Die Tendenz ist eindeutig: Die klassischen europäischen Automessen lassen Federn. Erst Paris, dann Genf und nun auch die am 12. September startetende Frankfurter Internationale Automobil-Ausstellung (IAA). Sie ist immer noch eine der größten Automessen der Welt, die sich eigentlich mittlerweile ein neues Image gegeben hat. Unter dem Slogan „Driving Tomorrow“ wollen sich die Organisatoren jetzt als internationale Plattform für die Mobilitätswende profilieren. Schönes Zitat des Veranstalters, des Verbandes der Automobilindustrie (VDA): „Hier treffen Besucher und Fachpublikum vom 12. bis 22. September auf die heißesten Marken, Zulieferer und Newcomer der Automobilindustrie, Anbieter neuester Mobilitätsdienstleistungen, innovative Tech-Unternehmen und angesagte Start-ups aus aller Welt.“
Klingt super, zumal es mit IAA Exhibition, IAA Experience, IAA Conference und IAA Career auch neu strukturierte Ausstellungsformate geben soll. Trotzdem erwischt es die IAA diesmal besonders heftig: Bis jetzt sind 18 Absagen eingegangen, dazu gibt es weitere Wackelkandidaten. Mhm, Driving Tomorrow? Ausgerechnet wichtige Vertreter der zukunftsweisenden Elektromobilität sind nicht dabei. So fehlen diesmal die Elektro-Pioniere Renault (Hersteller der Modelle Twizy und Zoe) und Nissan (Leaf) ebenso wie Mitsubishi, Mazda, Lexus, Subaru, Ssangyong, Dacia, Citroën sowie die französische Edelmarke DS, die gerade mit dem vollelektrischen DS 3 Crossback E-Tense durchstartet. Ebenso Peugeot, die Marke, die demnächst den smarten Elektriker e-208 in die Showräume bringt.
Auch Japans großer Hybrid- und Wasserstoff-Pionier Toyota, ab 2020 auch auf dem vollelektrischen Pfad unterwegs, kommt diesmal nicht — 2017 war man noch mit einem ziemlich üppigen Stand in Frankfurt dabei. Tesla hält es auch nicht für nötig, nach Frankfurt zu kommen. Ebenso fehlt Schwedens angesagter Öko-Vorreiter Volvo wieder, bald mit dem XC40 und dem coolen Polestar 2 stromernd unterwegs. Auch Chevrolet, Cadillac, Rolls-Royce und Aston Martin reißen Lücken. Und bei Fiat (neuer E-Kandidat), Alfa, Jeep sowie bei Suzuki wird noch immer noch überlegt. Ausgang offen, wie wir hören.
Sparprogramme zeigen Spuren
Ein ähnliches Bild bei den frischen, mehr oder weniger großen Elektro-Start-ups der Branche. Bei der Aachener Vorzeigetruppe e.GO Mobile („e.GO Life“) gibt es „noch keine Entscheidung“. Vom Münchner E-Aufsteiger Sono Motors („Sion“ mit Solarzellen-Beplankung) wird die Messe „voraussichtlich nicht besucht“. Und das bemerkenswerte schwedische Start-up Uniti („Uniti One“) kommt mit seinem City-Flitzer definitiv nicht. Wenigstens ist Micro Mobility mit seinem Microlino als bekannter Newcomer dabei. Euphorie sieht anders aus. Klar, die großen deutschen Hersteller wie der VW-Konzern und viele andere sind in Frankfurt dabei, aber wie im Falle von Mercedes und BMW auch nur auf reduzierter Ausstellungsfläche.
Gründe für die neue Messemüdigkeit gibt es viele. In fast allen Fällen geht es erst mal um die schwierige Kosten-Nutzen-Relation. Der Quadratmeter Standfläche kostet in Frankfurt bis zu 166 Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Standbau, das Personal an den Ständen sowie den Transport nach und die Aufbereitung der Fahrzeuge in Frankfurt.
Bei elf Tagen, die die Messe dauert, kommen da schnell Millionensummen zusammen. Und die Investitionen rentieren sich nicht mehr so richtig, denn viele potentielle Kunden machen sich heute im Netz voll digital über ihre automobilen Lieblinge schlau. Und für die Y- und Z-Generation Smartphone zählen im Zeitalter von Facebook, Twitter und Instagram die Meinungen von hippen Bloggern und Influencern mehr als jede Berichterstattung über eine klassische Autoshow. Wer andererseits als Automarke besonders cool sein will, inszeniert sich wie Nissan jetzt lieber in stylischen Pop-up-Stores der Großstadtreviere – und tauscht sich dort direkt mit Kaufinteressenten aus.
Las Vegas und Barcelona statt Frankfurt
Bei den Messeauftritten gibt es zudem eine massive Verlagerung hin zu den elektronischen, digitalen Events dieser Welt. So haben die großen Autohersteller die in Las Vegas ansässige Consumer Electronics Show (CES) fast ein bisschen unterwandert. Da zeigen Mercedes, BMW und Audi mit viele anderen Topunternehmen der Branche heute ihre Zukunftsvisionen. Gleich neben den Elektronik-Giganten Google, Amazon oder Microsoft und Hunderten von angesagten Start-ups.
Ähnliches war Ende Februar auf dem immer wichtigeren World Mobile Congress (MWC) in Barcelona zu beobachten. Alle großen Software- und Digitalplayer waren mit ihren News vor Ort. High-Tech-Shows rund um die Uhr, eine riesige Publikumsresonanz und zunehmend mehr Automobilhersteller. Mercedes (inklusive Daimler-Chef Dieter Zetsche) BMW, VW und Seat waren dabei, EDISON hat ausführlich berichtet.
Ähnliches dürfte demnächst auf der Pariser VivaTech (16. bis 18. Mai) zu beobachten sein, einer Hightech-Messe für die großen Player von Intel und Samsung bis Huawei — und einer riesigen Zahl von aufstrebenden Entwicklern und Start-ups, die natürlich auch trendige Mobilitätsthemen präsentieren. Dazwischen schwergewichtige Investoren und Autohersteller wie Renault und Citroën als Silber-Messepartner. Genau, eben die kommen nicht zur IAA. Volkswagen übrigens wird über seinen neuen, voll vernetzten Mobilitätsdienstleister We auch wieder in Paris sein. Im letzten Jahr hatten die Wolfsburger als einer der VivaTech-Partner sogar zu einen Pitch-Wettbewerb für junge Start-ups zum Thema „Wie können wir die Zukunft der Mobilität gestalten?“ eingeladen. Der Gewinner durfte sich dann während der Konferenz am Messestand von Volkswagen We präsentieren. So kommt man in die Zukunftsszene.