So ganz uninteressant scheint es für die Newcomer nicht zu sein, Elektroautos in Europa und speziell Deutschland zu fertigen: Auf der CES in Las Vegas präsentierte der vietnamesische Hersteller Vinfast nicht nur insgesamt fünf neue Elektro-Crossover, sondern bestätigte, dass man intensiv auf der Suche nach einem Fertigungsstandort in Deutschland sei. Das Beispiel Tesla macht offenbar Schule.
Vinfast kannten bisher sowohl in Nordamerika als auch in Europa nur wenige Experten. Einst fertigten die Vietnamesen für den Heimatmarkt nur Motorroller, dann kamen unter Führung ehemaliger GM-Verantwortlicher 2018 die beiden Modelle Vinfast Lux A 2.0 und Lux SA 2.0 hinzu – Lizenznachbauten der Fünfer-Baureihe und des X5 von BMW. „Mittlerweile haben wir auf dem Heimatmarkt einen Verkaufsanteil von acht Prozent“, freute sich Ex-CEO-Michael Lohscheller noch Mitte November über den Verkaufserfolg – wenige Wochen später warf der frühere Opel-Chef „aus persönlichen Gründen“ hin.
Was den Ehrgeiz des jungen Automobilherstellers nicht schmälerte. Auf der CES bekräftigte Vinfast nun, noch in diesem Jahr mit dem Export seiner Fahrzeuge zu beginnen – und alle Kräfte auf die Elektromobilität zu fokussieren: Auch auf dem Heimatmarkt werde man sich schon bald von der Verbrennertechnologie verabschieden.
VinFast-Fertigung könnte in Thüringen entstehen
Und unter der Führung der neuen CEO Le Thi Thu Thuy gibt das Unternehmen kräftig Strom: Die beiden neuen Elektro-SUV, die im November noch unter den Modellbezeichnungen e35 und e36 vorgestellt wurden, sind inzwischen in VF 8 und VF 9 umbenannt. So passen sie besser in die neue Nomenklatur der anderen drei kleineren Elektro-SUV, die in Las Vegas Weltpremiere feierten.
„Vier von denen sollen auch nach Europa kommen, lediglich der kleine VF 5 ist allein für asiatische Märkte gedacht“, erklärte die neue VinFast-Chefin auf der Technologie-Messe – und stellte einen Atemzug später gleich auch noch eine neue Produktionsstätte in Deutschland in Aussicht. „Die Ära, in der man Autos weltweit mit dem Schiff transportiert, ist vorüber – besonders seit es Covid-19 gibt“, ist Le Thi Thu Thuy überzeugt. „Man muss die Fabriken in Nähe der Märkte haben, um die Kunden wirklich zu gewinnen. Wir sind überzeugt, dass wir einen Platz im europäischen Markt finden, zumal die Umstellung auf E-Fahrzeuge in Europa glasklar ist.“
Wo das neue Werk entstehen soll, in dem neben Elektroautos auch elektrisch angetriebene Busse gefertigt werden sollen, will das Unternehmen in Kürze bekannt geben.
Lohscheller hatte im vergangenen Jahr zusammen mit seiner damaligen Vize mehrere Bundesländer besucht. Nun scheinen die Würfel für einen Standort in Thüringen gefallen zu sein. Hier kämpft aktuell das Opel-Werk Eisenach ums Überleben. Eine neue Fahrzeugfertigung käme dem ostdeutschen Bundesland also gerade recht. Oder übernimmt VinFast vielleicht sogar von Stellantis die Produktion in Eisenach? Man wird sehen – die finale Entscheidung soll in Kürze bekannt gegeben werden. Denn schon 2025 soll die Fahrzeugfertigung in Deutschland starten.
Elektro-SUVs können ab sofort bestellt werden
Bis dahin kommen die Vinfast-Modelle für Europa erst einmal aus dem Automobilwerk im Dinh Vu Industrial Park von Hai Phong. Auf alle Modelle gibt Vinfast eine eine Garantie über zehn Jahre oder 200.000 Kilometer. Schließlich sind in allen Modellen Komponenten bekannter Zulieferer verbaut – nicht zuletzt aus Deutschland. ZF etwa bringt mit Vinfast ein autonomes Fahrsystem der Stufe 3 auf die Straße, das sich sukzessive nach oben skalieren lässt. Die ersten Modelle, die beiden elektrischen Mittel- und Oberklasse-SUV VF 8 und VF 9 sind ab sofort zu bestellen. Die Auslieferungen sollen allerdings erst im vierten Quartal erfolgen.
Der Vinfast VF 8 ist ein 4,75 Meter langer Elektro-Crossover, der ebenso wie der größere VF 9 ausschließlich als Allradler mit einer Antriebsleistung von 300 kW ( 408 PS) angeboten werden. Aus dem Stand soll es in 5,5 Sekunden auf Tempo 100 gehen. Versprochen wird eine elektrische Reichweite von rund 500 Kilometern. Angeboten werden soll der Vinfast VF 8 zu einem Basispreis von knapp 44.000 Euro. Hinzu kommt eine Batteriemiete von 120 Euro im Monat. Der große Vinfast VF 9 startet bei 58.600 Euro – ebenfalls zuzüglich des monatlichen Batterie-Mietpreises. Wer schnell bestellt, bekommt einen Gutschein in Höhe von 2.500 beziehungsweise 4.200 Euro.
In Europa will Vinfast auf ein Netz von Autohändlern verzichten und neben dem Online-Direktvertrieb allein auf Markenstores setzen, die die neuen Elektrofahrzeuge und wohl auch Motorroller ins rechte Licht rücken. Die Fahrzeuge sollen nach der Fertigstellung vor die Haustür geliefert werden. Und auch zum Service kommen die Techniker zu den Kunden – um zu versuchen, das Problem lokal zu lösen.