Fortsetzung von Teil 1:

Gefahr »durch die Amazonirisierung des Stadtraums“

Thomas Bestgen, Geschäftsführer der UTB Projektmanagement GmbH, die sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung beschäftigt, redet lieber über den Städtebau des 21. Jahrhunderts und verweist auf die tollen Projekte seines Unternehmens, zum Beispiel für „Das neue Gartenfeld“ in Spandau, das quasi eine Insel und insofern verkehrstechnisch ein Problem ist. Er wirbt deshalb für zentrale, mehrstöckige Quartiergaragen mit Räumen für Shared-Mobilität vom Fahrrad bis zum Auto und praktischen Paket-Liefer-Annahmestationen. Für Berlin sieht er gerade eine riesige Gefahr „durch die Amazonisierung des Stadtraums.“ Neue Wortschöpfung. Klingt lustig, ist aber ein fieses Thema, denn überall in der Stadt werden Straßen (gern auch in zweiter Reihe), Radwege und Fußgängerbereiche durch die Transporter des Liefergiganten zugeparkt.

Natürlich gab es noch mehr spannende Themen. Claudia Rathfux, Leiterin Kunden- und Marktbeziehungen der Berliner Stromnetz GmbH (dem hauptstädtischen Versorger), forderte im „Zwischenruf“ mehr Planungssicherheit. Das aktuelle Stromnetz würde für 250.000 Elektrofahrzeuge völlig ausreichen, diverse Umbauten eingeschlossen. Doch wenn alle Autos in Berlin, und da gehe es mal locker um 1,2 Millionen Fahrzeuge, elektrisch fahren würden, müsste sich das Potential des Netzes quasi verdoppeln. Aktuell kaum vorstellbar, zumal es da um extrem viele Tiefbauprojekte gehen würde. Und die Umstellung aller Busse auf E-Mobilität? Wäre auch heftig, erklärt sie. Große Busdepots bräuchten dann zum Laden eigene Umspannstationen. „Das dauert bis zu fünf Jahre“, warnt Rathfux und fordert, dass die Stromnetz GmbH schon bei ersten Vorplanungen einbezogen werden müsse.

Und Anja Leopold, Projektleiterin der Jelbi-Stationen bei der BVG, hatte News zum Ausbau dieser Sharing-Angebote an den Berliner S+U-Bahnhöfen. Alles aus einer Hand, alles buch- und kombinierbar mit einer einzigen App („Schluss mit dem App-Jumping“). Egal ob Auto, Fahrräder oder Roller, das soll sich da alles mieten, abgeben oder aufladen lassen. Gleichzeitig sollen diese Hot Spots Haltepunkte für Taxis und On-Demand-Shuttles sein. Bisher gibt es in Berlin gerade fünf Jelbi-Stationen, demnächst sollen es zehn sein. Geplant aber ist ein flächendeckender Ausbau von der Innenstadt bis in die Außenbezirke. Aber das dauert noch.

Beispiel für eine Jelbi-Station mit Sharing-Angeboten

„Ab 2025 keine neuen Verbrenner mehr“

Und dann schließlich die emotionale Diskussion zwischen dem AutoBild-Chefredakteur Tom Drechsler, der Professorin Barbara Lenz, Chefin des Instituts für Verkehrsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sowie dem renommierten Wissenschaftler Volker Quaschning von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, rebellischer Experte für erneuerbare Energien und Energiewende. Thema des Trios: „Was bringt wie viel?“ Klingt ziemlich allgemein, ergab aber eine bunte Diskussion. Klar, der Hamburger Autojournalist wirbt um Verständnis für die Belange der Leute, die das Auto wirklich brauchen („Auf dem Land geht ohne Auto gar nichts“), zeigt aber Verständnis für notwendige Maßnahmen („Es wird nicht ohne konkrete Regelungen gehen“).

Barbara Lenz fordert „Leitplanken“ für Verhaltensänderungen der Autofahrer. „Von allein passiert hier nichts in der Stadt“. Und Volker Quaschning macht es brutal: „Konsequent wäre, ab 2025 keine neuen Verbrenner-Fahrzeuge mehr zuzulassen“. Er sei auch für eine City-Maut. Schließlich seien die Emissionen des Verkehrs trotz aller Bemühungen in den letzten zehn Jahren immer weiter gestiegen. „Wir haben es dreißig Jahre lang versäumt, mehr fürs Klima zu tun, jetzt müssen wir handeln“. Das werde auch weh tun. Dafür bekommt er hier einen überraschenden Applaus. „Vor fünf Jahren“, so wundert sich mein Sitznachbar, „hätten wir darüber gelacht.“

Was im Roten Rathauses noch zu hören war? Zum Beispiel der Vortrag von Professor Tobias Kuhnimhof vom Aachener Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr über die Energiewende auf den Straßen. Der Beitrag von Tobias Wolny zu den praktischen Akku-Wechselstationen für kleinere Fahrzeuge an Berliner Aral-Tankstellen. Richtig, das entwickelt sich. Und die Vorschläge von Matthias Heskamp fürs Projekt Radbahn. Die sollen zum Beispiel unter der U1-Hochbahn entstehen. Sicher, geschützt vor jedem Wetter. Richtig, und von diesen Rad-Autobahnen soll es mal ganz viele geben in Berlin. Bis jetzt sind aber nur Teststrecken in Sicht.

Nebenbei gab es auf der Berliner Konferenz wie immer diverse, relativ dicht umlagerte Ausstellungen der eMO-Partner. Von eMO selbst natürlich (E-Infos und -Fördermöglichkeiten), vom Start-Up Drivery („Markplatz für mobile Innovationen“, eigene E-Werkstattgarage, Coworking), von Allego (Ladelösungen), von inno2grid (E-Mobilitätsprogramm für Flotten) oder vom Stromnetz Berlin („Ladeinfrastruktur aus einer Hand“). Aber auch von Clever Shuttle (grüne Mietflotten, RidePooling) und Total (neue E-Gechäftsfelder, Wasserstoff-Mobilität). Und vom großen Unternehmen IAV, diesem längst international agierenden Automotive-Engineering-Dienstleister, der ein neues System zur „visualen Kartenerstellung und Lokalisierung“ (vSlam) zeigte, das noch im Versuchsstadium ist, aber später mal unsere städtische Orientierung zentimetergenau verbessern soll.

Auch die Grünen wollen Tesla halten

Ein bunter Tag mit vielen hübschen Ideen. Und an der Stadtrandgrenze kämpft der Elektroauto-Hersteller Tesla, der in Grünheide bis zum nächsten Jahr mit einer Gigafactory die europäische Elektromobiltät dramatisch vorantreiben will, immer noch gegen eine kleinkarierte Rodungsstopp-Verfügung für den trocknen Kiefern-Monokultur-„Wald“. Obwohl Tesla sich verpflichtet hat, die dreifache Baummenge und sogar Mischwald aufzuforsten. Und jeden (bereits schön eingezäunten) Ameisenhaufen und jede Fledermaus ökologisch korrekt umsiedeln will.

Teslas Designskizze eines Chinamodels Der kalifornische Elektroautopionier hat eine Designskizze veröffentlicht, die ein Vorgeschmack auf ein neues Kompaktmodell sein könnte. In China entwickelt und gebaut - für die Weltmärkte. Und nebenbei versteht es Unternehmenschef Elon Musk, aus einer peinlichen Panne ein Geschäft zu machen. Elektroauto

Dieses Bremsmanöver finden nun selbst die Grünen nicht mehr lustig. Senatorin Ramona Pop schon gar nicht. „Man muss nicht immer gegen alles sein. Abwegig, eine Kiefernplantage zu einem Wald zu erklären.“ Man solle die Kirche im Dorf lassen und die Zukunftsinvestition von Tesla zügig ermöglichen.“ Hat sie gestern erbost getwittert und heute auf der Konferenz wiederholt.

Auch das ist ein aktueller Hauptstadt-Aufreger, genauso wie die jetzt überall durchs Zentrum düsenden (oder wie Müll herumliegenden) E-Scooter, die nach anfänglicher Aufregung hauptsächlich Hipster und Touristen interessieren. Oder eben die erstaunliche Bewerbung Berlins um die nächste Internationale Automobil-Ausstellung (IAA). Oder die Tatsache, dass dem Ridesharing-Prestigeprojekt »Berlkönig» gerade mitten in der Pilotphase das Geld ausgeht, diesem Sammeltaxi-Angebot (Buchung per App) mit bislang 185 Fahrzeugen. Wetten, dass sich auch dieses Problem, typisch Berlin, irgendwie lösen wird. Und meckern tun wir Berliner ja irgendwie immer.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Dr.-Ing . Klaus D. Beccu

    Die Leute kaufen keine E-Autos, sondern nur Hybrid-Autos:: 40 Mio weltweit in letzten 5 Jahren verkauft:mit revolutionärer NiMH-Batterie.

    Geringerer CO2 Footprint als Li-Ion – Import aus Asien 4 Tons CO2 pro 30kWh Batterie und menschen-verachtende Techniken der Li-Gewinnung in Bolivien (Trinkwasser-Nutzung) – Export wurde jetzt vom Präsidenten Boliviens gestoppt. Peter Altmeier ist verzweifelt – warum wohl?

    Diese Information wird nie erwähnt um den Commerc mit E-Autos nicht zu stören

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert