Am vergangenen Wochenende konnte das neue Elektroauto erstmals bei den Renault-Händlern in Deutschland besichtigt werden – fast zehn Monate nach der Weltpremiere des Megane E-Tech Electric (der heißt vollständig wirklich so) auf der IAA Mobility in München. Wer als Normalkunde schon von den ersten Bildern des extravagant wie futuristisch gestylten Fünfsitzers elektrisiert worden war, brauchte eine gehörige Portion Geduld bis zum ersten Probesitzen und der ersten Testfahrt.

Ein Mangel an Computerchips, an Kabelbäumen und wohl auch an Batteriezellen hatte die Produktion des Stromers in der nordfranzösischen „ElectriCity“ schon kurz nach dem Start zum Erliegen gebracht, ein anschließender mehrwöchiger Bestellstopp die Pläne des Renault-Vertriebs für die Markteinführung komplett über den Haufen geworfen.

Erster Alltagstest mit dem „Iconic“-Topmodell

Doch nun soll es endlich losgehen mit der Aufholjagd und mit der Neuverteilung der Marktanteile im Kompaktsegment. Vor allem dem ID.3 von Volkswagen wollen die Franzosen Kunden abspenstig machen. Könnte das gelingen?

Der VW ID.3 und der neue Renault Megane E-Tech Electric haben die gleiche Zielgruppe im Blick. Doch bei Konzeption von Karosserie und Antriebs, aber auch bei Auslegung und Ausstattung gehen die beiden Elektroautos unterschiedliche Wege.
Seit‘ an Seit‘
Der VW ID.3 und der neue Renault Megane E-Tech Electric haben die gleiche Zielgruppe im Blick. Doch bei Konzeption von Karosserie und Antriebs, aber auch bei Auslegung und Ausstattung gehen die beiden Elektroautos unterschiedliche Wege.

Wir hatten das Glück, den Renault Megane E-Tech (das er elektrisch fährt, brauchen wir nicht zu wiederholen) in der wenigstens 47.500 Euro Topausführung „Iconic“ ausgiebig testen zu können – kurz nachdem die Presseabteilung von Renault Deutschland aus dem Werk in Douai mit ersten Exemplaren versorgt worden war. Und wie es der Zufall fügte, erhielt ein Nachbar beinahe zeitgleich seinen VW ID.3, den er zur Überbrückung der Wartezeit auf sein Tesla Model 3 bei VW im Kurzzeit-AutoAbo geordert hatte. Lustigerweise kamen Renault und VW zudem in fast den gleichen Lackierungen daher: der Renault in „Rafal-Grau“, der VW in Mondstein-Grau. Farbtöne, wie sie früher Autos in der Lackierstraße nach der Grundierung, vor dem Auftrag der finalen Farbschicht, trugen. Inzwischen aber scheinen sie hipp zu sein.

60 kWh-Akku muss erst einmal genügen

Der Nachbar, der bislang mit einem Plug-in-Hybrid aus Stuttgart erste Fahrversuche mit der Elektromobilität machte, hatte seinen ersten Vollstromer als Pro S, also mit dem größtmöglichen Akku geordert – Reichweitenangst ist bei ihm schon noch ein wenig präsent. Auch der Renault kam mit dem größtmöglichen Batteriepaket. Doch während das in vergleichbarer Ausstattung (ohne Ledersitze, 20-Zoll-Räder und Highend-Soundsystem) wenigstens 46.910 Euro teure XL-Paket von VW einen 150 kW starken Elektromotor an der Hinterachse mit einem 77 kWh-Akku koppelt, besteht bei Renault die Topversion „Evolution EV60 220 hp Optimum Charge“ aus einem 160 kW (220 PS) starken Frontmotor und einem nur 60 kWh großen Lithium-Ionen-Akku. Am Gleichstrom-Schnelllader herrscht wieder Gleichstand: Beide ziehen dort den Strom mit zu 130 kW.

In der Reichweite schlägt sich die unterschiedliche Batteriegröße natürlich nieder: Volkswagen verspricht eine maximale Reichweite nach der WLTP-Verbrauchsnorm von bis zu 560 Kilometer, Renault von höchstens 470 Kilometern. Doch im Alltagsverkehr sieht die Rechnung anders aus, wie unser Test belegte: Beide Fahrzeuge kamen mit einer Akkuladung annähernd gleich weit. Aber dazu später mehr.

Sehschlitze statt Heckfenster 
Die Sicht nach hinten ist in beiden Fahrzeugen suboptimal. Die großen Dachspoiler, die kräftigen C-Säulen und die Kopfstützen verengen das Sichtfeld dramatisch. Renault bietet deshalb einen digitalen Innenspiegel an, der mittels einer Kamera den Heckbereich sichtet und die Bilder ins Cockpit überträgt.
Sehschlitze statt Heckfenster
Die Sicht nach hinten ist in beiden Fahrzeugen suboptimal. Die großen Dachspoiler, die kräftigen C-Säulen und die Kopfstützen verengen das Sichtfeld dramatisch. Renault bietet deshalb einen digitalen Innenspiegel an, der mittels einer Kamera den Heckbereich sichtet und die Bilder ins Cockpit überträgt.

Aber bevor es auf große Fahrt gibt, steht aber erst einmal eine große Designkritik an: Das frühe und entsprechend rare Exemplar des Megane E-Tech wird in unserem Lieblings-Ladepark „Seed&Greet“ am Autobahnkreuz Hilden bei Düsseldorf sofort von einer Menschenmenge umlagert, als wir an einem Samstagmorgen einbiegen, um an den Schnellladern von Fastned Kraft zu tanken. Unser Akku ist noch zu 21 Prozent gefüllt, weshalb wir nicht mit der vom Hersteller versprochenen Ladeleistung von 130 kW glänzen können. Aber 118 kW sind für einen solchen SoC („State of Charge“) schon einmal ganz ordentlich. Und ja, später werden die Werksangaben durchaus erreicht.

Dem Himmel ganz nah‘ 
Nicht nur Erwachsene könnten sich auf der Rücksitzbank des Megane über mangelnde Kopffreiheit beklagen. Auch für den Nachwuchs im Kindersitz könnte es durchaus eng werden - die coupehafte Dachlinie fordert Tribut.
Dem Himmel ganz nah
Nicht nur Erwachsene könnten sich auf der Rücksitzbank des Megane über mangelnde Kopffreiheit beklagen. Auch für den Nachwuchs im Kindersitz könnte es durchaus eng werden – die coupehafte Dachlinie fordert Tribut.

Aber die Schaulustigen in Hilden werfen, wenn überhaupt, auch nur ganz kurz einen Blick auf das Display der Ladesäule. Der Blick in den Innenraum des Autos ist den meisten wichtiger. Einer schleppt sogar sogleich einen Kindersitz herbei, um zu testen, ob sein vierjähriger Knirps dort mehr Platz vorfindet als in seiner Renault Zoe. Das Ergebnis fällt so la la aus. Erstens, weil die Isofix-Befestigung auf der Rücksitzbank eine scharfe Kante aufweist, an dem sich der Familienvater prompt den Zeigefinger ritzt. Zum anderen, weil der Sohnemann im Sitz dem (Dach-)Himmel schon sehr nah kommt und auch die Beinchen nicht so recht ausstrecken kann. Die Raumökonomie im ID.3 ist da deutlich besser, die im Zoe nur unwesentlich schlechter: Die coupehafte Dachlinie des Megane E-Tech fordert ihren Tribut, aber auch ein um acht Zentimeter kürzerer Radstand.

Kofferraum des Megane ist eine tiefe Grube

Unterschiede in der Raumökonomie zeigen sich auch beim Öffnen der Kofferraumklappe. Mit einem Volumen von 389 Litern ist der Stauraum im Heck des Renault zwar noch einen Tick größer als im ID.3 (385 Liter), aber die hohe Ladekante lässt ihn auf den ersten Blick deutlich kleiner erscheinen. Und natürlich erfordert die Beladung der „Ladegrube“ einen höheren Kraft- und Stapelaufwand. Immerhin gibt es für das Ladekabel ein separtes Fach – in einer weiteren Grube darunter.

„Käse-Igel“ a la Renault 
Nicht nur das Lenkrad, sondern auch den Lenkstock haben die Renault-Ingenieure mit Schaltern und Hebeln gespickt.
Käse-Igel“ a la Renault
Nicht nur das Lenkrad, sondern auch den Lenkstock haben die Renault-Ingenieure mit Schaltern und Hebeln gespickt.

Dafür ist die Güte der im Innenraum verbauten Materialien deutlich höher als im Volkswagen, müssen selbst kritische Stimmen einräumen. Hier hat sich der Renault-Einkauf nicht lumpen lassen. Auch die Sicherheitsausstattung ist üppig – die Franzosen sollten keine Probleme haben, bei der Sicherheitsbewertung nach Euro NCAP die volle Punktzahl zu erreichen.

Kein HUD, aber Google an Bord

Vermisst haben wir – aber auch die fachkundigen Gutachter im Ladepark – das Head-up-Display, mit dem der VW ID.3 gegen Aufpreis ausgestattet werden kann. Beim Betriebssystem ist der Renault dagegen dem Volkswagen klar überlegen. Kein Wunder: Die Franzosen vertrauen Google, die Deutschen nur ihrer eigenen Software-Entwicklung. Die Sprachsteuerung im Megane ist deshalb bereits auf einem hohen Niveau, die Routenführung beinahe perfekt. Sogar die bevorzugten Ladedienstleister (mit Ausnahme von Fastned) und die priorisierten Ladeleistungen an den Stationen lassen sich programmieren.

Und auch wenn die VW-Designer den Dreh-Fahrschalter hinterm Lenkrad beim BMW i3 abgekupfert haben – die Renault-Lösung ist die deutlich schlechtere Lösung: ein weiterer und nicht einmal besoders edel gestalteter Hebel, der Käseigel-gleich zusammen mit den Hebeln für Wischer und Blinker sowie dem Satelliten für die Steuerung der Audio-Anlage und den „Multi Sense“ genannten Fahrerlebnisschalter (zur Einstellung des Dynamik-Programms) aus dem Lenkstock heraus ragt.
Da sind den Designern um Laurens van den Acker offenbar die Ideen ausgegangen.

Der Rest kommt allerdings umso besser an: Während des Testzeitraums wurden wir mehrfach positiv auf das Auto angesprochen, mehrmals waren die Lobpreisungen des Exterieur-Desihns sogar geradezu euphorisch. Das erlebt man bei Elektroautos auch nicht so oft, mit einem ID.3 schon gar nicht.

Unbekanntes Fastned 
Die Ladeplanung im Renault Megane funktioniert ganz ausgezeichnet. Ladeleistung und Ladedienstleister lassen sich vorprogrammieren - nur das Schnellladenetz aus den Niederlanden ist dem Bordrechner noch nicht geläufig.
Unbekanntes Fastned
Die Ladeplanung im Renault Megane funktioniert ganz ausgezeichnet. Ladeleistung und Ladedienstleister lassen sich vorprogrammieren – nur das Schnellladenetz aus den Niederlanden ist dem Bordrechner noch nicht geläufig.

Ja, der Megane E-Tech ist eine erfreuliche Erscheinung im vollelektrischen SUV-Einerlei. Er kommt mit einer Höhe von 1,50 Metern noch sechs Zentimeter flacher daher noch als Zoe und ID.3. Er wirkt nicht nur entsprechend dynamischer – es sitzt sich aufgrund der geringeren Höhe der elektrisch verstellbaren Sitze auch sportlicher. Flotter ist er gleichwohl nicht: Tempo 100 ist erst nach 7,4 Sekunden erreicht (ID.3 Pro S: 7,9 Sekunden). Und bei Tempo 160 regeln beide Modelle unisono ab.

Stromverbrauch nicht rekordverdächtig

Und auch der Verbrauch ist nicht unbedingt rekordverdächtig, wie wir bei unseren Testfahrten feststellen. Der Akku mag im Megane zwar besonders flach ausfallen. Und Renault hat mit der Zoe (wie VW mit dem e-Golf) sicher bereits einige Erfahrungen mit Elektroantrieben gesammelt – und deshalb nun auch von einem luft- auf einen flüssigkeitsgekühlten Akku umgestellt.

Aber der Testverbrauch von 18,2 kWh/100 km (bei um die 130 km/h auf der Autobahn) ist nur ordentlicher Durchschnitt – der Normverbrauch des ID.3 Pro mit vergleichbarer 58 kWh-Batterie liegt auf dem gleichen Niveau. Das Ergebnis: Nach spätestens 350 Kilometern muss auch mit diesem Stromer ein Ladepunkt angesteuert werden.

Der Nachbar kam mit seinem ID.3 übrigens trotz 77 kWh-Akku auch nicht viel weiter. Aber Reichweite wird beim Elektroauto bekanntlich nicht allein durch die Batteriegröße diktiert, sondern fast noch stärker durch den Fahrstil und die Bereitschaft, zugunsten des Stromverbrauchs die Geschwindigkeit auf der Autobahn auf wenigstens 130 km/h zu drosseln. Er landete deshalb bei über 20 kWh/100 km.

Für welches Elektroauto man sich letztlich entscheidet, ist eine Frage des persönlichen Geschmacks und des Budgets – und der Verfügbarkeit. Die Lieferzeit beim ID.3 beträgt je nach Ausstattung derzeit zwischen 12 und 14 Monaten. Von uns befragte Renault-Händler versprachen am Wochenende, den Megane E-Tech innerhalb von von sechs Monaten liefern zu können und damit noch vor dem Auslaufen des Umweltbonus in aktueller Höhe. Wir drücken die Daumen, dass das Warten nicht länger dauert.

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9 Kommentare

  1. Rudi

    Ich fahre seit 4 Monaten einen Peugeot e 2008 und bin rundum zufrieden. Interessenten für VW ID 3 oder Megane E Tech sollten sich den Peugeot e 2008 als Alternative einmal genauer ansehen. Mein Durchschnittsverbrauch liegt bei 15,4 KWH auf 100 km, was bedeutet dass ich mit dem 50 KW Accu gut auskommen.

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    • Ricardo Achenbach

      Ich fahre auch den 2008e und den Durchschnitt von etwa 15,5 kWh auf 100km habe ich auch. Aber nur ohne Autobahn.
      Die vom Megan erreichten 18,2 kWh / 100km bei 130km/h schafft der Löwe auf keinen Fall annähernd.
      Wenn diese da schon weniger verbraucht, was schafft der Megan dann im Alltag ohne Autobahnfahrten?

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  2. Stefan

    ID3 Sicht total billig aus. Der Innenraum ist nicht besser wenn nicht schlimmer als Dacia Sandero und das Auto um Welten teurer als Dacia. Außer e-antrieb ist alles Schritt zurück.

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  3. Chris

    Guter Bericht! Ich habe den Megane letzte Woche bestellt. Mal sehen, wann er kommt 😄

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  4. Wolfgang

    Ganz schlechter Kommentar, der Megane ist um Welten besser als der ID.3

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    • Franz W. Rother

      Wo siehst Du den wichtigsten Unterschied?

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      • Blue

        Ich sehe das wie Wolfgang.
        Hast Du schon einmal im ID.3 gesessen und das Display bedient?
        Das ist eine absolute Frechheit, was VW da abliefert. Die Geschwindigkeit entspricht einem uralten Smartpohone, das betrifft sämtliche Bereiche, sogar die Spracheingabe. Ein absolutes No-Go, da verliert man sofort die Lust und greift zum Handy.
        Der Renault ist da Generationen weiter.

        Den einzigen Vorteil beim ID.3 sehe ich im optionalen Glasdach, ansonsten läuft der Renault ihm in allen anderen Belangen den Rang ab.

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        • Frank Lustig

          Schonmal die neueste Software 3.1 ausprobieren können? Das ist schon ziemlich gut, was VW da jetzt abliefert!

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    • Frank Lustig

      „Um Welten besser“? Nun ja, der Mégane E-Tech ist per se erstmal drei Jahre später auf den Markt gekommen als der ID.3, was gerade in der Technik entscheidend ist. Im nächsten Jahr wird VW ein größeres Facelift mit höherwertigerem Innenraum und diversen Verbesserungen einführen, dann sehen wir weiter.

      Ein Auto besteht aber nicht nur aus Software!

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