Fünf Jahre ist es her, dass die Ford Motor Company entschied, das Unternehmen grundlegend zu transformieren und zu einem reinen Hersteller von Elektroautos umzubauen. am Stammsitz in Dearborn wurde dazu das „Team Edison“ – je zur Hälfte besetzt von Auto-Ingenieuren und IT-Experten aus dem Silicon Valley. Sie entwickelten eine komplett neue Plattform für Elektroautos, auf der als erstes Fahrzeug der Mustang Mach-E entstand. Und neben dem historischen River Rouge-Komplex, wo der Firmengründer – und ehemalige Mitarbeiter von Thomas Edison einst das legendäre Model montieren ließ – wurde eine hochmoderne neue Fabrik hochgezogen, wo seit kurzem der Elektro-Pickup F-150 Lightning vom Band läuft. Beide Fahrzeuge wurden ein großer Erfolg. Und nun wird auch in Europa die Antriebswende eingeleitet: Im kommenden Juni wird im Kölner Werk die Produktion des Ford Fiesta aus- und die Fertigung eines kompakten Elektroautos anlaufen. Wie es heißt und wie es aussieht, werden wir in Kürze erfahren. Es gibt also reichlich Gesprächsstoff – bei der Begegnung mit Darren Palmer in Dearborn. Der Brite zählte zu den Gründungsmitgliedern des „Team Edison“ und ist inzwischen bei der Ford Motor Company für alle Elektroautos weltweit verantwortlich.

Herr Palmer, Sie sind auf dem Sprung nach Köln. Um das neue Elektroauto abzunehmen, das Ford für den europäischen Markt entwickelt hat?

(Schmunzelt) Ja, das könnte sein. Ich habe da ein Team, das an dem Auto arbeitet. Und nicht nur an dem einen, sondern einer ganzen Reihe von Elektroautos.

Das erste E-Auto für Europa soll im November vorgestellt werden, höre ich.

Was Sie so alles hören. Aber ich muss Sie gleich enttäuschen: Ich kann hier über das Auto noch nicht sprechen. Das machen wir bei einer anderen Gelegenheit.

Mustang Mach-E im Kompaktformat
Für das erste Elektroauto der neuen Generation in Europa nutzt Ford den Modularen Elektro-Baukasten von Volkswagen. Wie das Modell aus Köln heißen soll, wird in Kürze verraten. Computerdesign: Bernhard Reichel
Darren Palmer am Ford Mustang Mach-E GT
Der Elektroingenieur aus dem Londoner Norden leitet seit März 2022 als Vorstand das Elektroauto-Programm der Ford Motor Company. Zuvor war er bei Ford Europe in Köln unter anderem für die Entwicklung der Mittelklassemodelle Mondeo, S-Max und Galaxy verantwortlich. Alle drei Modelle werden in Kürze eingestellt. Foto: Ali Lapetina für Edison.

Dann reden wir über ein anderes Auto: Sie sind stolzer Besitzer eines Shelby GT350 R, eines Muscle Car der alten Schule mit einem 5,2 Liter großen Achtzylinder unter der Haube.

Das ist korrekt. Das ist eines der besten handgeschalteten Autos in der Welt. Es ist noch voll analog und kann bis zu 8500 Umdrehungen beschleunigt werden. Andere Autos mit ähnlichen Leistungsdaten kosten wenigstens doppelt so viel.

Aber es ist ein Auto, das noch von einer Verbrennungskraftmaschine angetrieben wird. Das hätte ich vom Leiter des Elektroauto-Programms der Ford Motor Company nicht erwartet.

Gönnen Sie mir doch den Spaß. Es ist ja auch nur ein Auto von vielen, die ich bewege. Derzeit fahre ich beispielsweise einen vollelektrischen F150 Lightning.

Der bietet eine vergleichbar hohe Emotionalität?

Ja, aber in ganz anderer Weise. Der F150 Lightning ist ein sehr, sehr emotionales Auto. Es ist für mich der beste Truck, der jemals gebaut wurde. Seine Kraft und seine Beschleunigung sind purer Wahnsinn. Wie übrigens auch beim Mustang Mach-E GT. Und das sieht man den Autos gar nicht an. Da kommt selbst mein Shelby GT350 R nicht mit. Jedenfalls nicht bei der Beschleunigung von 0 auf 100. In dem Bereich sind Elektroautos wirklich gut, geradezu verrückt gut.

Und Emotionen braucht es schon, um Menschen zum Umsteigen auf ein Elektroauto zu motivieren, oder?

Emotionen sind ein Schlüsselelement in unserer Strategie. Veränderungen schafft man nur, indem man Verlockungen schafft– neben Incentives in Europa oder politischen Druck wie in China oder anfangs auch in Norwegen. Am Anfang waren Elektroautos verrückte Autos – mit geringer Reichweite, schwachen Leistungen und hohen Preisen. Aber seitdem hat sich in der Autoindustrie eine Menge getan. Die Elektroautos von heute sind wirklich gut. Gut reicht uns allerdings nicht. Wir sind davon überzeugt, dass ein Elektroauto mindestens in einer Disziplin besser sein muss als ein Benziner, dass es etwas bieten muss, was ein Verbrenner nicht bieten kann. Und in der Beziehungen bietet der F-150 Lightning in der Tat einiges.

Mustang Mach-E im Kompaktformat
Für das erste Elektroauto der neuen Generation in Europa nutzt Ford den Modularen Elektro-Baukasten von Volkswagen. Wie das Modell aus Köln heißen soll, wird in Kürze verraten. Computerdesign: Bernhard Reichel
Mustang Mach-E im Kompaktformat
Für das erste Elektroauto der neuen Generation in Europa nutzt Ford den Modularen Elektro-Baukasten von Volkswagen. Wie das Modell aus Köln heißen soll, wird in Kürze verraten. Computerdesign: Bernhard Reichel

Nämlich?

Für Europäer ist das vielleicht nicht sofort erkennbar, weil es diese Fahrzeugkategorie dort nicht gibt. Auch ich musste als Brite erst lernen,welche Rolle solche Autos hier spielen. Aber die Möglichkeit, das Autos als Kraftwerk zu nutzen und damit die Stromversorgung eines Hauses über bis zu zehn Tage hinweg sicherzustellen, ist schon einzigartig. Das ist der größte Stromspeicher, der hier jemals angeboten wurde. Und das zu einem Startpreis von nur 39.000 Dollar – also fast zum gleichen Preis wie das benzingetriebene Modell. In Amerika brauchen Veränderungen immer etwas länger als in Europa. Aber mit dem Elektroauto haben wir dem Wandel schon einen ordentlich Schubser gegeben. Aktuell ist der F-150 Lightning das bestverkaufte Modell in den USA. Die Verkaufszahlen übersteigen unsere ursprünglichen Planungen bei weitem. Wir sind bis weit ins nächste Jahr hinein ausverkauft. Wahnsinn, oder?

„Wir sind davon überzeugt, dass ein Elektroauto mindestens in einer Disziplin besser sein muss als ein Benziner, dass es etwas bieten muss, was ein Verbrenner nicht bieten kann.“

Ja, Glückwunsch – da scheinen Sie einen Nerv getroffen zu haben. Springen wir aber noch einmal ein paar Jahre zurück. Ford hatte ja lange wenig mit der Elektromobilität zu tun. Womit hat das Edison-Team beim Start vor fünf Jahren eigentlich angefangen? Mit einer Testfahrt mit einem Tesla?

Na ja, ein paar Elektroautos hatte die Ford Motor Company schon gebaut – denken Sie nur einmal an den Ford Focus Electric. Aber zugegebenermaßen nicht mit viel Engagement und die meisten Projekte wurden auch schnell wieder gecancelt. Denn es hieß lange, damit verdiene man kein Geld, dafür gebe es keinen Markt. Der Wandel kam nicht über Nacht, aber dann doch sehr schnell: Im Sommer 2017 kündigte Ford einen 4,5 Milliarden Dollar-Plan zur Elektrifizierung der Modellpalette an und zum Umbau von Ford zu einer Elektroauto-Gesellschaft. Weil man das als die Zukunft erkannt hatte. Und dann wurde dafür sehr schnell ein eigenes Team aufgebaut, mit Ted Cannis und mir als der damaligen Nummer zwei, um die weltweite Entwicklung von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen, durch eine ganzheitliche Betrachtung und schnellere Entscheidungen.

Und dann?

Sind wir erst einmal zwei Wochen lang durch die Welt gereist und haben mit Kunden gesprochen. Wir waren in Kalifornien, in China, Norwegen und anderen Ländern Europas, nur um erst einmal die Bedürfnisse unserer Kunden kennenzulernen. Indem wir redeten und zuhörten. Oft ging es gar nicht mal so sehr um den Elektroantrieb, sondern schlicht um die Anforderungen an ein modernes Auto. In China sahen wir eine große Zahl preiswerter Elektroautos mit geringer Reichweite. Mit denen wollten wir natürlich nicht konkurrieren. Aber überall konnten wir Dinge herauspicken, die den Kunden wichtig waren.

Aber Fahrzeuge von Tesla haben Sie sich doch sicher auch angesehen?

Na klar. Aber wir hatten nicht vor die zu kopieren – wir sind schließlich Ford, nicht Tesla. Es gab zu dem Zeitpunkt auch schon einen ersten Entwurf, eine Weiterentwicklung des Ford Eco-Focus. Der hatte mit Emotionen aber nicht viel zu tun. Das haben wir aber nicht weiterverfolgt. Denn wir wollten ein Elektroauto schaffen, das es so noch nicht gegeben hatte. Ein E-Auto mit dem Spirit des Ford Mustang. In die Richtung haben wir dann unsere Designer und Techniker getrieben. Und schnell zeigten sich dann auch erste Ergebnisse, Entwürfe für ein echtes Wow-Car.

„Wir drehen gerade das ganze Unternehmen in eine neue Richtung.“

Ein Elektroauto muss ein Wow-Car sein?

In erster Linie muss es etwas Neues sein, etwas, was man von Verbrennern nicht kannte. Die Kunden müssen es lieben, weil es ihnen etwas Besonderes bietet, nicht, weil es die Welt besser macht oder so etwas in der Art. Mein heutiger Boss, Doug Field – der früher für Apple und Tesla arbeitete – sagt, dass Elektroautos in allem immer einen Schritt weiter sein sollten, Autos sein sollten, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Die Autos müssen absolut erstaunlich sein. Die Hälfte unseres Edison-Teams kommt aus dem Silicon Valley, die andere Hälfte aus der Ford-Welt. Für den Erfolg ist es entscheidend, beides zusammenzubringen, die alte und die neue Welt.

Freunde bis zum Tod
Henry Ford und Thomas Alva Edison entwickelten unter anderem ein Batteriewechselsystem für Elektro-Taxen in New York. Später ging Ford eigene Wege, setzte auf preiswerte Autos mit Verbrennungsmotor. Edison ermunterte ihn dazu. Foto: Ford Archiv
Freunde bis zum Tod
Henry Ford und Thomas Alva Edison entwickelten unter anderem ein Batteriewechselsystem für Elektro-Taxen in New York. Später ging Ford eigene Wege, setzte auf preiswerte Autos mit Verbrennungsmotor. Edison ermunterte ihn dazu. Foto: Ford Archiv

Wer hatte eigentlich die Idee, das Entwicklungsteam nach Edison zu benennen?

Ted Cannis.

Um Tesla herauszufordern, den Current War neu zu beschwören?

Nein, aufgrund der engen historisch engen Beziehungen zwischen Ford und Edison.

Das Edison-Team gibt es noch bei Ford?

Wir sind inzwischen einen Schritt weiter. Die Aufgabe des Team Edison war es, die Richtung vorzugeben, die Strategie auszuarbeiten und die ersten drei Elektroautos auf die Straße zu bringen, den Mustang Mach-E, den F-150 Lightning und den Explorer EV. Meine Aufgabe in dem Team war die Produktentwicklung. Inzwischen haben wir die Company aufgeteilt, in Ford Blue und Model E. Ford Blue wird sich um die Autos mit Verbrennungsmotoren kümmern, Model E um die Elektroautos und nichts anderes. 50 Milliarden Dollar stehen dafür zur Verfügung – 50 Milliarden Dollar, das ist das Budget für ein kleines Land. 11,5 Milliarden davon fließen allein in zwei Batteriefabriken in Tennessee und Kentucky und in eine Anlage, in der Batterien recycelt werden können. Wir drehen gerade das ganze Unternehmen in eine neue Richtung. Und mit großem Erfolg: Für den Mach-E liegen bereits dreimal so viele Bestellungen vor, wie wir im Jahr produzieren können. Und auch der F-150 Lightning sowie der Ford Transit-E ist auf lange Sicht ausverkauft.

Wie werden sich die Elektroautos weiter entwickeln? Kommen Sie mit größeren Batterien als heute schon oder sehen wir höhere Ladeleistungen?

Wir arbeiten gerade am elektrischen Explorer und belegen damit ein drittes wichtiges Marktsegment hier in den USA. Ich glaube, in den nächsten vier Jahren werden wir aufgrund der großen Nachfrage massive Lieferprobleme haben. Wir werden aber auch neue Batterietypen sehen, insbesondere LFP – Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Festkörperakkus sind noch zu weit weg von einer industriellen Produktion. Aber das ist auch nicht entscheidend: Ein Elektroautos wie der Mach-E mit einer Reichweite von 330 Meilen oder 530 Kilometer, der an einem DC-Lader schnell aufgeladen werden kann, ist schon ein tolles Angebot.

Eine 800-Volt-Architektur wie beim Hyundai Ioniq 5

…ist eine Technik, die wir uns gerade sehr genau ansehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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