Mehl, Wasser, Salz und Hefe – mehr braucht es nicht, um ein Brot herzustellen. Trotz der überschaubaren Zahl der Zutaten gibt es eine Unmenge an Brot-Varianten: Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks rund 3.200 Sorten allein in Deutschland. Und keines schmeckt wie der andere.

Stellantis stellt keine Backwaren her, sondern Autos. Eine zunehmende Zahl davon fährt inzwischen elektrisch, mehr oder minder. Mit den immer gleichen Zutaten, was Plattformen, Motoren und Stromspeicher anbetrifft, aber unter ganz unterschiedlichen Verkaufsmarken. Trotzdem „schmeckt“ jedes Produkt anders – den Fahrwerksingenieuren und vor allem den Designern ist es zu verdanken, dass kein Allerleibrot entsteht, dass trotz aller Gleichteile ein Opel Corsa Electric von einem Peugeot e-208, ein Opel Mokka Electric von einem Citroën ë-C4, einem Jeep Avenger Elektro oder auch einem DS 3 E-Tense noch zu unterscheiden ist. Optisch wie geschmacklich.

Mailänder Chic 
Der vollelektrische Alfa Romeo Junior dürfte auch Frauen gut gefallen. Konzipiert wurde der Stromer als "Sport Urban Vehicle".
Mailänder Chic
Der vollelektrische Alfa Romeo Junior dürfte auch Frauen gut gefallen. Konzipiert wurde der Stromer als „Sport Urban Vehicle“.

Und das Angebot der Stromer, die in der Stellantis-Fabrik nach der gleichen Rezeptur „gebacken“ werden, wächst weiter: Seit kurzem ist mit dem Alfa Romeo Junior Elettrica auch eine italienische Mischung im Angebot – eine Art Focaccia, wenn man so will. Der Hefeteig aus der Großserienfertigung ist hier durchaus schmackhaft belegt, mit Zutaten, die man bei den verwandten Sorten im Regal so nicht findet. Kurz vor dem Jahreswechsel hatten wir Gelegenheit zu einer kleinen Kostprobe, die uns zumindest ein wenig auf den Geschmack brachte.

Hoher Aufpreis für Italien-Chic

Für Aufsehen hatte der neue Stromer schon früher gesorgt. Kurz nach der Weltpremiere im Frühjahr musste das Fahrzeug umbenannt werden. Die ursprüngliche Modellbezeichnung „Milano“ – gedacht, um den Geburtsort von Alfa Romeo zu ehren – hatte den italienischen Minister für Unternehmen und „Made in Italy“ auf den Plan gerufen. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 2003, argumentierte Adolfo Odorso, sei es unzulässig, italienische Markennamen für Produkte zu verwenden, die außerhalb des Landes hergestellt werden. Tatsächlich wird der kleine Alfa Romeo nicht in Italien, sondern aus Kostengründen im hochmodernen Stellantis-Werk im polnischen Tychy produziert. Zusammen mit dem elektrischen Fiat 600, dem Jeep Avenger und auch dem chinesischen Billig-Stromer Leap T03. Um jede Art von Kontroverse zu vermeiden, wurde der kleine Alfa daraufhin flugs umbenannt – in Junior.

"Coda Tronca" 
Die scharfe Abrisskante am Heck des Alfa Junior  soll an das legendäre Sportcoupé Giulia TZ aus den 1960er Jahren erinnern.
„Coda Tronca“
Die scharfe Abrisskante am Heck des Alfa Junior soll an das legendäre Sportcoupé Giulia TZ aus den 1960er Jahren erinnern.

Eine bessere Werbung hätte sich das Marketing eigentlich nicht wünschen können. Der Start in Deutschland verlief allerdings verhalten: Gerademal 264 Exemplare des neuen Alfa Romeo kamen in Oktober und November auf die Straße, mit einem Batterieantrieb wurden davon lediglich gut zwei Dutzend geordert. Na ja, der relativ hohe Basispreis des Vollstromers von 39.500 Euro – 10.000 Euro über dem Junior Ibrida mit Hybridantrieb und noch über 6000 Euro über einem gleich motorisierten Opel Corsa Electric in sportlicher GS-Ausführung – machen es einem Autohändler nicht unbedingt leicht, das Verkaufsgespräch auf den Elettrica zu lenken. Zumal es hierzulande derzeit kaum mehr eine Förderung der Elektromobilität gibt.

Jede Menge Alfa-Zitate

Und echte Alfisti fremdeln ohnehin mit der Antriebswende – dort hoffen die „Gusseisernen“, dass Alfa „nochmal von der E-Schiene Abstand nimmt“, wie es in einem einschlägigen Internet-Forum heißt. Dabei haben sie sich Centro Stile und bei der Abstimmung des Fahrzeugs auf dem Testgelände im norditalienischen Balocco alle nur erdenkliche Mühe gegeben, um ihrem ersten Vollstromer möglichst viel von der alten Alfa-DNA mitzugeben. An unserem unserem Testobjekt, einem 115 kW oder 156 PS starken Junior Elettrica in „Speciale“-Ausführung und mit Technologie-Paket für zusammen 44.175 Euro prangt vorne in Mattschwarz der Progresso-Scudetto – die charakteristische Kühlereinfassung aller Alfa-Fahrzeuge seit 1948.

Zentralinstrument im Fernrohr-Stil 
Das volldigitale Instrumentenpanel hinter dem sportlichen Dreispeichen-Lenkrad zitiert historische Cockpits. Der zum Fahrer hin geneigte Touchscreen über der Mittelkonsole ist vergleichsweise klein geraten. Bild: Alfa Romeo
Zentralinstrument im Fernrohr-Stil
Das volldigitale Instrumentenpanel hinter dem sportlichen Dreispeichen-Lenkrad zitiert historische Cockpits. Der zum Fahrer hin geneigte Touchscreen über der Mittelkonsole ist vergleichsweise klein geraten. Bild: Alfa Romeo

Nur dass hier hinter dem Wappenschild kein Kühler mehr liegt. Dafür fällt die Biscone, die gerade ein Kind verschlingende Schlange mit Drachenkopf und Krone, im „Progresso“-Look deutlich größer und aggressiver aus.

Auch im knapp geschnittenen Innenraum ist alles auf Sport und Angriff programmiert. Der Fahrer hockt in mit Alcantara und Kunstleder bezogenen Sportsitzen von Sabelt. Der ganze Innenraum des Junior atmet Motorsport – und Alfa Romeo: Sogar die Luftausströmer ziert die gewundene Schlange. Auch das (natürlich volldigitale) Zentralinstrument im Cannocchiale-Stil hinter dem kleinen Sportlenkrad zitiert historische Alfa-Fahrzeuge wie den legendären Spider. Es gibt Schaltwippen, mit denen sich die Rekuperation steuern lässt, eine Pedalerie in Aluminium – der Sprung in die Zukunft wird den Alfisti leicht gemacht. Wer eine akustische Untermalung der Fahrt nötig hat, wird in der (noch nicht lieferbaren) Topversion des Junior Veloce sogar einen synthetischen Motorsound über die Lautsprecher der HarmanKardon-Anlage in den Innenraum schwappen lassen können. Alles nette Spielereien, die zusammen mit dem Einheits-Brot gereicht werden.

Maximal 300 Kilometer Reichweite im Alltagsverkehr

Aber natürlich wirkt beim Junior ein Elektromotor an die Vorderachse. Und das mit einem maximalen Drehmoment von 260 Newtonmeter zugegebenermaßen ganz ordentlich. Zur Erinnerung: Der Alfa Romeo Spider Junior aus den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts musste mit deutlich weniger Power beschleunigen. Tempo 100 war damals erst nach über zehn Sekunden erreicht – der Junior Elettrica braucht dafür nun trotz eines deutlich höheren Gewichts von wenigstens 1620 Kilogramm nur neun Sekunden. Insofern kann der Premium-Stromer, den Alfa Romeo als „Sport Urban Vehicle“ klassifiziert, schon begeistern. Auf unserer kleinen Runde durch das Rhein-Main-Gebiet erfreute der in „Rosso Brera“ lackierte Testwagen auch mit einer sportlichen Straßenlage, einer präzisen Lenkung sowie kräftig zupackenden Bremsen.

Ab ins Wochenende
400 Liter fasst der Kofferraum des Junior. Das reichtfür das Gepäck von zwei Personen oder die Wochenendeinkäufe. Für einen  Frunk unter der Fronthaube war leider kein Bauraum mehr vorhanden - das Ladekabel findet sich unter dem Ladeboden. Foto: Alfa Romeo
Ab ins Wochenende
400 Liter fasst der Kofferraum des Junior. Das reichtfür das Gepäck von zwei Personen oder die Wochenendeinkäufe. Für einen Frunk unter der Fronthaube war leider kein Bauraum mehr vorhanden – das Ladekabel findet sich unter dem Ladeboden. Foto: Alfa Romeo

Der Akku (Fassungsvermögen 54 kWh, von denen 51 kWh für den Fahrbetrieb zur Verfügung stehen) war zu Fahrbeginn noch noch zu 85 Prozent gefüllt – laut Bordcomputer wären wir damit rund 300 Kilometer weit gekommen. Bei dem Testverbrauch von 20,9 kWh/100 Km wäre aber selbst bei vollem Akku schon deutlich früher eine Ladepause notwendig gewesen: Wer sich mit dem Alfa auch schon einmal auf die Autobahn begibt und dort nicht zum Verkehrshindernis werden möchte, wird zumindest unter winterlichen Bedingungen kaum weiter als 250 Kilometer kommen.

Ladeleistung ist nicht mehr zeitgemäß

Und damit wären wir bei den Schwächen, die mit der Verwendung einer Einheits-„Backmischung“ verbunden sind: Der Geschmack lässt sich leicht variieren, bei den Nährwerten sind enge Grenzen gesetzt. Wünschen würde man dem Alfa weniger als einen kräftigeren Motor denn einen gehaltvolleren Akku. Und wenn der nicht zwischen die Achsen passt, so doch zumindest einen leistungsstärkeren Onboard-Charger: Eine maximale Ladeleistung von 100 kW ist einfach nicht mehr zeitgemäß, Ladepausen von deutlich über einer halben Stunde echten Alfisti kaum zuzumuten. Bei der E-Giulia, die 2026 an den Start rollen soll, erwarten wir da deutlich mehr als Brot und Spiele.

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