Fernreisen mit einem Elektroauto wollen immer noch gut vorbereitet sein. Zu klären ist vorab nicht nur der Streckenverlauf, sondern auch, wo unterwegs Lademöglichkeiten bestehen, wie und womit die öffentlichen Ladeplätze freigeschaltet werden können – und, nicht ganz unwichtig, was der Ladestrom dort kostet. Denn die Zahl der Anbieter und Tarife ist riesig – und der Markt so transparent wie ein Eimer Tapetenkleister.

Das Bonner Beratungsunternehmen EUPD Research schaut sich Deutschlands Autostromtarife seit drei Jahren ganz intensiv an und fördert dabei immer wieder interessante Erkenntnisse zutage. Die zwei wichtigsten Vorab: Das Laden eines Elektroautos ist seit 2018 im Schnitt um rund 30 Prozent teurer geworden. Und: Wer nicht regelmäßig die Verträge mit den Stromlieferanten überprüft, kann in eine böse Preisfalle tappen und im Laufe eines Jahres Beträge anhäufen, die mehr als viermal so hoch sind wie beim aktuell günstigsten Anbieter.

383 Stromtarife von über 200 Anbietern

Aber der Reihe nach. EUPD Research hat sich insgesamt 383 Stromtarife für das Laden von Elektroautos unterwegs angesehen – die Tarife für das Laden des Stromers an der heimischen Wallbox wurden in einer anderen Studie analysiert. In Deutschland bieten inzwischen über 200 Unternehmen solche Tarife für das mobile Laden an – groß Energieversorger und kleine Stadtwerke, Autohersteller und Automobilclubs, Mineralölkonzerne und auch vollkommen branchenfremde Dienstleister: Der Markt für Elektroautos in Deutschland boomt.

Und auch wenn derzeit und in den nächsten drei, vier Jahren noch kaum ein Betreiber von Ladesäulen Gewinne einfährt, so lässt sich doch schon jetzt absehen, dass hier ein neuer großer Markt entsteht: Nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Horváth&Partners wird bis zum Jahr 2025 die Anzahl der Ladevorgänge an Schnellladestationen in Parkgaragen, Einkaufszentren und entlang der Schnellstraßen auf über 30 Millionen im Jahr steigen. Für 2030 prognostiziert diese Studie sogar eine Anzahl von über 100 Millionen Ladevorgängen im öffentlichen Raum.

Zwei Milliarden Umsatz in 2030 erwartet

„Bei einer angestrebten Mindestzielauslastung von etwa 20 Prozent könnten im Jahr 2025 bereits 10.000 Schnellladepunkte wirtschaftlich betrieben werden“, schreibt der ehemaligen Audi-Vorstand und heutige Horváth-Partner Dietmar Voggenreiter in seiner Prognose, die EDISON vorliegt. Das jährliche Umsatzvolumen allein für das Schnelladen von Elektroautos werden sich im Jahr 2030 bereits auf über 1,5 Milliarden, „wahrscheinlich sogar auf über zwei Milliarden Euro belaufen“ – allein in Deutschland.

Audi E-Tron an Ionity-Ladesäule
Trau, schau, wem!
Neben den Faktoren Komfort und Zeit sollte auch der Kostenaspekt bei der Wahl des Ladeanbieters eine Rolle spielen. Sonst kostet der Strom unterwegs mehr als das, was der Betreiber der Schnellladestation selbst aufruft. Ionity beispielsweise. Foto: Audi

Das ist ein riesiger Kuchen – der verständlicherweise große Begehrlichkeiten weckt. Das erklärt wenigstens zum Teil die großen Preisspannen, die es nach Feststellungen von EUPD Research beim Autostrom gibt: Die Kilowattstunde Wechselstrom gibt es schon für 36,29 Cent – aber beim aktuell teuersten Anbieter auch für 75,75 Cent. Noch teurer kann der Strombezug an einem so genannten High Power-Charger werden, wo Gleichstrom mit wenigstens 150 kW aus dem Netz in den Auto-Akku fließt: Im günstigsten Fall kostet die Kilowattstunde 57,58 Cent, im teuersten 109 Cent. Und in der Regel kommt bei Vertragskunden noch eine Grundgebühr hinzu. Diese beträgt im günstigsten Fall bei durchschnittlich 4,21 Euro im Monat, im schlimmsten Fall 199 Euro. Dabei bieten nur 70 Prozent der untersuchten Tarife eine Roamingoption an, also die Möglichkeit, auch Ladesäulen anderer Anbieter zu nutzen. Das bedeutet: Um frei von Reichweitenangst mit dem Elektroauto durch Deutschland reisen zu können, benötigt man wenigstens noch einen zweiten Ladepartner mit möglichst großer Netzabdeckung.

Keine Gleichheit an der Ladestation

„Im Zeitalter der Verbrennungsmotoren herrschte Gleichheit an der Zapfsäule. Die Elektromobilität verändert Angebots- und Nachfrageseite, da nun Fahrzeugeigenschaften und das eigene Fahrverhalten deutlichen Einfluss auf die Tarifwahl an der Ladesäule haben“, sagt Christine Koch, die Projektleiterin bei EUPD Research. Wenn das Elektroauto nur regional und als Zweitfahrzeug genutzt wird, braucht der Besitzer einen anderen Tarifvertrag als wenn der Stromer regelmäßig auch auf Fernfahrten eingesetzt wird.

Um die Unterschiede herauszuarbeiten, hat das Bonner Institut drei Fahrprofile erstellt.

  • Der Wenigfahrer besitzt eine Renault Zoe und bewegt diese 5.000 Kilometer im Jahr. Geladen wird überwiegend daheim und in der eigenen Region – da reicht ein Tarif für das mobile Laden mit einem Roaminganteil von 20 Prozent.
  • Der Durchschnittsfahrer hat sich einen VW ID.3 Pro zugelegt, um damit im Jahr rund 14.000 Kilometer zurückzulegen. Ihm reicht ein Vertrag mit einem Roaminganteil von 50 Prozent.
  • Der Vielfahrer mit einer Jahresfahrleistung von 30.000 Kilometern gönnt sich einen Audi e-tron 55 quattro – und legt auf einen Vertrag wert, der es ihm ermöglicht, an 80 Prozent aller Ladestationen Strom zu ziehen.

Ad-Hoc-Laden: Spontan ist meist teurer

Entsprechend unterschiedlich viel Strom benötigen die Elektromobilisten. Und umso wichtiger ist es da, aus Kostengründen den richtigen Vertrag zu wählen – sofern man sich aus Komfort- und Bequemlichkeitsgründen überhaupt auf einen Vertragspartner festlegt. Viele Elektromobilisten wollen heute noch spontan entscheiden, über welchen Lieferanten sie an der Ladesäule Strom beziehen. Sie wählen das so genannte Ad-hoc-Laden – und nehmen in Kauf, dass der Strom dadurch ein paar Cent teurer wird.

Experten wie EUPD-Projektleiterin Koch geht aber davon aus, dass die Zahl der Ad-Hoc-Lader in den nächsten Jahren zurückgehen wird. Insbesondere dann, wenn Plug&Charge zum neuen Standard wird – beim Verbinden des Elektroautos mit der Ladesäule fließt hier der Strom automatisch, da die Vertragsdaten im Fahrzeug hinterlegt sind und leicht von der Station ausgelesen werden können. Komfortabler geht es nicht mehr. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Aktuell sind dazu nur Fahrzeuge von Tesla, Porsche und Audi in der Lage.

Alle übrigen müssen die öffentlichen Ladeplätze noch mithilfe einer Smartphone-App, einer Ladekarte oder einem Chip freischalten. Und da lohnt es sich dann schon, genauer hinzuschauen, wenn die Stromrechnung für das mobile Laden kommt: Kein Tarifvertrag ist wie der andere. Einige Anbieter bieten Rabatte, wenn gleichzeitig auch der Hausstrom oder das Erdgas für die Heizungsanlage des Hauses bei ihnen bezogen wird. Bei anderen zahlen sich Mitgliedschaften aus – zum Beispiel im ADAC.

Und welche Anbieter kann nun EUPD Research empfehlen? Das erfahren Sie im zweiten Teil.

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