Wer auf der Homepage des Carsharing-Anbieters Share Now herumsurft, dem fällt sofort ein i3 von BMW ins Auge. Und auch auf den übrigen Seiten des Marktführers für das stationsungebundene Autoteilen in Deutschland tauchen immer wieder Exemplare des Elektroautos auf – gerne kombiniert mit hippen Menschen.
Wer dagegen in Köln oder Düsseldorf einen der Stromer mieten möchte, wird enttäuscht. Weder in der Buchungs-App noch auf den Straßen wird er ein Elektrofahrzeug finden. Keinen i3 und auch keinen Smart EQ Fortwo oder Forfour, die es in der „globalen Flotte“ gebe, so die Website.
Das war nicht immer so. Vor der Fusion von BMW-Tochter DriveNow und Daimler-Ableger Car2Go zu Share Now konnte der Kunde durchaus mit einem i3 durchs Rheinland kurven. Für viele eine erste Chance, Erfahrung mit der Elektromobilität zu sammeln. Und in den aufgrund hoher Stickoxidbelastungen von Fahrverboten bedrohten Großstädten Köln und Düsseldorf auch ein Beitrag, die Luftqualität nicht weiter zu verschlechtern.
Doch jetzt hat Share Now im Rheinland den Stecker gezogen. Auf Anfrage von EDISON teilte Sprecherin Annika Schaich mit, das Leasing der bisher „45 elektrisch betriebenen BMW i3 im Rheinland sei ausgelaufen“. Bis auf weiteres würden diese in der Region nicht mehr angeboten. „Die operativen Kosten der E-Fahrzeuge waren im Vergleich sehr hoch“, begründet sie den Schritt, „vor allem auch wegen der noch unzureichend ausgebauten Ladeinfrastruktur in Köln und Düsseldorf“. Sollte sich die Situation ändern, würde ShareNow den „Kunden und Kundinnen im Rheinland wieder E-Fahrzeuge“ anbieten.
Ähnlich ist die Lage auch bei Flinkster, unter der Marke bietet die Deutsche Bahn Connect stationsbasiertes Carsharing im gesamten Bundesgebiet an. Auch hier kann der Kunde in Köln oder Düsseldorf – anders als früher – derzeit kein Elektroauto über die App buchen.
Im Rest der Republik ist das E-Angebot besser
Der Abschied von den Stromern im Rheinland passt nicht wirklich zu dem selbstgewählten Anspruch von Share Now „Vorreiter der Elektromobilität“ sein zu wollen, wie ihn CEO Olivier Reppert noch im September vergangenen Jahres formulierte. Damals gab er das Ziel aus, dass bis Ende 2019 der Anteil der Elektroautos in der eigenen Carsharing-Flotte europaweit von 20 auf 25 Prozent steigen sollte.
Allerdings fährt Reppert auch je nach Stadt sehr unterschiedliche Strategien: So fehlen in der Frankfurter Fahrzeug-Flotte laut App ebenfalls die Stromer. Dagegen können Kunden sie in Hamburg, Berlin, Stuttgart und München durchaus buchen. In der bayrischen Landeshauptstadt sollte die Zahl der i3s bis Ende 2019 sogar von 85 auf 200 steigen. Auch weil im Gegenzug die Stadtverwaltung die Zahl der Ladepunkte auf öffentlichem Grund von 920 auf 1100 ausbaut. Weitere 1665 sollen bis Ende 2020 an Wohngebäuden, auf Gewerbegrundstücken und in öffentlichen Parkhäusern entstehen.
Vergleichbar ehrgeizige Ausbauprogramme sind aus den rheinischen Metropolen nicht bekannt. Köln hatte etwa vergangenes Jahr angekündigt, eher bescheidene 400 weitere Ladepunkte über das Stadtgebiet zu verteilen.
Für Carsharing-Betreiber ist das ein Problem, wenn die Kunden nach absolvierter Fahrt und niedrigem Akkustand nicht gleich eine Ladesäule finden. Dann muss das Personal des Anbieters vor Ort die Fahrzeuge womöglich umparken, was zusätzlichen Aufwand im Vergleich zum Verbrenner bedeutet und die Zeit einschließlich des Ladens verlängert, in der sich die Fahrzeuge nicht vermieten lassen. „Das führt zu deutlich höheren Kosten gegenüber dem Benziner oder dem Diesel“, erläutert Michael Ziesak, Referent für Verkehrspolitik beim Bundesverband CarSharing (BCS) in Berlin. Was für Share Now derzeit nicht leicht zu schultern ist, weil das Unternehmen nach der Fusion unter erheblichen Druck steht, profitabel zu arbeiten. Auch deshalb hat sich der Dienst Ende Februar aus den nordamerikanischen Städten sowie aus London, Brüssel und Florenz zurückgezogen.
Auf dem Land verschärfe sich diese Situation für die Anbieter noch einmal, so Ziesak, weil potenzielle Kunden gleich zwei mentale Hürden zu überwinden hätten: Sich zum einen auf das ungewohnte Teilen von Autos einzulassen und dann auch noch mit dem nicht vertrauten Elektroantrieb zurechtzukommen. Daher hätten die Betreiber eine Reihe von Pilotprojekten in Dörfern zum Carsharing mit E-Autos wieder eingestellt.
Dennoch wächst im Rest der Republik die Zahl der Stromer in den Carsharing-Flotten. Registrierte der BCS Anfang 2019 noch 1827 elektrifizierte Fahrzeuge (also reine Elektroautos und Plug-in-Hybride), waren es Anfang 2020 mit 4561 weit mehr als doppelt so viele. Das liegt zum einen an Leuchtturm-Projekten wie von Share Now in München, zum anderen aber auch am Markteintritt von We Share in Berlin. Die Volkswagen-Tochter hat vergangenes Jahr auf einen Schlag 1500 E-Golfs über die Hauptstadt verteilt.
Hier in Köln gibt es eigentlich nur die Rheinenergie und denen ist es nicht erlaubt, auf städtischem Boden ihre Ladesäulen aufzustellen. Die Stadt Köln wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Elektromobilität mit der fadenscheinigen Begründung, weniger Autos haben zu wollen. Da aber auch für den Fahrradverkehr sehr wenig getan wird, wird schnell klar, dass die Stadt wie eh und je der gestrigen Autolobby gehört und kein Interesse an Zukunftstechnologien und Klimaschutz hat. Kein Wunder also, dass Share Now hier den Stecker wieder gezogen hat.