Die großen Limousinen haben es alles andere als leicht auf dem europäischen Automarkt. Im vergangenen Jahrzehnt wurden sie mächtig von den inzwischen allgegenwärtigen SUV in die Mangel genommen. Alfa Romeo, Opel, Citroen, Jaguar, Lancia, Peugeot oder Cadillac haben – anders als die deutschen Premiummarken Audi, BMW und Mercedes – das Segment inzwischen verlassen. Volvo dagegen stellt seinem Edel-SUV EX90 nunmehr eine klassische Limousine zur Seite. Der bekommt nicht allein durch sein sehenswertes Design Rückenwind, sondern auch durch sein 800-Volt-Bordnetz, das dem EX90 anfangs noch fehlte. Die gefälligen Formen, eine exklusive Ausstattung sowie die schnelle Ladetechnik lassen den in den USA produzierten Volvo ES90 somit zu einer echten Alternative werden zum Audi A6 e-tron, dem BMW i5 und auch dem Mercedes EQE.

Der fünf Meter lange Volvo ES90 sieht schnittig aus. Aber der Kofferraum fällt für ein Fahrzeug der Kategorie doch recht klein aus.
Überraschend dabei: Für viele Kunden dürfte bereits die ab 71.990 Euro erhältliche Basisversion die rechte Wahl sein. Denn mit der 245 kW (333 PS) starken E-Maschine an der Hinterachse ist der ES90 überraschend gut motorisiert. Ohnehin legt der ES90 wenig Wert auf Sportlichkeit, sondern mimt flüsterleise gekonnt einen exzellenten Cruiser. Deshalb sollte man bei der Konfiguration auch die größten verfügbaren Räder im 22-Zoll-Format außen vorlassen. Denn die lassen manche Straßen trotz Luftfederung allzu rumpelig erscheinen. Da sind 21- oder gar 20-Zöller die bessere Wahl.
Reichweiten von bis zu 700 Kilometer
Lenkung, Abrollkomfort und Bremse: Abgesehen vom spürbar hohen Gewicht von über 2,4 Tonnen kann man bereits der Basisversion nichts vorwerfen. Einzig die Volvo-typische Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h könnte manchem Autobahn-Raser missfallen. Aber wo als in Deutschland kann man so schnell noch fahren? Wünschen würde man sich statt dessen lieber ein erweitertes Fahrerassistenzpaket, das ein hochautomatisiertes Fahren auf Level 3 ermöglicht. Der Pilot Assist im Volvo ES90 funktioniert immerhin bis Tempo 150 – zwingt den Fahrer aber, die Augen permanent auf die Fahrbahn zu richten.

Mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern und einer Ladeleistung von bis zu 350 kW verspricht der Volvo ES90 entspannte Reisen.
Wem das 333 PS starke Einstiegsmodell mit seinem 92-kWh-Batteriepaket im Unterboden nicht ausreicht, hat dazu bei entsprechender Kassenlage alle Möglichkeiten. Wahlweise bietet Volvo den ES90 zu Preisen ab 88.990 Euro als Allradler mit 330 kW (449 PS) Leistung an. Darüber rangiert noch eine 500 kW (680 PS) starke Version, für die Volvo wenigstens 94.490 Euro aufruft. Dank eines 106-kWh-Akkupaketes sind dann sogar Fahrten über 700 Kilometer möglich – wenn man es ruhig angehen lässt und auf der Autobahn sich an der Richtgeschwindigkeit orientiert. Zum Vergleich: Bei der Basisversion mit kleinem Akku sind maximal 650 Kilometer drin.
Strom laden mit bis zu 350 kW
Dank des 800-Volt-Bordnetzes geraten die Zwischenstopps am Supercharger mit einer Ladeleistung von zunächst 350 kW (Basisversion bis 310 kW) erfreulich kurz. 20 Minuten braucht der Viertürer, um den Ladestand von 10 bis 80 Prozent anzuheben. Obendrein kann der ES90 bidirektional laden, den Strom wieder abgeben, um Elektrogeräte oder das Hausnetz zu speisen. Und je nach Markt ist er auch mit einer Plug-and-Charge-Funktion ausgestattet: An Ladesäulen muss er dann nur noch angestöpselt werden. Das Zücken einer Ladekarte entfällt.

Im Innenraum präsentiert sich der ES 90 in der Ultra-Version so edel, wie man es von einem Luxusauto erwartet. Speziell mit einer weißen Lederausstattung.
Im Innenraum präsentiert sich der ES so edel, wie man es von einem Luxusauto erwartet. Erst recht, wenn man für 1500 Euro extra das optionale Lederpaket ordert. Die serienmäßige Kunstlederausstattung mit Namen Nordico sieht zwar recht gut aus – fasst sich aber nicht wertig an. Alternativ gibt es auch noch edle Wollbezüge für die Sitze, die es im Innenraum „hygge“ werden lassen.
Kleiner Kofferraum trotz Stufenheck
Dass es den Insassen auch hinten prächtig geht, liegt nicht allein am Radstand von 3,10 Metern, sondern auch am niedrigen Geräuschniveau im Innenraum. zudem sind die Sitze hinten wie vorne klimatisierbar. Die Google-basierte Bedienung ist gewohnt puristisch, funktioniert aber prächtig. Ungewöhnlich klein ist für eine immerhin fünf Meter lange Oberklasselimousine der Kofferraum des ES90. Bei voller Bestuhlung passen gerade einmal 446 Liter rein – 70 Liter weniger als in einen VW ID.7. Durch Umklappen der Rücksitze wächst das Stauvolumen zwar auf 1.427 Liter (ID.7: 1586 Liter). Aber dann müssen die Kinder zuhause bleiben.
Die neun Zoll großen Instrumente hinter dem Lenkrad könnte gerne etwas größer sein. Jedoch werden die wichtigsten Fahrinformationen inzwischen auch im Volvo per Head-Up-Display auf die Windschutzscheibe gespiegelt. Mancher Beifahrer dürfte sich allerdings ein eigenes Display wünschen, um darauf sein eigenes Unterhaltungsprogramm abzuspielen. Dafür gibt es für 3460 Euro Aufpreis ein 1.610 Watt starkes Bower & Wilkins-System, das den Innenraum mit seinen 25 versteckten Lautsprechern in einen Konzertsaal verwandelt. Das Smartphone kann man da getrost für die eine oder andere Stunde aus der Hand legen.