Eine Kilowattstunde mehr im Akku – und schon fährt das Elektroauto 48 Kilometer weiter? Ist den Opel-Ingenieuren da ein kleines Wunderwerk gelungen? Den Eindruck muss haben, wer die technischen Daten des neuen Opel Corsa Electric studiert. Der vollelektrische Kleinwagen ist künftig in zwei Ausführungen erhältlich: in einer Normal-Version mit 100 kW (136 PS) starkem Frontantrieb – und als GS in einer „Long Range“-Version mit einem 115 kW (156 PS) starken Elektromotor. Der eine hat eine Batterie mit 50 kWh Speicherkapazität an Bord, die nach Herstellerangaben für eine Reichweite von bis zu 357 Kilometern gut ist. Das andere Modell koppelt den stärkeren Motor mit einem Akku, der 51 kWh (54 kWh) Strom speichert – und kommt damit angeblich bis zu 405 Kilometer weit. Da kann doch was nicht stimmen, oder?

„Long Range“-Version mit neuem Antrieb

Doch, das ist so korrekt, versichert uns Christian Theumer, der als Program Engineering Manager von Opel den neuen Corsa Electric mitentwickelt hat. Wir treffen ihn am Stammsitz von Opel in Rüsselsheim, wo das Facelift des Corsa und die neue Antriebsvariante vorgestellt wird – die mit den gleichen Rahmendaten auch für den Peugeot e-208, dem DS3 E-Tense, den neuen Fiat 600e oder den Jeep Avenger verfügbar ist, den Schwestermodellen aus dem Stellantis-Konzern.

Maximal mit 100 kW 
An der maximalen Ladeleistung am Schnelllader hat sich (leider) nichts geändert: Gleichstrom nimmt der Corsa electric mit maximal 100 kW auf - auch wenn die Ionity-Säule theoretisch bis zu 400 kW liefern kann. Fotos: Opel
Maximal mit 100 kW
An der maximalen Ladeleistung am Schnelllader hat sich (leider) nichts geändert: Gleichstrom nimmt der Corsa electric mit maximal 100 kW auf – auch wenn die Ionity-Säule theoretisch bis zu 400 kW liefern kann. Fotos: Opel

Die größere Reichweite sei, erklärt Theumer, zum einen einer neuen Zellchemie und einem neuen Zulieferer zu verdanken – FDB oder FinDreams Battery, der neuen Marke von BYD und FAW. Zudem sei der Akku neu „gepackt“ worden: Statt 216 braucht es nur noch 102 Zellen, statt 18 verbaut man 17 Module. Das mache den Batteriespeicher nicht nur leistungsfähiger, sondern auch um fünf Kilogramm leichter. Zusammen mit dem effizienteren neuen Elektromotor (den wir schon aus dem Opel Astra Electric kennen) senke dies den Energieverbrauch des Antriebs. Statt mit durchschnittlich 15,8 bis 16,1 kWh wie im schwächeren „Basismodell“ kommt die stärkere „Long Range“-Version im Schnitt mit 14,3 bis 14,6 kWh auf 100 Kilometer aus – und fährt mit einer Akkuladung etliche Kilometer weiter.

Erfreulich niedriger Stromverbrauch

Tja, die Evolution des Elektroantriebs hat gerade erst begonnen. In den kommenden Jahren dürften noch einige andere Verbesserungen zu erwarten sein – nicht nur bei Opel und beim Corsa Electric, dem (hinter dem Model Y von Tesla) derzeit meist verkauften Elektroauto in Europa. Und der neue Antrieb dürfte dazu beitragen, dass der Opel Corsa diese Position noch eine Weile halten dürfte. Denn der vollelektrische Kleinwagen gewinnt dadurch noch einmal deutlich an Attraktivität, wie eine anschließende Testrunde durch den Rheingau zeigte.

Neues Lenkrad 
Der "Vizor", das charakteristische Markengesicht von Opel findet sich im neuen Lenkrad des Corsa ebenso wieder wie der neugestaltete Opel-Blitz. Eine Aufwertung erfuhren aber auch die Oberflächen und Materialien im Innenraum.
Neues Lenkrad
Der „Vizor“, das charakteristische Markengesicht von Opel findet sich im neuen Lenkrad des Corsa ebenso wieder wie der neugestaltete Opel-Blitz. Eine Aufwertung erfuhren aber auch die Oberflächen und Materialien im Innenraum.

Die angebliche neue Reichweite von über 400 Kilometern konnten wir dabei zwar nicht herausfahren, aber den Normverbrauch sogar noch unterbieten: Am Ende der rund 150 Kilometer langen Tour wies der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von nur 13,5 kWh/100 Km aus – trotz phasenweise durchaus dynamischer Fahrweise im „Sport“-Modus über Landstraßen und auch die Autobahn. Knapp 380 Kilometer wären wir damit locker gekommen, im „Normal“-Modus mit leicht reduzierter Antriebspower sicher noch weiter. Eine Fahrt von Rüsselsheim zum Beispiel nach Köln und zurück sollte damit darstellbar sein. Da soll noch mal jemand behaupten, Elektroautos dieses Kalibers wären nur etwas für den Stadtverkehr.

Viel Fahrspaß im Sport-Modus

Nein, mit dem Opel Corsa Electric ist durchaus mehr drin. Zumal nicht nur der Antrieb, sondern im Zuge des Facelifts auch der Innenraum des kleinen Stromers upgegraded wurde. Im Tech-Paket für den Corsa Electric GS gibt es für einen Aufpreis von 450 Euro herrlich bequeme und rückenschonende Sportsitze – darauf lässt es sich auf einer Langstrecke wunderbar aushalten und im „Sport“-Modus viel Fahrspaß erleben. Der Antrieb reagiert schnell auf Fahrbefehle wie die Lenkung, das Fahrwerk ist sportlich-knackig, ohne allzu hart zu sein.

Chrom ist out 
400 Euro Aufpreis kostet die neue Lackierung "Grafik Grau", die für den Opel Corsa erhältlich ist. Zierelemente in Chrom sind hingegen weder für Geld noch für gute Worte erhältlich - glänzen sollen lediglich die Leuchten.
Chrom ist out
400 Euro Aufpreis kostet die neue Lackierung „Grafik Grau“, die für den Opel Corsa erhältlich ist. Zierelemente in Chrom sind hingegen weder für Geld noch für gute Worte erhältlich – glänzen sollen lediglich die Leuchten.

Zur Wohlfühl-Atmophäre in der ersten Sitzreihe tragen auch hochwertige Oberflächen, das volldigitale Cockpit, die Möglichkeit zum drahtlosen Laden des Smartphone sowie die zahlreichen Assitenzsysteme bei, die im 1050 Euro teuren Techpaket enthalten sind und die den Corsa eine Fahrzeugkategorie höher heben. Passagiere in der zweiten Sitzreihe haben allerdings nur indirekt etwas davon. Sie werden sich eher für das weiterhin eher knappe Platzangebot und den wegen der weit hinten sitzenden B-Säule etwas beschwerlichen Einstieg beklagen: Als Familienauto taugt der Corsa weiterhin nur eingeschränkt. Dafür ist der Opel Astra Electric wesentlich besser geeignet.

Testwagen so teuer wie ein Tesla

Und noch an anderer Stelle enttäuscht der elektrische Corsa etwas: an der Ladesäule. Serienmäßig ist nur ein Onboard-Charger für das einphasige Laden mit maximal 7,4 kW. Wer das Potenzial seiner Wallbox daheim ausnutzen möchte, muss 1190 Euro drauflegen, um Wechselstrom mit 11 kW laden zu können. Und an mit Gleichstrom betriebenen Schnellladesäulen sind weiterhin nur maximal 100 kW möglich – höhere Werte und kürzere Ladezeiten macht selbst die neue Zellchemie nicht möglich. Dafür ist der Preis für den Corsa GS „Long Range“ von 38.045 Euro – 3395 Euro mehr als für das Basismodell – denn vielleicht doch einen Tick zu hoch geraten. Unser vollausgestatteter Testwagen kam gar auf einen Listenpreis von über 43.000 Euro – für die gleiche Summe gibt es mittlerweile auch ein Tesla Model 3. Und da reden wir von einem Elektroauto mit über 500 Kilometer Reichweite und ganz anderem Platzangebot, Prestige und Fahrkomfort.

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2 Kommentare

  1. Jan Frank Wagner

    Dadurch, dass der Kern dieses Opels, nämlich die Batterie, von einem chinesischen Hersteller kommt, stellt sich die Frage, wie „deutsch“ die Marke überhaupt noch ist

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    • Franz W. Rother

      Na ja, die meisten Elektroautos haben Batteriezellen chinesischer Konzerne an Bord. Und das wird noch eine ganze Weile so bleiben – bis die erste Gigafactory in Deutschland in Betrieb geht. Und Opel gehört inzwischen zu einem französischen Konzern, nutzt eine Plattform von Stellantis. Deutsch sind das Design und Engineering – gebaut wird der Corsa in Saragossa. Ist also „made in Europe“.

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