Für Porsches Technikvorstand Michael Steiner war es ein „bewegender und hochemotionaler Moment“, für seine Vorstandskollegin Barbara Frenkel gar ein „historischer Tag“. Ähnlich pathetische Worte fanden auch Jorge Flies, der Gouverneur der Region Magallanes („Wir verändern die Welt“) und Chiles Energieminister Diego Pardow („Wir öffnen ein Fenster in die Zukunft“) – bei der Inbetriebnahme von „Haru Oni“, der weltweit ersten Pilotanlage zur Produktion von synthetischem Kraftstoff.

Nach siebjähriger Entwicklungs- und Planungsphase und rund zweijähriger Bauzeit wurde jetzt in der Nähe von Punto Arenas bei einem Festakt auf einem 3,2 Hektar großen Gelände am Rand der „Straße zum Ende der Welt“ das Windrad offiziell in Gang gesetzt und damit die weltweit erste Produktion von synthetischem Öko-Sprit begonnen. Aufgrund der starken Winde, die in Südchile unweit von Kap Hoorn kontinuierlich wehen, soll hier ab Januar aus Windstrom und mithilfe eines Elektrolysators aus Wasser und CO2 zunächst Methanol und in einem weiteren Verarbeitungsschritt klimaneutrales Benzin produziert werden. In der Pilotphase zunächst in einer Größenordnung von 130.000 Litern pro Jahr – die ersten Fässer sollen im Januar nach Europa verschifft werden. Sollte sich das Verfahren bewähren und als stabil erweisen, könnte bis 2026 auf einem benachbarten Gelände eine industrielle Großanlage mit 48 bis 56 Windräder und einer Gesamtleistung von 320 Megawatt und einer Produktionskapazität für rund 55 Millionen Litern entstehen – von E-Benzin, aber auch beispielsweise E-Kerosin für die Luftfahrt.

Kein Problem mit Abatandsregeln
Eine Leistung von 3,6 Megawatt hat die Windmühle von Siemens Gamesa, die auf dem Gelände der Pilotanlage "Haru Oni" in der südchilenischen Steppe Strom für die Wasserstoffproduktion erzeugt - während 8760 Stunden im Jahr. Foto: Porsche
Kein Problem mit Abatandsregeln
Eine Leistung von 3,6 Megawatt hat die Windmühle von Siemens Gamesa, die auf dem Gelände der Pilotanlage „Haru Oni“ in der südchilenischen Steppe Strom für die Wasserstoffproduktion erzeugt – während 8760 Stunden im Jahr. Foto: Porsche

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Denn ob die Großanlage tatsächlich in Chile entsteht oder vielleicht auch in Nordamerika, ist noch längst nicht ausgemacht. Dies hänge unter anderem auch von politischen Rahmenbedingungen ab, machte Rolf Schumacher deutlich: Der ehemalige Siemens-Manager ist Chief Innovation Manager beim Projektbetreiber HIF Global LLC, an dem Porsche inzwischen 12,5 Prozent der Anteile hält.

Sollte sich beispielsweise die Europäische Union gegen die Beimischung von E-Fuels zu den konventionellen Kraftstoffen für Personenwagen wehren, würde die Großanlage wahrscheinlich eher in Nordamerika realisiert, machte Schumacher in einem Pressegespräch deutlich. Durch den „Inflation Reduction Act“ – mit dem unter anderem Erneuerbare Energien und die Industrie im Kampf gegen den Klimawandel gestärkt werden sollen – herrschten dort zum Ärgernis der EU wesentlich bessere Rahmenbedingungen für industrielle Großinvestitionen in einer Größenordnung von etwa 1,3 Milliarden Dollar, die die geplante E-Fuel-Raffinerie kosten würde.

Öko-Sprit erst mal nur für den Eigenbedarf

Erst aber einmal muss die Technik auf dem Gelände der Pilotanlage „Haru Oni“ zeigen, was sie zu leisten vermag – und wie viel Öko-Sprit sie tatsächlich produzieren kann. Insbesondere die Umwandlung von Methanol in Benzin, so hörten wir, bietet noch einige Herausforderungen. Entsprechend bescheiden sind die Ziele auch erst einmal von Porsche: Der Sportwagenhersteller hat sich die gesamte Produktion von „Haru Oni“ gesichert, um damit ab kommendem Jahr die Clubsportserie Porsche Mobil 1 Supercup (Jahresverbrauch: 65.000 Liter Benzin) sowie die Fahrtrainings in den Porsche Experience Centern weltweit klimaneutral darstellen zu können, wie Porsche-Vorstand Steiner erläuterte. „Wir fangen erst einmal vor der eigenen Haustür an, die Klimabilanz zu verbessern und geben unsere E-Fuels nicht in den großen See.“

Ortsbegehung 
Zusammen mit den beiden Porsche Vorständen Barbara Frenkel und Michael Steiner (v.r.) besichtigte der Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann von den Grünen, die Pilotanlage "Haru Oni" - und machte sich anschließend für eine E-Fuel-Raffinerie in Karlsruhe stark. Methanol aus Chile könnte dort zu synthetischem Benzin veredelt werden. Foto: Porsche
Ortsbegehung
Zusammen mit den beiden Porsche Vorständen Barbara Frenkel und Michael Steiner (v.r.) besichtigte der Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann von den Grünen, die Pilotanlage „Haru Oni“ – und machte sich anschließend für eine E-Fuel-Raffinerie in Karlsruhe stark. Methanol aus Chile könnte dort zu synthetischem Benzin veredelt werden. Foto: Porsche

Erst später soll das E-Fuel durch Blending, als durch Beimischung zu konventionellem Sprit, breiter eingesetzt werden – um die Klimabilanz der Porsche-Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu verbessern. Also derjenigen Benziner, die von Porsche noch bis zum europäischen Verbrennerverbot im Jahr 2035 produziert werden. Und natürlich auch all der Porsche Young- und Oldtimer, die zu 80 Prozent von ihren Besitzern immer noch mit viel Freude im Straßenverkehr bewegt werden. Sie alle können die E-Fuels ohne Änderungen an der Fahrzeugtechnik problemlos verkraften.

„Unser Unternehmensziel ist es, klimaneutral zu werden. Und das schaffen wir nicht allein mit Elektroautos, sondern nur in Kombination mit klimaneutralen Kraftstoffen“, betonte Porsche-Technikchef Steiner mit Blick auf die zahlreichen „Experten“ speziell in Deutschland, die das Batterieauto für die allein seligmachende Lösung halten. „Das Problem ist ja nicht der Verbrennungsmotor, sondern der Kraftstoff“.

Viermal mehr Wind als in Deutschland

Und in Südchile sind die Bedingungen für die Herstellung des Öko-Sprits geradezu ideal. Denn der Wind weht hier heftig und vor allem kontinuierlich, dass Windkraftanlagen hier bis zu 70 Prozent des Jahres unter Volllast Strom produzieren können. Zum Vergleich: In Deutschland arbeiten Windkraftanlagen an Land nur zu etwa 30 Prozent im Jahr unter Volllast, auf See (offshore) maximal 50 Prozent. „Chile hat damit ein Potenzial für eine Jahresproduktion von 15.000 Megawattstunden Strom“, so HIF-Manager Schumacher. Die hohen Wirkungsverluste bei der Herstellung von e-Fuels – die von den Kritikern gerne ins Feld geführt werden – spielten da keine Rolle mehr, betonte auch Porsche-Vorstand Steiner. „Wir haben damit einen ganz anderen Startpunkt.“

Gemeinschaftswerk 
Die Pilotanlage "Haru Oni" entstand aus einem Gedankenaustausch zwischen Porsche und Andes Mining and Energy (AME) in Chile. Später kamen mit Siemens Energy, ExxonMobil, der Enel Group und unter dem Dach von HIF Global  zahlreiche andere Partner und Finanziers hinzu - auch aus der Politik. Entsprechendes Gedränge herrschte rund um den Startknopf.
Gemeinschaftswerk
Die Pilotanlage „Haru Oni“ entstand aus einem Gedankenaustausch zwischen Porsche und Andes Mining and Energy (AME) in Chile. Später kamen mit Siemens Energy, ExxonMobil, der Enel Group und unter dem Dach von HIF Global zahlreiche andere Partner und Finanziers hinzu – auch aus der Politik. Entsprechendes Gedränge herrschte rund um den Startknopf.

Und die Herstellkosten für synthetische Kraftstoffe von derzeit rund zwei Dollar pro Liter (ohne Anlagen-, Betriebs- und Transportkosten) seien unter Produktionsbedingungen wie in Chile dann auch durchaus wettbewerbsfähig. Vorausgesetzt, der Absatz von synthetischen Kraftstoffe wird von der Politik gefördert und nicht wie rein fossile mit CO2-Strafsteuern belegt.

Insofern dürften die Porsche-Vorstände sich auch über die Worte des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann bei der Eröffnungsfeier in Chile gefreut haben.

Grüner Verkehrsminister macht sich für E-Fuels stark

Der grüne Politiker, der für seinen Parteifreund, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die Produktionsstätte in Chile besichtigte, brach bei der Eröffnung von „Haru Oni“ vor großem Publikum eine Lanze für die E-Fuels. Und er warb in einem Interview mit EDISON für ein schnelles Hochfahren der Produktion: „Wir brauchen regenerative, synthetische Kraftstoffe, zum Beispiel für Flugzeuge, für Schiffe, aber auch den Bestandsverkehr. Denn auch die Autos mit Verbrennungsmotor müssen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ Im Jahr 2035, das weiß auch Hermann, würden sicher noch über 1,3 Autos weltweit mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sein. Da mache der Einsatz von E-Fuels durchaus Sinn. Deshalb denkt Hermann nun sogar darüber nach, in Karlsruhe auf dem Gelände der Miro-Raffinerie eine Fabrik anzusiedeln, in der Methanol aus Chile mit relativ geringem Energieaufwand zu E-Fuels veredelt wird.

Dass die synthetischen Kraftstoffe eine sinnvolle Ergänzung zu batterieelektrischen Fahrzeugen sein könnten, scheint inzwischen auch anderen Autoherstellern zu dämmern. Wie Porsche-Mann Steiner verriet, erlebte er im VW-Konzern, aber auch im eigenen Unternehmen, eisigen Gegenwind, als er zum ersten Mal für E-Fuels und den Bau einer Pilotanlage in Chile warb. Das Projekt wurde damals als „Spinnerei“ abgetan. Inzwischen, so Steiner, ließen sich die Kollegen auch der anderen Konzernmarken regelmäßig über die Fortschritte bei dem Projekt berichten. Die Genugtuung darüber war ihm in Chile deutlich anzumerken.

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4 Kommentare

  1. Armin

    Technisch sehr interessant und für Flugzeuge vermutlich eine Lösung. Auch wird es den 911er Fahrer nicht jucken €3.50 für den Liter zu zahlen.
    Für den alltäglichen Einsatz jedoch viel zu wertvoll wenn es wesentlich effizienter geht.
    BtW: Woher kommt denn das CO2? Ich kenne bisher nur 2-3 Pilotanlagen, die das CO2 aus der Luft holen.

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    • DaHuaba

      Ich weiß nicht, wie hilfreich diese Antwort ist (zugegebenermaßen steckt im Link auch ein Bisschen Lobby), aber laut Siemens wird das CO2 der Luft entzogen.
      https://press.siemens-energy.com/global/de/pressemitteilung/baubeginn-fuer-weltweit-erste-integrierte-kommerzielle-anlage-zur-herstellung-co2
      Wie genau das Abläuft und wie viel Energie nötig ist, dazu finde ich im Netz auch nach langer Recherche leider nichts (informiere mich schon seit ein paar Jahren über E-Fuels). Auf Edison ist aber mal erschienen, dass Audi mit dem Orca-Projekt kooperiert, vielleicht macht sich das in ein Paar Jahren bemerkbar.

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      • Franz W. Rother

        Siemens entzieht das CO2 in Chile der Luft. Details muss ich nachreichen. Mit Orca hat das in Haru Oni nichts zu tun.

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  2. DaHuaba

    Man kann jetzt noch nicht abschätzen, wie es in 10 Jahren mit Verbrennern aussieht. Und angesichts der kommenden EU-Mindestquote für erneuerbare Kraftstoffe sind Anlagen wie diese durchaus sinnvoll. Deshalb finde ich es gut, dass Edison auch über Themen wie Brennstoffzellen und E-Fuels schreibt.

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