Smart stellt seine Fangemeinde vor eine buchstäblich harte Prüfung. Denn kaum haben die Freunde der maximal minimierten Mobilität das endgültige Aus für ihren liebgewonnenen Fortwo verwunden, erschrecken die mittlerweile mit China verbandelten Schwaben ihre Follower mit einem Auto, neben dem selbst der neue Mini Countryman noch klein aussieht: Vorhang auf und Bühne frei für den Smart #5, den das Joint Venture von Mercedes-Benz mit dem chinesischen Geely-Konzern jetzt im australischen Byron Bay enthüllte.
Der dritte im Bunde nach Smart #1 und #3 wird mehr SUV denn je und überragt mit einer Länge von 4,71 Metern sogar den Mercedes GLC, vom vollelektrischen Mercedes EQB ganz zu schweigen. Das ist nicht nur die richtige Referenz für den Größenvergleich, sondern diese Paarung hat auch innerhalb der Familien- und Firmenpolitik eine gewisse Brisanz. Denn ob jetzt der eine schöner ist oder der andere, mag vielleicht eine Geschmacksfrage sein. Doch die technische Punktwertung geht eindeutig an den neuen Smart: Der #5 lässt den Stromer mit Stern buchstäblich alt aussehen.
Zum Champion wird der #5 mit Hilfe der Chinesen. Denn während Mercedes fürs Design zuständig ist, steuert Geely seine 800-Volt-Plattform bei sowie einen Akku mit 100 kWh Speicherkapazität. Der reicht im chinesischen Verbrauchszyklus CLTC für 740 und bei uns wahrscheinlich noch immer für knapp 600 WLTP-Kilometer, schafft an der Schnellladesäule dank einer C-Rate von 4 in 15 Minuten den Sprung von 10 auf 70 Prozent und speist zum ersten Mal in einem Smart auf Wunsch auch zwei Motoren.
Allradantrieb mit bis zu 432 kW Leistung
Denn die Offroad-Optik ist nicht nur Show and Shine – der #5 will wirklich für Abenteuer gewappnet sein. Vermutlich wird es vom Smart #5 fünf Leistungsstufen geben: zwei mit Hinterradantrieb, die 250 kW (340 PS) und 267 kW (363 PS) mobilisieren. Die beiden Allradversionen, so viel steht bereits fest, haben jeweils vorne eine E-Maschine mit 165 kW. Bei der schwächeren kommen hinten 267 kW hinzu. Die Systemleistung summiert sich somit auf 432 kW oder 587 PS.
Dazu gibt es ein Infotainment, gegen das selbst die kommende MB-UX-Generation für den nächsten Mercedes EQA fast schon wieder verstaubt wirkt. Zwei riesige OLED-Displays prangen im Cockpit, über die Frontscheibe flimmert ein 25,6 Zoll großes Head-Up-Display mit Augmented Reality-Grafiken und auf dem AMD-Highspeed-Prozessor V2000 läuft ein Smartbot, dessen künstliche Intelligenz so viel Gesprächstalent und vor allem Verständnis hat wie ChatGPT.
Einstiegspreis angeblich unter 50.000 Euro
Und auch beim Preis haben die Chinesen die Nase vorn: Eine offizielle Angabe gibt es zwar noch nicht, doch war bei der Premiere des Showcars in Australien von einem Einstieg unter 50.000 Euro die Rede. Zum Vergleich: Mercedes verlangt für den EQB mindestens 53 514 Euro.
Dass es die Marke aus dem Dschungel der Großstadt und dem urbanen Umfeld hinaus zieht aufs Land, unterstreichen die Designer mit einem ausgesprochen rustikalen Auftritt, der nicht nur für die Provinz taugt, sondern gleich für Prärie und Pampa. Denn der Fünfer sieht aus, als hätte er zu lange zwischen einem Jeep Avenger und einem Mercedes G580 EQ geparkt – so breit und bullig ist sein Bug mit dem massiven Unterfahrschutz, so wuchtig sind die Radläufe und so kantig ist die Kehrseite.
Wertigkeit auf Mercedes-Niveau
Innen wächst der Smart mit – und das gilt bei 2,90 Meter Radstand nicht nur für das formidable Platzangebot mit Liegesitzen für die Ladepause und den für Smart-Verhältnisse fast schon expeditionstauglichen Kofferraum von mehr als 1.500 Litern. Der bei Mercedes beständig ignorierte Frunk mit einem Volumen von 72 Litern ist da noch nicht einmal eingerechnet. Auch in punkto Wertigkeit hat die Marke ein neues Niveau erreicht. Wo frühe Smarts immer ein wenig nach Kaugummi-Automat ausgesehen haben, starrt der #5 jetzt Lack und (echtem!) Leder und steht damit der Stuttgarter Muttermarke in nichts nach. Auch nicht in Sachen Akustik: Für wohlige Klänge an Bord haben die Chinesen Sennheiser Mobility als Partner gewonnen, die den Wagen nun mit 20 Lautsprechern beschallen.
Smart ForTwo ist schon in Arbeit
Fast doppelt so lang wie der Ur-Smart und mehr als doppelt so teuer – natürlich ist der #5 für echte Smart-Fans schwere Kost. Aber Dirk Adelmann hat einen Verdauungshelfer parat: Die Schwaben wollen das eine tun ohne das andere zu lassen – und arbeiten mit Hochdruck an einem Nachfolger für den Smart Fortwo, verspricht der Europa-Chef. Schon 2025 könnte er fertig sein. Denn nur weil sie sich jetzt aufs Land wagen, wollen sie die Stadt nicht der Konkurrenz überlassen.