Vielleicht waren wir etwas zu frech. Kaum hatten wir unseren knallgelben Testwagen vor das Schlosstor gestellt, um ein paar hübsche Fotos zu schießen, kam aus einem Nebengebäude ein junger Mann geschossen. Verfolgt von zwei weiteren Männern von kräftiger Statur. Das sah nach Ärger aus.

Doch der erste Schein trog. Und zwar gewaltig. Statt uns zum sofortigen Verlassen des Geländes aufzufordern, umringen die Herren lachend und wild gestikulierend unser Auto, äugen neugierig ins Innere und überschütten uns mit Fragen. „Nouvelle Renault cinq“, verstehen wir. Und „électrique“ – der Rest geht im Wortschwall und aufgrund unser nur rudimentären Französisch-Kenntnisse völlig unter.

Besuch in der Schlossallee
Der R5 Electric weiß nicht nur Nostalgikern zu gefallen. Das Design weckt bei vielen Franzosen positive Erinnerungen.

Der junge Mann erkennt unsere Not aber schnell und schaltet auf Englisch um. Wir erfahren, dass er Rémy Massa heißt, seinem Vater das Schloss samt Weingut gehört – und wie seine Mitarbeiter ganz verzückt ist über den Renault 5 Electric, den wir ihm freundlicherweise vor die Tür gestellt hätten. Sein Vater habe einst einen Renault 5 Turbo besessen, unser Auto wecke da viele schöne Erinnerungen an den „Supercinq“. Als wir ihm anbieten, hinter dem Lenkrad Platz zu nehmen, um die Erinnerungen aufzufrischen und mit dem neuen R5 abzugleichen, gehören wir fast schon zur Familie. Ob wir Zeit und Lust hätten, auf ein Glas Wein reinzukommen?

„Kleiner Freund“ wächst auf knapp vier Meter

Lust hätten wir schon gehabt, Zeit jedoch keine: Die erste Testfahrt mit dem neuen Renault 5 E-Tech Electric – so die vollständige Modellbezeichnung – war da schließlich erst wenige Kilometer alt. Und bis zur Abenddämmerung wollten noch wenigstens 200 weitere Kilometer zurückgelegt sein. Aber der Zwischenstopp machte uns gleich deutlich: Für die Franzosen war und ist der R5 Kult – und bis heute ein großer Sympathieträger. „Der kleine Freund“, wie ihn die Renault-Werbung den Kleinwagen einst nannte, ist mittlerweile über 50 Jahre alt. Aber auch 28 Jahre nach seinem Produktionsende 1996 lebt Nummer 5 immer noch. Beste Voraussetzungen also für den Neustart.

Zurück in die Zukunft
Auch im Innenraum wecken die Renault-Designer mit vielen Details Erinnerungen an das „Urmodell“ von 1972. Dabei haben sie allerdings die Bedürfnisse der Menschen von heute nicht vergessen. Foto: Renault

Natürlich kommt der R5 nicht als Turbo zurück und auch nicht als Benziner, sondern – ganz zeitgemäß und zukunftsorientiert – als Elektroauto. Mit einer Länge von 3,92 Metern und einer Breite von 1,72 Metern ist er zwar deutlich größer als das Original (3,52 Meter lang und nur 1,55 Meter breit) – aber ansonsten dem Ahnen wie aus dem Gesicht geschnitten.

„Renaulution“ ließ Zoe sterben

Da haben die Renault-Designer um Laurens van den Acker wirklich gute Arbeit geleistet. Zumal sie viel Liebe in die Details gelegt haben. An vielen Stellen zitieren sie das Vorbild, an anderen Stellen fügten sie geschickt neue Elemente ein, ohne die Nostalgiker in der Renault-Fangemeinde zu irritieren. Ein wenig Retro, eine gehörige Portion Zeitgeist, unten drunter modernste Antriebstechnik – das Rezept dürfte aufgehen und die „Renaulution“ zum Erfolg führen.

Pop Art
Renault lässt zusammen mit dem R5 Electric auch die Farbigkeit der 1970er Jahre aufleben. Wem die kräftigen Farben nicht zusagen: Es gibt den kleinen Stromer auch in dezenteren Lackierungen.

Die Fangemeinde der Renault Zoe – zu der auch der Autor vor einigen Jahren zählte – war recht enttäuscht, als der Konzern Ende März nach beinahe zwölf Jahren die Produktion des elektrischen Kleinwagens einstellte. Doch mit dem Renault 5 E-Tech Electric ist nun ein mehr als würdiger Nachfolger auf dem Markt. Batterietechnisch hat sich auf den ersten Blick nicht viel geändert: Wie die Zoe wird auch der R5 wahlweise mit einem 40 und 52 kWh Batteriepaket angeboten.

Stromern mit Gokart-Feeling

Dafür aber ist die Antriebsleistung gewachsen (von 100 und 110 kW), vor allem aber die Ladeleistung: Endlich kann das Modell mit der 52kwh-Batterie Gleichstrom mit bis zu 100 kW aufnehmen. Und auch bei der Höchstgeschwindigkeit gibt es ein kleines Plus: Auf deutschen Autobahnen sind statt 140 nun bis zu 150 km/h drin. Letzteres ist allerdings nur eine Petitesse: Schneller als mit 130 km/h geht es in den meisten Ländern Europa ohnehin nicht mehr voran. Und die Autobahn ist nicht unbedingt das Revier eines elektrischen Kleinwagens.

Nummer 5 lebt
Der Ladestand des Akkus lässt sich auf dem Display auf der Motorhaube in Form von Balken ablesen. Ursprünglich sollte hier die Ladeklappe sitzen. Sie wanderte statt dessen aus Kostengründen in den linken vorderen Kotflügel.

In der Stadt und auf Landstraßen fühlt sich der kleine Stromer wesentlich wohler. Zumal ihm die Renault-Ingenieure nicht nur die Vorderachse des Capture, sondern auch eine neue Multilink-Hinterachse spendiert haben, die ihn ebenso satt wie ruhig über Fahrbahnunebenheiten gleiten lässt. Die Zoe war hier deutlich hippeliger und entsprechend unkomfortabel. Auch reagiert die Lenkungen auf die Handbewegungen des Fahrers deutlich zackiger – da kommt Gokart-Feeling auf. Dem elektrischen Mini Cooper aus China ist da in Frankreich ein ernstzunehmender Rivale erwachsen.

Bis zu 410 Kilometer Reichweite

Der Fahrspaß ist jedenfalls deutlich größer als in der seligen Zoe. Was auf unserer Testfahrt durchs südfranzösische Hinterland zu einer flotteren Fahrweise motivierte und in einem Durchschnittsverbrauch von 18,6 kWh/100 km mündete. Aber keine Angst: Bei entspannter Fahrweise sind Werte um die 15 kWh/100 Kilometer und damit auch Reichweiten bis zu 410 Kilometer drin. Wir hingegen hatten nach knapp 300 Kilometern dringend eine Ladesäule nötig. Man darf gespannt sein, mit welchen Reichweiten das sportliche Schwestermodell Alpine A290 aufwarten wird, der den 160 kW starken Frontantrieb des Renault Megane E-Tech Electric bekommt.

Kleines Bordgepäck
Der Kofferraum des Renault R5 Electric fasst maximal 320 Liter. Das reicht für zwei Bordtrolleys und zwei Reisetaschen.

Aber Dynamik ist nicht alles. Wir werfen hier deshalb noch einen Blick auf die praktischen Qualitäten des elektrischen R5. Das Platzangebot vorne ist gut, hinten ist die Bewegungsfreiheit der Passagiere stark eingeschränkt, wenn Personen mit einer Körpergröße jenseits von 1,80 Metern auf den Sportsitzen Platz genommen und diese bis auf das Bodenblech heruntergefahren haben. Und der Kofferraum ist mit einem Volumen von 320 Litern nochmals kleiner ausgefallen als der in der Zoe (338 Liter). Zwei Bordtrolleys passen der Länge nach rein, zwei Taschen obendrauf – das war’s. Und auch bei umgelegter Rückenlehne bleibt der R5 hinter der Zoe zurück – da hat der Wechsel auf die neue AmpR-Small-Plattform nicht viel gebracht. Und die hohe Ladekante blieb auch erhalten, schade.

„Käse-Igel“ rund ums Lenkrad

Das digitale Cockpit mit dem im Topmodell 10,1 Zoll großen Touchscreen sieht gut aus und lässt sich dank der bekannten Google-Integration auch leicht bedienen. Wünschenswert wäre allerdings eine Reduktion der Bedienhebel und Satelliten rund um das Lenkrad gewesen – durch die fünf Auswüchse rund um die Lenksäule und am Lenkrad (für Blinker, Scheibenwischer, Lautstärke- und Senderwahl sowie Fahrhebel und Fahrprogrammsteuerung) fühlten wir uns irgendwie an jene Käse-Igel erinnert, die in den 1960er Jahren manches Party-Büffet zierten. Weniger wäre hier mehr gewesen – vor allem an Bedienerfreundlichkeit.

„Käse-Igel“ der Neuzeit
Fünf Bedieneinheiten ragen beim R5 Electric aus Lenksäule und Lenkrad. Mit ihnen wird die Fahrstufe gewählt (oben rechts), der Scheibenwischer (Mitte) und das Radio (unten) bedient. Auf der linken Seite sitzen Blinker und Lichtschalter. Und am Lenkrad ein Knopf, über den drei verschiedene Fahrprogramme gewählt werden können. Foto: Rother

Aber wir wollen darüber hier nicht zu heftig meckern – dafür hat der R5 Electric zu viele gute Eigenschaften. Sicherheitstechnisch ist er mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen auf der Höhe der Zeit. Sogar ein teilautonomes Fahren auf Level 2 ist nunmehr möglich – bei der Zoe fehlte bis zuletzt der Abstandsradar.

Bis zu 4000 Euro günstiger als die Zoe

Maßstäbe setzt der Renault im Kleinwagen-Segment auch mit der Fähigkeit zum bidirektionalen Laden mit 11 kW und zum vereinfachten Stromladen am DC-Schnelllader per Plug&Charge. Das eine setzt allerdings eine spezielle Wallbox voraus, das andere einen speziellen Stromvertrag – die beide ausschließlich über die Renault-Tochter Mobilize erhältlich sind. Die Mobilize PowerBox Verso wäre sogar in der Lage, Ladestrom mit bis zu 22 kW zu liefern. Dumm nur, dass im R5 im Unterschied zur Zoe nur ein Ladegerät für 11 kW verbaut ist. Begründung: Öffentliche Wechselstrom-Ladesäulen mit derart hohen Ladeleistungen gebe es nur in Deutschland. In Frankreich lägen da maximal 7,2 kW an – 22 kW wären also Verschwendung.

Ohne „Frunk“
Der Motorraum des frontgetriebenen R5 Electric ist gut gefüllt, aber noch nicht bis zum Deckel. Eine Ablage für das Ladekabel könnte hier noch Platz finden.

Was uns zum Schluss zu den Preisen bringt. Unser grellgelber Testwagen in der Ausführung „Iconic Five“ Comfort-Range mit 52 kWh-Akku und 110 kW (150 PS), mit 18-Zoll-Rädern und Sicherheits-Paket und (feinem) Soundsystem von Harman Kardon hätte uns samt Ladekabel 37.272 Euro gekostet. Das Topmodell der Zoe wäre zu Jahresbeginn wenigstens 4000 Euro teurer gekommen. Das ist mal ein echter Fortschritt.

Und wem das noch zu viel ist, muss sich nur ein wenig gedulden. Zum Ende dieses Jahres bringt Renault des R5 Electric in der Ausführung „Urban Range“ mit 40 kWh-Akku und 90 kW (120 PS) starkem Antrieb für unter 30.000 Euro (exakt: 29.900 Euro) in den Handel. Und Ende kommenden Jahres ist eine „Five“ genannte Version für unter 25.000 Euro fest eingeplant. Mit 40 kWh-Akku und einer Spitzenleistung von 70 kW oder 95 PS. Für den reinen Stadtverkehr sollte das völlig genügen: Dem ersten R5 reichten schon 25 kW.

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