Zur Welt kamen sie vor mittlerweile sechs Jahren als zweieiige Zwillinge, der Twingo und der viertürige Smart Forfour. Entstanden aus einer Partnerschaft zwischen Renault und Daimler, gemeinsam entwickelt – gemeinsam produziert im slowenischen Novo Mesto, aus Kostengründen mit vielen gemeinsamen Komponenten wie einem Dreizylinder-Benziner und Konstruktionsmerkmalen wie dem Heckantrieb. Seit 2017 gibt es den Smart auch, seit März vergangenen Jahres ausschließlich mit einem Elektromotor von Renault.
Die Franzosen haben mit der Umstellung noch gezögert. Einerseits um den Absatz des elektrischen Erfolgsmodells Zoe nicht zu beeinträchtigen, andererseits aber, um eine eigene Batterie zu entwickeln – und der Schwester ein Schnippchen zu schlagen. Jetzt, da Daimler entschieden hat, die Kooperation mit Renault zu beenden und die Marke Smart zusammen mit dem chinesischen Teilhaber Geely weiter zu entwickeln, legen auch die Franzosen den Hebel um: Ab sofort kann der Twingo auch mit dem 60 kW (82 PS) starken Elektromotor geordert werden, der schon im Smart EQ Fortwo summt. Dennoch fährt der Twingo Electric dem Smart EQ locker davon. Denn während der Smart mit einer wassergekühlten Batterie der Deutschen Accumotive aus Kamenz ausgestattet ist, die in den 96 Lithium-Ionen-Zellen des Zulieferers LG Chem bis zu 17,6 Kilowattstunden (kWh) speichern kann, bekommt der Twingo eine Batterie mit 165 Zellen und einer Speicherkapazität von 21 kWh. Bis zu 270 Kilometer im Stadtverkehr und 190 Kilometer nach der WLTP-Verbrauchsnorm soll man damit stromern können. Der Smart kommt maximal 153 Kilometer weit.
Preislich geben sich die Geschwister aber erst einmal nichts: Wer den viertürigen Smart EQ in guter Ausstattung bewegen will, muss in der Ausführung „Prime“ wenigstens 25.000 Euro auf den Tisch legen. Für den vollelektrischen Twingo sind es sogar noch ein paar hundert Euro mehr. Exakt 25.666,21 Euro. Denn angeboten wird der Twingo vorerst nur als „exklusives“ Sondermodell namens „Vibes“, pickepackevoll mit netten Extras wie Leichtmetallrädern, Klimaautomatik, Sitzung undundund. Eine preiswertere Version soll erst im Frühjahr nachgeschoben werden.
„Die Ausstattungsumfänge stehen noch nicht alle fest“, erklärte dazu Uwe Hochgeschurtz, Vorstandschef von Renault Deutschland, im Interview mit EDISON. Beim Zoe habe man festgestellt, „dass die höherwertigen Ausstattungen gefragter sind als die einfachen. Warum sollen wir da beim Twingo jetzt nach dem untersten Preispunkt suchen, wo der Kunde möglicherweise daran nur ein geringes Interesse hat?“ Im Klartext: Eine Variante des Twingo Electric mit einem Listenpreis unter 20.000 Euro wird es so bald nicht geben.
Absatzziel: Noch 1000 Autos in diesem Jahr
Aber sicher etwas zwischen „Vibes“ und einem möglichen Basismodell „Life“. Vielleicht einen Twingo „Zen“ für 22.000 und einen „Intens“ für 23.000 Euro, wie Alexander Albrecht aus dem Produktmarketing andeutet. Für Testfahrten in Brühl bei Köln standen derartige Fahrzeuge bereits zur Verfügung. Sogar ein Exemplar mit Faltschiebedach, das wohl zu einem Aufpreis um die 1000 Euro im kommenden Jahr angeboten werden soll. In diesem Jahr sollen aber zunächst einmal die rund 1000 Exemplare des Sondermodells unters Volk gebracht werden. Für 2021 rechnet Albrecht mit einem Absatz von rund 7000 Fahrzeugen – das wäre etwa ein Drittel des Twingo-Gesamtabsatzes.
Die Chancen stehen gut – aktuell fördert Renault den Absatz der Stromer mit 10.000 Euro pro Fahrzeug. Das relativiert den auf den ersten Blick recht hohen Preis. Zum Vergleich: Der billigste Benziner steht mit 11.200 Euro in der Preisliste, das Topmodell dieser Antriebsvariante mit rund 14.600 Euro. Und der Stromer bereitet deutlich mehr Fahrspaß als sein thermischer Bruder, wie eine Testrunde durch Köln und das Bergische Land zeigte: Der Stromer hängt besser „am Gas“ und nervt nicht mit Motorengedröhn. Tempo 50 ist scheinbar nach einem Wimpernschlag – oder zwei – erreicht. Und der Energieverbrauch hält sich mit Durchschnittswerten zwischen 15 und 16 kWh
Wer direkt von einem Zoe der Phase 2 umsteigt, wird sich wahrscheinlich schütteln: In vielen Details steckt der Twingo noch in Phase 1: Beim Testwagen musste beispielsweise der Schlüssel noch ins Zündschloss an der Lenkradnabe gesteckt und gedreht werden, um den Antrieb zu aktivieren. Bei der Zoe legt man einfach den Vorwärts- oder Rückwärtsgang ein und belässt den „Schlüssel“ in der Tasche. Auch die Bedienelemente im Twingo sind noch eine Modellgeneration zurück und nach dem Prinzip Zufall über Armaturenträger, Lenkrad und Sitzkonsole verteilt.
Plaste ohne viel Elaste im Innenraum
Dass man, um an den Behälter für das Scheibenwaschwasser zu gelangen, die an Bändern befestigte Haube vorne mit dem Schlüssel erst lösen und dann mit einem kräftigen Ruck aus der Verankerung hebeln muss, war angeblich eine Idee der Daimler-Entwickler, befremdet aber trotzdem. Und der bunte Innenraum kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier der Einkauf heftig am Material sparte: Hartplastik allerorten.
In der Beziehung ist der neue Zoe erwachsener, reifer, moderner. Und das nicht nur, weil hier über Einparkhilfen und Tempomat hinaus mit Totwinkelwarner und Spurhaltesystem auch einige weitere sinnvolle Assistenzsysteme verfügbar sind, die sich im Alltagsverkehr schnell bezahlt machen können. Nur auf Abstandsradar muss man hier wie da weiterhin verzichten.
Wer den Twingo aber gewerblich nutzen möchte, etwa im Pflegedienst oder ein Anbieter von Carsharing-Autos, wird sich über die leicht zu reinigenden Materialien freuen und die einfache Bedienung freuen, auch über die zahlreichen Ablagemöglichkeiten und die serienmäßige Klimaanlage. Das Platzangebot ist ansonsten gut, und das erstaunlicherweise auch auf der Rücksitzbank. Dort wird der eine oder andere Passagier trotzdem meckern. Darüber, dass sich die Scheiben nicht in den Türen versenken, sondern nur ausstellen lassen. Und darüber, dass die Vordersitze mit den integrierten Kopfstützen die Sicht nach vorne verbauen.
Serienmäßige Ladeleistung von 22 kW
Dafür ist der Fahrtkomfort gut. Und die Batterie nach einer Tour über gut 200 Kilometer über Land auch schnell wieder geladen: Der serienmäßige Onboard-Charger verkraftet eine Ladeleistung an der AC-Ladesäule von bis zu 22 kW – beim Smart müssen dafür 990 Euro extra gezahlt werden.
Schnell und bequem in die Stadt, ins Büro oder zum Shoppen – dafür ist der Twingo Electric ideal. Zumal mit seinem kleinen Wendekreis. Da macht ihm keiner etwas vor. Na ja, fast keiner: Das Schwestermodell von Smart kann es auch.