf die hochentwickelte Software-Architektur. Wir sind die zweiten in der Welt mit einer kompletten Over-the-Air-Fähigkeit für alle unsere Autos und haben so schon über 400 neue verbesserte Features in unsere Autos gebracht. Ich würde aber gern noch was zu unserem Batterieservice sagen.

Bitte.

Es geht um BaaS, was bei uns für »Battery as a Service« steht. Die Kunden müssen beim Kauf des Fahrzeugs die Batterie nicht mitkaufen, sondern können sie einfach leasen. Was den Anschaffungspreis fürs Auto deutlich verringert und gleichzeitig die Restwerte ihres Elektrofahrzeugs verbessert, die derzeit durch den energetischen Abbau der Batteriezellen niedriger sind als bei den Verbrennern. Doch beim Leasing sind sie nicht der Eigentümer der Batterie, da ist das dann uninteressant. Und dann kommt diese Upgrade-Möglichkeit.

Wie funktioniert die?

Ganz einfach: Sie haben jederzeit die Möglichkeit eines Upgrades. Wenn sie zum Beispiel hauptsächlich in Berlin fahren, brauchen sie keine 150-kW-Battery, da reicht die kleine mit 75 kWh. Sie müssen trotzdem keine Angst vor langen Touren haben, um zum Beispiel einen Herrn Zhang in München zu treffen. Sie reservieren dafür einfach die große Batterie, fahren zur nächstgelegenen Swap-Station und lassen dort diese Batterie einwechseln. Da sind wir die einzigen, die das anbieten. Und schon sind sie, was die Batterie betrifft, sorgenfrei. Und der preisliche Einstieg in ein Premiummodell wird erschwinglicher. Das hat auch was mit Nachhaltigkeit zu tun: Bei uns sind sie nicht psychologisch gezwungen, den größten Batteriepack zu kaufen, den sie dann vielleicht nur zwei oder drei mal im Jahr nutzen.

Und wer übernimmt den Service für ihre Fahrzeuge?

Wir planen jeweils mit eigenen Service-Centern als auch den Service mit externen Partnern. In Norwegen haben wir seit einem Monat ein eigenes Service-Center geöffnet, aber wir sind auch mit Partnern in anderen Städten etabliert. Dazu gehören zum Beispiel Volvo-Händler. Auf unserem Heimatmarkt in China übernehmen wir den Service zu einem Viertel mit eigenen Werkstätten und zu drei Vierteln mit Partnern. Sie sehen: Auch insofern sind unsere Kunden rundum abgesichert.