Im Automobilbau gilt seit jeher ein ehernes Gesetz. Viel Geld verdient man mit Premiumfahrzeugen und großen Autos. Nicht umsonst gelten Porsche und Audi traditionell als Margenpolierer des VW-Konzerns. Mercedes schiebt konsequenterweise die A-Klasse aus den Schauräumen der Händler und will jetzt als reine Luxusmarke Geld scheffeln. Auf den ersten Blick scheint sich diese Strategie auszuzahlen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat der schwäbische Autobauer einen Nettogewinn von über vier Milliarden Euro eingefahren, zwölf Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Das freut die Aktionäre.
Im Ländle hingegen setzt es hingegen zunehmend Kritik an dieser Louis-Vuitton-Hermes-Strategie von Konzernchef Ola Källenius. „Ich halte diese Strategie für einen Fehler, das wird auch zu Akzeptanzproblemen führen, wenn man nur noch für Reiche und Superreiche Autos baut“ rüffelt der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ den Mercedes-CEO. Die Zahlen sind eindeutig: Zwischen den Jahren 2019 und 2022 ist der Durchschnittspreis eines Mercedes von 51.000 auf rund 73.000 Euro gestiegen. Geld, das hierzulande nur wenige für ein neues Auto ausgeben können.
Dabei braucht es in den Großstädten eher kleine Autos mit sparsamen Elektroantrieben, damit die neuen Mobilitätskonzepte aufgehen. Und trotz der Antriebswende sollten die Fahrzeuge bezahlbar bleiben. VW peilt mit dem ID.2, der 2025 erscheinen soll, einen Preis unterhalb von 25.000 Euro an. Schon diese Marke gilt als ambitioniert. Und eigentlich bräuchte es elektrische Neuwagen zu Preisen unter 15.000 Euro, um die Kaufkraft der meisten Deutschen nicht zu überfordern.
Kampfansagen aus Shanghai
In die Lücke, die sich da auftut, könnten schon bald Autohersteller aus China stoßen. „Kleinwagen unterhalb des MG4 Electric könnte gut zur Marke MG Motor passen“, sagt Jan Oehmicke, Vizepräsident D-A-CH-Region, MG Motor Europe. Auch andere Autohersteller aus China hätten interessante Angebote im Portfolio, wie kürzlich die Shanghai Motor Show zeigte. Autos wie der BYD Seagull (für umgerechnet 10.400 Euro), der Wuling Bin Guo EV (ab 8.000 Euro) oder der Ora R1 (rund 8.900 Euro) sind eine echte Kampfansage. Und das bleiben sie auch, wenn man Transportkosten, zoll und Steuern aufschlägt.
Im Kleinwagenmarkt brechen also für die deutschen Hersteller schwere Zeiten an. Zumal die chinesischen Autobauer schon von Haus aus gewohnt sind, mit harten Preisbandagen zu kämpfen. „Auch der chinesische Automarkt ist durchaus kompetitiv“, sagt Peter Fintl von der Unternehmensberatung Capgemini. „Die Player dort haben gelernt, schlank zu entwickeln und kosteneffizient zu produzieren. Natürlich helfen günstige Lohnkosten dabei. Aber ohne optimierte Fertigungsprozesse und kosteneffiziente Technologien und Materialien bleibt man auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Chinas Autobauer besitzen mittlerweile substanzielle Expertise im Bereich der Skalierung über alle Segmente hinweg“, weiß der Autoexperte.
China führt auch bei Batterietechnologie
Auch bei den Energiespeichern, dem teuersten Bauteil von Elektroautos, sind die chinesischen Autobauer ihren europäischen Konkurrenten voraus. Batteriehersteller CATL hat presigünstige Akkus mit Natrium-Ionen-Zellen zur Serienreife gebracht und beliefert damit bereits den Hersteller Chery. Die Batterien bieten nach Fintls Einschätzung ein großes Potenzial, um nicht nur die Batteriekosten um rund 40 Prozent auf rund 90 US-Dollar pro Kilowattstunde Speicherkapazität zu senken. Die Technik reduziere auch die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen.