Der Ausbau der Ladeinfrastruktur gilt als zentraler Faktor, um bei Verbrauchern die Akzeptanz der Elektromobilität zu stärken. Doch viele Energieversorger zögern aufgrund der unklaren wirtschaftlichen Perspektiven mit Investitionen, zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung PWC Deutschland.
Wir sprachen mit PWC-Manager Philipp Ehlert über die Herausforderungen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur und mögliche Herangehensweisen.

Philipp Ehlert
Der Jurist beschäftigt sich bei der Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC) mit den Themenfeldern Elektromobilität und Energieversorgung. Foto: PWC


Herr Ehlert, der Hochlauf der Elektromobilität steckt in einem Henne-Ei-Dilemma: Die Autokäufer zögern und auch die Betreiber öffentlicher Ladeinfrastruktur beklagen in Teilen eine geringe Auslastung. Wie sind vor diesem Hintergrund die Aktivitäten der Energiebranche beim Ausbau des Ladenetzes einzuordnen?

Die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur ist die fundamentale Voraussetzung für Vertrauen und Akzeptanz in die Elektromobilität. Die Energiebranche hat natürlich längst erkannt, dass dieser Übergang langfristige und kontinuierliche Investitionen erfordert. Trotz eines Jahrzehnts technologischen Fortschritts bei Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur ist die Elektrophobie in Deutschland eher gewachsen: Obwohl die durchschnittliche Reichweite mittlerweile 400 Kilometer beträgt und damit alltagstauglich ist, die Anzahl öffentlicher Ladepunkte kontinuierlich steigt und die Ladezeiten sinken, erschweren weiterhin ein komplizierter Zugang zur Ladeinfrastruktur, intransparente Tarifstrukturen und multiple Bezahlsysteme eine positive Wahrnehmung.

Ein wichtiger Punkt für die Versorger ist, dass „langsames Laden“ zunehmend unattraktiv wird. Die Nutzung der öffentlichen AC-Ladestationen ist in der Regel nur noch sinnvoll, wenn man die Ladezeit etwa für Einkäufe nutzen kann. Diese Option verliert noch weiter an Attraktivität, wenn – wie aktuell zu beobachten – viele Anbieter die Regelungen für Blockiergebühren an AC-Ladestationen verschärfen. Unsere Studie zeigt, dass die oft mehrdeutige und ständig weiterentwickelte Regulatorik die Unsicherheit verstärkt. Neben zahlreichen Vorschriften bindet vor allem der Umgang mit der Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe – Alternative Fuels Infrastructure Regulation, oder kurz AFIR – Ressourcen.

Ein zweiter Punkt ist die Netzkapazität. Die fehlende Netzanschlussleistung führt real schon heute häufig dazu, dass geplante Ladepunkte einfach nicht umgesetzt werden können.

Gerade kommunale Energieversorger erscheinen prädestiniert, den Ausbau des öffentlichen Ladenetzes vor Ort voranzutreiben. Doch bislang agieren viele Unternehmen eher zögerlich. Welche Gründe sehen Sie für die Zurückhaltung und wo liegen die Herausforderungen in dem neuen Geschäftsfeld?

Unsere Studie zeigt, dass die Mehrheit der befragten Stadtwerke 40 bis 60 Prozent der halb-öffentlichen und öffentlichen Ladepunkte im jeweiligen Stadtgebiet betreibt. Dies schließt die Konzeption und Planung für den Ausbau und die Bereitstellung der erforderlichen Netzkapazitäten ein und ist entsprechend zeitaufwendig.
Zusätzliche Verzögerungen entstehen zum Beispiel durch den begrenzten öffentlichen Raum, die konkreten Bedingungen im verfügbaren Parkraum und die oft extrem geringe Nutzungsintensität der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Städte und Stadtwerke müssen hier konzeptionell und planerisch eng zusammenarbeiten, um Fortschritte zu erzielen.

Eine Lademöglichkeit pro zehn Einwohner
Sechs der 13 von PWC für die Studie befragten Städte verfolgen quantifizierte Ausbauziele, die aber kontinuierlich an den Bestand an Elektroautos sowie an halböffentlichen und privaten Ladeinfrastrukturen den angepasst werden. Grafik: PWC
Eine Lademöglichkeit pro zehn Einwohner
Sechs der 13 von PWC für die Studie befragten Städte verfolgen quantifizierte Ausbauziele, die aber kontinuierlich an den Bestand an Elektroautos sowie an halböffentlichen und privaten Ladeinfrastrukturen den angepasst werden. Grafik: PWC

Dies gelingt jedoch nicht überall, wie unsere Studie ebenfalls verdeutlicht. Während einige Stadtwerke kontinuierlich ihre Ladeinfrastruktur erweitern und Prozesse optimieren, entscheiden sich andere aus wirtschaftlichen Gründen, dieses Geschäftsfeld zu verlassen. Diese Entwicklung konnten wir auch über die Studie hinaus beobachten.

Welche Herangehensweise würden Sie Energieversorgern nahelegen, um das Geschäftsfeld Ladeinfrastruktur zum Erfolg zu führen?

Energieversorger sollten die öffentliche Ladeinfrastruktur gemeinsam mit weiteren Produkten zum teilöffentlichen und privaten Laden als einen strategischen Baustein in ihrem Geschäftsmodell verankern – oder das Thema klar ausklammern und den Kommunen entsprechend Raum für dritte Anbieter geben. Dabei ist es wichtig, gesellschaftlich gewünschte langfristige Ziele zu identifizieren, wie die Erhöhung der regionalen Attraktivität, die Unterstützung von Klimazielen oder zukünftige kommunale Einnahmequellen.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Die Ladeinfrastruktur muss als ganzheitliche Serviceleistung verstanden werden, die unterschiedliche Nutzungsszenarien abdeckt. Eine erfolgreiche Implementierung kann durch Kooperationen mit privaten Akteuren aus dem Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich verbessert werden.

Um die Ladeinfrastruktur erfolgreich auszubauen, ist eine sorgfältige Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend. Wie groß ist die lokale Zielgruppe? Welche Investitionen und Technologien sind sinnvoll? Welche Standorte versprechen eine auskömmliche Auslastung? Zudem sind die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Stadtwerken und klare Verantwortlichkeiten wichtig. Regionale Entwicklungsszenarien und klare politische Leitlinien sind für die bedarfsgerechte Planung wichtige Rahmenbedingungen. Viele kleinere Städte und Stadtwerke benötigen dabei vermutlich Unterstützung, insbesondere auch bei den komplexen Ausschreibungen und der Entwicklung belastbarer Mobilitätskonzepte.

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