Die tschechische VW-Tochter Škoda Auto hat schwere Zeiten hinter sich. Lieferengpässe bei Kabelbäumen, Türverkleidungen und Computerchips sorgten dafür, dass die Produktion vieler Modelle vorübergehend aus dem Takt geriet – und heute noch viele Kunden auf ihre Fahrzeuge warten. Vor alIem diejenigen, die einen vollelektrischen Enyaq geordert haben. Auch beendete der Ukraine-Krieg die Aktivitäten des Autobauers in Russland. All dies führte dazu, dass Škoda 2022 nur 731.300 Fahrzeuge ausgeliefern konnte, 16,7 Prozent weniger als im Jahr davor. Zudem sank das operative Ergebnis um 42 Prozent auf nur noch 628 Millionen Euro.
Trotz dieser Belastungen hat Škoda Auto auch im vergangenen Jahr große Summen in die Elektromobilität investiert. Und es hat im Rahmen der Strategie „Next Level – Škoda 2030“ den Einkauf neu ausgerichtet, auf Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung von Materialien und Komponenten. Nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft will der Autobauer in Zukunft noch stärker auf recycelte und wiederverwertbare Rohstoffe zurückgreifen – wo immer das möglich ist. Wir sprachen darüber mit Karsten Schnake, Vorstand für Beschaffung bei Škoda Auto in Mlada Boleslav.
Herr Schnake, können Sie inzwischen wieder schlafen? Bei unserem letzten Interview mit Ihnen vor bald einem Jahr litten Sie wegen der Lieferprobleme von Skoda unter Schlafstörungen.
Ja, ich habe wieder ruhigere Nächte. Denn die Liefersituation hat sich merklich entspannt und wir können in Mladá Boleslav ganz optimistisch in die Zukunft schauen. Der Volkswagen-Konzern hat im vergangenen Jahr viele neue Lieferverträge und strategische Abkommen mit der Halbleiterindustrie geschlossen. Dadurch hat sich unsere Versorgung, aber auch unsere Produktion deutlich stabilisiert.
Über alle Modellreihen?
Ja, über alle. Wir starten jetzt auch noch einmal eine Kapazitätserweiterung beim Enyaq iV, denn die Auftragsbücher sind voll und wir wollen bestehende Kundenaufträge schnellstmöglich abarbeiten. Wir fahren deshalb die Produktion im Werk hoch und die Versorgung mit Teilen ebenso. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir unsere Lieferzeiten bald deutlich verkürzen können.
Auf einschlägigen Plattformen im Internet wird die Lieferzeit für den Enyaq iV immer noch mit 15 bis 18 Monate angegeben. Sind die also aus der Luft gegriffen?
Aktuell dauert es tatsächlich so lang. Wir arbeiten jedoch weiter intensiv daran, diese Lieferzeiten deutlich zu verkürzen.
In welchen Baugruppen bestehen aktuell noch Engpässe? Etwa bei den Akkus?
Bei den Batterien ist derzeit alles im grünen Bereich – hier sind wir mit unseren Partnern abgesichert. Herausfordernde Liefersituation spüren wir noch bei einigen speziellen Halbleitern, wie z. B. den Onboard Chargern und den Wechselrichtern, welche im Enyaq iV verbaut werden. Aber mit den Zulieferern, die hier früher kritisch waren, haben wir inzwischen Absicherungsverträge.
Beim Interview im vergangenen Sommer wurden in Mladá Boleslav 370 Enyaq iV in der Woche gebaut. Wie viele laufen aktuell vom Band?
Heute sind wir wieder in der Lage an die Grenze unserer Produktionskapazität zu gehen. Und die liegt bei 420 bis 425 Autos pro Tag. Die angesprochene Kapazitätserweiterung wird uns auf rund 500 Fahrzeuge im zweiten Halbjahr 2023 bringen.
Also haben Sie keine schlaflosen Nächte mehr?
Ich schlafe besser. Aber richtig gut wird es erst, wenn die Produktion soweit stabilisiert ist, dass jeder Kunde seinen neuen Skoda schnellstmöglich bekommt.
Als wäre die Stabilisierung der Lieferketten nicht schon Herausforderung genug, kommt nun auf Sie auch noch eine weitere hinzu: Die Bauteile, die Sie ordern, müssen in den kommenden Jahren auch noch unter Umwelt- und Klimaaspekten optimiert werden.
Das ist für mich keine große Belastung. Im Gegenteil: Dieses Thema verfolge ich geradezu leidenschaftlich. Ich bin fest davon überzeugt, dass Nachhaltigkeitsaspekte nicht nur für Käufer von Elektroautos, sondern in jeder Produktkategorie immer wichtiger wird. Und die Generationen, die noch kommen, werden noch eine größere Sensibilität für diese Themen haben. Das ist gut so: Unsere Aufgabe ist es, die Auswirkungen unserer Produkte auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Viele betrachten die Anstrengungen auf dem Gebiet unter ökonomischen Aspekten ja immer noch kritisch. Ich glaube aber, dass der besondere Spirit der Europäer für das Thema eher ein Standortvorteil ist. Das Momentum muss man nutzen.
Woran denken Sie dabei?
Ich denke dabei an unser Schlagwort von „Sustainable Innovations“, nachhaltigen Innovationen. Daraus kann eine ganz neue Triebkraft für die Autoindustrie entstehen.
Das Verbrennerverbot der EU begrüßen Sie also ausdrücklich?
Wir haben uns längst darauf eingestellt. Der Wandel ist ein Teil der Autoindustrie, in der ich seit 27 Jahren tätig bin. Ich glaube fest an die individuelle Mobilität. Corona hat gezeigt, wie groß das Bedürfnis danach auch in der Bevölkerung ist. Aber auch diese Mobilität muss in Zukunft nachhaltig und für die Gesellschaft tragbar sein. Insofern ist die Antriebswende der richtige Schritt.
Wobei es ja mit dem Wechsel von der Verbrennungskraftmaschine zum Elektromotor nicht getan ist – das gesamte Produkt, inklusive Fertigung und Recycling sollte im Idealfall klimaneutral sein.
Korrekt. Wir sind gerade dabei, die Ziele von Škoda auf diesem Weg zu definieren. Wann wir so weit sein werden, steht noch nicht fest. Aber bei jedem neuen Fahrzeug fragen wir bei unseren Zulieferern die Nachhaltigkeit des Produkts ab.
Inwiefern?
Bei jedem Bauteil lassen wir uns die komplette Nachhaltigkeitsstruktur zeigen und schreiben diese im Lastenheft fest. Also: Welche Energieträger werden bei der Herstellung eingesetzt, aus welchen Materialien bestehen sie usw. Das Schöne ist: Die jungen Ingenieure bei den Zulieferern verfolgen das gleiche Ziel. Sie entwickeln auch lieber einen Stoßfänger, ein Lenkrad, einen Sitzbezug oder eine Hupe mit einem hohen Nachhaltigkeitsanteil. Denn wenn das Bauteil einen großen positiven Impact auf die Ökobilanz hat, macht die Entwicklungsarbeit mehr Spaß.
Was heißt eigentlich „nachhaltig“ für Sie? Für manche ist der Begriff schon stark abgegriffen, ist Nachhaltigkeit schon fast zur Phrase verkommen. Wann ist für Sie ein Produkt nachhaltig?
Es wird gerne nur auf das Material geschaut und oder dessen Herstellung. Es geht darum, die Herstellung der Rohstoffe so nachhaltig wie möglich zu gestalten, mit einem möglichst geringen Energieeinsatz und einem hohen Ertrag. Bei einem Stoßfänger etwa kann es ein Ziel sein, den Anteil von Recyclaten zu steigern, ohne Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen. Ein anderes Ziel wäre es, das Material in einem geschlossenen Kreislauf am Ende des Lebenszyklus wieder zurückgewinnen zu können. Oder nehmen wir das Beispiel Sitzbezüge: Auch da muss es das Ziel sein, einen geschlossenen Kreislauf darzustellen. Und schließlich geht es auch um soziale Aspekte: Es muss sichergestellt sein, dass die Beschäftigten in der Lieferkette ordentlich bezahlt werden und sozial abgesichert sind. Das ist ein großer Blumenstrauß. Den darf man aber nicht nur vor sich hertragen. Man muss – mit Augenmaß – auch zusehen, dass im Laufe der Zeit so viel wie möglich davon realisiert wird. Wenn wir das richtig machen, haben wir die Chance, die Erde in den kommenden 40, 50 Jahren so richtig aufzuräumen.
Sie wollen alles neu aufsetzen?
Und Altes abtragen. Ich warte darauf, dass wir die großen Müllhalden wieder abbauen.
Weil in ihnen viele Wertstoffe enthalten sind?
Ja, aus dem Müll der Generationen vor uns wird der Wertstoff der Zukunft. Sobald das Material einen gewissen Wert hat, wird es begehrlich. Wir beschäftigen jetzt schon Recyclat- oder Mülleinkäufer.
Bei Recyclaten aus ausrangierten PET-Flaschen und alten Fischernetzen gibt es ja angeblich jetzt schon Engpässe.
In der Tat. Denn dafür interessiert sich inzwischen nicht nur die Autoindustrie.
Als Einkaufschef müssen Sie aber neben der Nachhaltigkeit der eingekauften Materialien und Teile noch andere Aspekte im Auge behalten. Die Preise zum Beispiel. Sonst gehen die Kosten durch die Decke und die Produkte werden so teuer, dass Sie keine Abnehmer mehr finden. Für einen grünen Anstrich zahlt doch niemand 15 Prozent mehr. Wie lösen Sie diesen Zielkonflikt?
Eine Komponente mit einem hohen Nachhaltigkeitsanteil ist nicht unbedingt teurer. Manche Teile können dadurch einen Preisnachteil bekommen, andere werden dadurch günstiger. Es gibt beides und viele Umfänge, wo sich das Preisniveau nicht verändert. Wird es teuer, muss man schauen, wie man das kompensieren kann. Das geht zugegebenermaßen im Augenblick noch nicht vollumfänglich.
Es wird unter dem Strich also noch teurer?
Ja. Dann muss man schauen, wie das langfristige Modell mit unseren Partnern ausschaut. Denn mit jedem Technologiesprung erreicht man in der Regel auch eine Kostenoptimierung. Also sollte man schneller werden mit seinen Sprüngen.
Harte Preisrunden wie zu Zeiten eines Ignazio Lopez gibt es also im Volkswagen-Konzern nicht mehr?
Ein Einkauf, der ganz klassisch Unternehmen in einem Preiswettbewerb antreten lässt und auf Skaleneffekte hofft, hat keine Zukunft mehr. Sie müssen in langfristigen Partnerschaften neue Technologien entwickeln und darüber Optimierungspotenziale schaffen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist heute wichtiger als ein Skaleneffekt, der durch Ausnutzung maximalen Wettbewerbs entsteht. Auch das ist Teil der Transformation dieser Industrie.
Also keine Preisrunden mehr?
Eine taffe Verhandlung werden wir sicher immer führen. Sonst würden wir ja keinen Respekt zeigen vor unseren Kunden, die unsere Fahrzeuge kaufen und bezahlen müssen. Der Kunde erwartet zu Recht, dass er unser Produkt zu einem guten Preis bekommt.
Und Skoda war und ist für ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis bekannt. Das wird also auch so bleiben?
Ja.
Das Ja kommt aber jetzt sehr gedehnt rüber. Versprechen können Sie das nicht?
Wir diskutieren diese Themen intensiv, Finanzexperten mit Technikern und der Beschaffung. Unser Bestreben ist es, für unsere Kunden preiswerte Fahrzeuge mit echtem Mehrwert und den Skoda-typischen „Simply Clever“-Features zu produzieren.
Sind denn die Kunden, die nach Ihren Worten immer nachhaltigere Lösungen fordern, auch bereit, für dieses „grüne“ Produkt mehr zu bezahlen?
Das hängt von den Produkten ab, auch von den Kundenkreisen. Viele Early Adopter sind bereit, für ein innovatives Produkt temporär mehr zu bezahlen. Das muss man dann mit Vertrieb und Marketing abstimmen. Aber das kann man nicht grundsätzlich voraussetzen.
Im Augenblick propagieren fast alle Autohersteller „tierfreie Innenräume“. Ist der Verzicht von Leder per se nachhaltig? Bezüge aus recyceltem Plastikmüll haben ja nicht unbedingt eine längere Lebensdauer.
Das ist ein typisches Skoda-Thema. Manche Kunden erwarten von uns ein Auto, das frei von Tierleder ist. Das hängt auch mit den Kulturkreisen zusammen, an die wir unsere Autos verkaufen. In Indien beispielsweise sind Autos mit Sitzbezügen aus Rinderhäuten nicht zu vermarkten. Auf der anderen Seite müssen wir auch die Wünsche anderer Kunden bedienen, etwa mit einem sehr gut gemachten Lederprodukt. Voraussetzung ist, dass die Tierhaut ein Zusatzprodukt der Lebensmittelherstellung ist. Dann bleibt auch die weitere Frage, wie man mit der Haut umgeht.
Wie man sie gerbt.
Richtig. Durch das Tanning, die Bräunung mit Olivenöl statt mit Chemikalien wie bei den Bezügen für den Enyaq iV, wird das Leder nachhaltig. Für die neuen Fahrzeuge werden wir für das Bräunen des Leders auch Kaffeebohnen verwenden. Wir stehen also zu beiden Produkten, dem komplett leder- oder tierfreien Autos als auch für Innenräume mit einem ökologisch einwandfreien Tierleder. Ich traue aber auch unseren aus recycelten PET-Flaschen produzierten Sitzbezügen eine Lebensdauer von 30 Jahren zu.
Aber verhaken wir uns nicht an Oberflächlichem. Nachhaltige Werkstoffe kommen in Zukunft ja wahrscheinlich auch an anderen Stellen im Fahrzeugbau vor.
In der Tat. Grünes Aluminium wird ein wichtiges Thema werden, gerade bei Elektroautos: Die Batteriewannen bestehen größtenteils aus Aluminium. Und das sollte nach Möglichkeit mit Grünstrom erzeugt werden. Aber auch den Energieverbrauch von Halbleitern wird man unter die Lupe nehmen müssen. Halbleiter lagen vor der Krise unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von Automobilherstellern. Die hörte bei Steuergeräten auf. Infolge der Krise haben wir uns in den zurückliegenden Jahren bis auf die technische Ebene heruntergeschwungen und uns intensiv mit Chips befasst. Auch weil es bei Elektroautos wichtig sein wird, den Energieverbrauch weiter zu senken. Da wird die Effizienz jedes einzelnen Halbleiters eine Rolle spielen.
Zusammenfassend gesagt: Sie sind auf einem guten Weg, Skoda nachhaltig zu machen. Was würden Sie sagen: Wo stehen Sie damit heute, zu wie viel Prozent ist ein Enyaq iV bereits ein nachhaltiges Elektroauto?
Wir garantieren beim Enyaq iV, dass das Fahrzeug CO2-neutral ausgeliefert wird. Allerdings heute noch durch den Zukauf von Zertifikaten. Denn das Auto ist noch zu einer anderen Zeit entwickelt worden. Für alle künftigen Fahrzeuge verankern wir die Nachhaltigkeit in deren Lastenheften. Mit jeder Modellpflege werden die Autos also nachhaltiger.
Für den Vision 7S werden Sie also keine CO2-Verschmutzungsrechte mehr kaufen müssen?
Das schauen wir uns an, die Anfragen an die Zulieferer laufen gerade. Erst dann werden wir konkrete Zahlen nennen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hallo Herr Rother,
ich habe ausschließlich BASIC Komponenten bestellt, einzig die Anhängerkupplung ist etwas besonderes. Das zählt aber auch nicht, da meine Bekannten, die Ihr Fahrzeug bereits haben, auch eine AH-Kupplung haben.
Es nur traurig, dass SKODA das mir nicht erklärt, was nicht verfügbar ist oder woran es liegt. Darauf bekomme ich keine Antwort!!!
Freundliche Grüße
Hallo Herr Rother,
das Alles was Herr Schnake da von sich gibt klingt interessant.
Ich schlafe nämlich noch schlechter, da ich bereits seit fast 19 Monaten auf meine SKODA ENYAQ warte.
Das komische ist nur, dass ich mehrere Käufer aus meinen persönlichen Umkreis kenne, die nach mir bestellt haben, aber bereits ihr E-Auto ausgeliefert bekommen haben. Zwei davon haben noch beim gleichen Händler bestellt. Verrückt oder???
Da stimmt doch etwas nicht!!!
Andere Automobilhersteller können das besser, mein Schwiegersohn hat innerhalb der letzten 15 Monate zwei E-Auto’s bestellt und kann damit bereits fahren.
SKODA ist anscheinend nicht in der Lage, alternative Lösungen zu finden um den Kunden zufriedenzustellen.
Der Kundenservice lässt auch zu wünschen übrig. Der Kunde wird irgendwie einfach ignoriert.
Kein Lieferverzug oder Schadenersatzanspruch wird angeboten.
Ob ich nochmals einen SKODA kaufen werde, steht noch in den Sternen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Schmidt
Vielleicht haben sie für Ihr Auto ein Ausstattungsdetail gewählt, das gerade nicht verfügbar ist? An solchen Dingen hängt und hakt es meines Wissens manchmal.