Die neue elektrische Mittelklasse von BMW in Gestalt von iX3 und i3 startet ab Ende des Jahres und soll endlich auch den Bayern den ersehnten Ladeturbo bringen. Denn bisher ist durch die 400-Volt-Plattformen bei rund 200 Kilowatt Ladeleistung Schuss. Mercedes bringt in diesen Wochen seinen neuen Mercedes CLA und holt mit Ladeleistungen jenseits von 300 Kilowatt die Schwaben ebenfalls aus dem Ladeschlummerschlaf heraus. Die Konkurrenz ist da schon deutlich weiter, denn seit Jahren tanken Modelle wie der Audi e-tron GT, Kia EV6 oder Porsche Taycan mit mehr als 250 kW. Und auch an den Superchargern von Tesla zieht man trotz unverändert fehlender 800-Volt-Technik den Strom weiterhin mit 240 Kilowatt.
Doch was bringen die Ladeleistungen von über 350 Kilowatt, wenn die passenden Ladesäulen fehlen? Nio ermöglicht bei seinem neuen Luxusmodell ET9 ein Nachladen mit bis zu 600 kW. Der ebenfalls chinesische Autohersteller BYD geht noch weiter und hat auf seiner neuen „Super-E-Plattform“ jüngst Ladetempi von bis zu 1.000 Kilowatt in Aussicht gestellt. Die parallel mitentwickelten Hypercharger der Chinesen schaffen dank besonders dicker Leitungen und einer speziellen Flüssigkeitskühlung bis zu 1.360 Kilowatt an Ladeleistung. Erste Testsäulen laufen bereits.
Laden so schnell wie tanken
„Diese neue Technologie wird dazu beitragen, den größten verbleibenden Kritikpunkt der Nutzer von Elektrofahrzeugen zu beseitigen“, sagte bei der Vorstellung der neuen Plattform Wang Chuanfu, der Vorstandsvorsitzende der BYD Group. „Unser Ziel ist es, das Laden von Elektrofahrzeugen so schnell wie das Tanken eines Verbrenners zu machen, um die Sorgen der Nutzer beim Laden vollständig zu beseitigen. Auf diese Weise möchten wir ‚Öl-Elektro- Parität‘ bei der Ladegeschwindigkeit erreichen.“

Der Han L von BYD ist das erste Fahrzeug auf der neuen 1000-Volt-Plattform „Super E“ des chinesischen Technologiekonzerns. Der LFP-Akku der E-Limousine mit einer Kapazität von 83,2 kWh kann am Schnelllader mit bis zu 1000 Kilowatt Strom ziehen. Foto: BYD
Doch sind die Ladenetze in Europa bereits fit für das ultraschnelle Laden von Elektroautos?
Anfang Januar standen nach den Erhebungen von TheonData und Cirrantic für den „Charging Radar“ von EDISON den E-Auto-Fahrern in Deutschland exakt 166.124 öffentliche Ladepunkte zur Verfügung. An rund 126.000 Ladepunkten floss allerdings nur Wechselstrom mit maximal 22 kW. Gleichstrom mit Ladeleistungen jenseits von 50 kW gab es nur an 30.096 Stellen – an 10.000 Ladepunkten wird die Stromzufuhr bei 50 kW gedrosselt. Die Zahl der superschnellen Hypercharger wächst zwar stetig, aber hier fließt der Strom auch nur mit maximal 400 kW. Die Zahl der Megawatt-Charger, die vor allem batterieelektrische Nutzfahrzeuge benötigen, lässt sich hingegen noch an den Fingern einer Hand ablesen.
Stromnetz gibt Hypercharger oft nicht her
An der Technik liegt es nicht allein, denn die mögliche Ladeleistung wird von einer Reihe unterschiedlicher Rahmenbedingungen beeinflusst. Zunächst einmal muss das lokale Stromnetz die entsprechende Spannung zur Verfügung stellen, denn sonst bringt die stärkste Ladesäule nichts. Zudem muss die Stromstärke dauerhaft und auch zu Spitzenzeiten stabil geliefert werden können – selbst wenn an den entsprechenden Hyperchargern mehrere Fahrzeuge gleichzeitig nachtanken.

Die Energieversorger in Deutschland haben jetzt schon größte Probleme, Schnellladestationen ans öffentliche Mittelspannungsnetz anzuschließen. Für das Megawattladen braucht es einen Anschluss ans Hochspannungsnetz, was die Kosten nochmals höher treibt.
Unverändert ist es für Fahrer eines Elektroautos mit entsprechendem Ladepotenzial ärgerlicher denn je, wenn sich ein zweites Fahrzeug an der Ladesäule ansteckt und sich dadurch das eigene Ladetempo halbiert. Zudem müssen die Hersteller der Ladesäulen zwei zentrale Themen in den Griff bekommen: Der CCS-Ladestecker nebst Kabel darf nicht zu schwer und damit noch unhandlicher werden als jetzt schon. Zudem ist die Hitzeentwicklung ein Thema, denn eine entsprechend hohes Tempo verlangt nach großen Kabeldurchmessern und diese Kabel müssen gekühlt werden.
Lkw-Hersteller machen Druck
Doch der Druck der Autohersteller auf die Ladenetzbetreiber wird immer größer, insbesondere aus der Nutzfahrzeugbranche. Denn nicht alle batterieelektrischen Lastwagen können im heimischen Depot oder beim Kunden nachgetankt werden. Ein einheitlicher Ladestecker scheint in Europa hingegen kein Thema mehr zu sein, denn der CCS-Stecker hat die Konkurrenz nahezu vollkommen verdrängen können.

Vor allem batterieelektrisch angetriebene Lastzüge benötigen ein Megawatt Charging System (MCS), um die Ladepausen im Fernverkehr möglichst kurz zu halten. Theoretisch sind an solchen Stationen Ladeleistungen von bis zu 3,75 Megawatt bei Spannungen von bis zu 1.250 Volt und einer maximalen Stromstärke von 3.000 Ampere möglich. Foto: Kempower
„Grundsätzlich ist es schon mal positiv zu sehen, wie sich das Laden weiterentwickelt. 600-kW-Ladesäulen gibt es bislang in Deutschland mit dem CCS-Anschluss noch nicht“, sagt Fastned-Deutschland-CEO Linda Boll. „Das geht dann schon in den Hochspannungsbereich, also das Megawatt-Laden wie bei den Lkws. Der Anschluss dieser Stationen ist mittlerweile standardisiert. Also wird es auch da eine Lade-Infrastruktur geben. Der Markt entwickelt sich.“ Langsam, aber beständig.