6) Antriebe für jeden Zweck
Damit einhergehend ist auch der Markt an unterschiedlichen Antrieben stetig gewachsen. Der E‑Antrieb beschränkt sich nicht nur auf City- oder Tourenräder, so wie es zu Anfang der Fall war. Längst haben die Motoren in alle Radgattungen Einzug gehalten und powern Lastenräder, Mountainbikes, Gravel- und Rennräder.
Leistungsstarke Mittelmotoren mit einem maximalen Drehmoment von bis zu 130 Newtonmetern unterstützen Cargo-Bikes oder E‑MTBs unter voller Last beziehungsweise im steilen Gelände. City-Fahrer:innen setzen hingegen auf ein harmonisches, Akku-schonendes Fahrverhalten und kommen mit weniger leistungsstarken Motoren zurecht. Bei Rennrädern und Gravel-Bikes wählen Hersteller auch kompakte Nabenmotoren im Hinterrad. Sie arbeiten lautlos, bieten eine direkte Kraftübertragung – und sind besonders wartungsarm.
Diese Vielfalt zeigt sich auch bei den Anbietern: Während mancher Motor viel Power bringt und das Fahrrad eher zum Motorrad macht, setzen andere Anbieter wiederum auf ein Fahrgefühl eines Fahrrades. So bekommen Käufer das individuell abgestimmte E‑Bike.
Fazit: Nicht nur die Geschmäcker und Geldbeutel, auch die Bedürfnisse der Kunden sind verschieden. Darauf müssen die Anbieter schnell mit Spezialisierungen reagieren.
7) Netzwerkausbau
Allerdings mussten auch viele Händler erst einmal vom E‑Bike-Trend überzeugt werden, bevor sie sich dem Thema öffneten. Das war auch mit viel Arbeit der bereits genannten Pioniere verbunden. Zwar gelten E‑Bikes im Fahrradhandel heute als Umsatzbringer, bedeuten jedoch aufgrund der Vielfalt auch einen höheren Beratungsaufwand – nicht nur zur Freude vieler Händler.
Das ausgebaute Vertriebsnetzwerk ist allerdings noch in einem weiteren Punkt wichtig: dem Service. Wartungsintervalle, Software-Updates, Fehler auslesen: Auf die Händlerschaft kamen einige neue Aufgaben zu, gegen die sie sich anfänglich teilweise stark wehrte. Bis ein funktionierendes, flächendeckendes Service- und Verkaufsnetzwerk stand, dauerte es mehrere Jahre – und bedurfte einiger Durchhaltekraft und Energie. Das Personal musste erst einmal aus- und weitergebildet werden. Das war ein hoher Aufwand, den die Fahrrad- und Antriebshersteller übernommen haben.
Fazit: Die Überzeugungsarbeit fängt im Handel an. Schulungen des Vertriebspersonals sind unerlässlich. Und auch der Service muss nicht nur an die neue Technik, sondern auch an die neue Klientel angepasst werden: Wer 10.000 Euro für ein E-Bike ausgibt und mehrere hundert Euro für die Jahreswartung zahlen muss, erwartet eine Premium-Behandlung.
8) Technischer Fortschritt
Lange Zeit hatten E-Bikes mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass die Kapazität der Akkus arg begrenzt sei und lange Touren wegen der Ladepausen sehr zeitaufwändig seinen. Dabei wurde ignoriert: Ein E‑Bike lässt sich auch ohne Akku-Unterstützung immer noch fahren und bei den meisten Touren wird die maximale Akku-Kapazität gar nicht benötigt, weil die Fahrstrecke deutlich kürzer ist.
Die Reichweitendiskussion gehört bei E-Bikes aber mittlerweile der Vergangenheit an: Neue Akku-Größen mit bis zu 750 Wattstunden ermöglichen je nach Fahrweise Fahrten über mehr als 100 Kilometer. Auch Lösungen mit Doppel-Akkus gibt es, die noch größere Reichweiten ermöglichen.
Die Elektrounterstützung brachte der Fahrradbranche zudem neue technische Möglichkeiten. Das sind Formen der Digitalisierung, indem Smartphones beispielsweise als Display für E‑Bike-Systeme genutzt werden können. Diebstahlverfolgung per GPS, Service-Termine am Display oder Software-Updates über eine App „over the Air“ – vieles ist heute möglich. Und nicht nur die E‑Bike-Hersteller, auch die Komponentenanbieter gehen die Entwicklung mit: Fernlicht, Kurvenlicht, ABS, Riemenantrieb, Getriebeschaltung – viele Ideen auch aus dem Automobilbereich wurden auf das E‑Bike übertragen, was zum Erfolg beiträgt.
Fazit: Eine neue Antriebstechnik entwickelt sich schneller als gedacht, wenn die Nachfrage erst einmal Fahrt aufgenommen ist. Das gilt beim E-Bike – wie beim E-Auto – für die Antriebe wie für die Stromspeicher.
9) Ladeinfrastruktur
Eine öffentliche E‑Bike-Ladeinfrastruktur gibt es zwar in vielen Tourismusregionen und an öffentlichen Plätzen in Großstädten. Aber groß ausgebaut ist diese noch nicht. Allerdings genießen E‑Bikes einen großen Vorteil gegenüber E‑Autos: Die Ladegeräte passen an jede herkömmliche Steckdose. Auf diesem Wege können die Akkus zuhause, in der Garage oder am Arbeitsplatz problemlos geladen werden.
Übrigens: Um Mobilität auch ohne Ladezeiten zu garantieren, versuchte sich die Fahrradbranche bereits vor Jahren an einer Lösung mit einem Wechsel-Akku-System, wie es aktuell für die Automobilbranche diskutiert wird. Der Ansatz war allerdings aus diversen Gründen nicht rentabel. Mal schauen, was die Zukunft noch bringt.
Fazit: Ohne eine vernünftiges Netz an Lademöglichkeiten wird es nichts mit der Elektromobilität.
10) Erlebnis
Über allem steht die Freude am Fahren: Der große Vorteil des E‑Bikes ist, dass die Räder nicht nur ein Verkehrsmittel sind, sondern auch in der Freizeit genutzt werden können. Für viele ist gerade der Urlaub oder die Wochenendtour mit einem E-Bike der Einstieg in die Elektromobilität. Hier hat man Zeit, etwas Neues auszuprobieren und nutzt die Räder auch einmal für Touren, die man sonst nicht gemacht hätte, etwa in die Berge. Schnell ist klar: Das möchte man dann auch zuhause erleben. Und dann stellt man fest, Radfahren ist nicht nur etwas fürs Wochenende, sondern E‑Bikes sind auch praktisch im Alltag.
Fazit: E-Bikes sind so etwas wie eine Einstiegsdroge. Wer erst einmal die Leichtigkeit des Seins, die Dynamik und die Lautlosigkeit von elektrischen Antrieben auf zwei Rädern kennengelernt hat, mag sie nicht mehr missen – und wird sich schnell auch für Elektroautos begeistern.
Mit Ergänzungen von Franz W. Rother