Die diesjährige Jahresauftakt-Pressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) bot schon im Vorfeld genügend heiße Themen, speziell zum holprigen Ausbau der Elektromobilität in Deutschland. Eine Steilvorlage für VDA-Präsidentin Hildegard Müller, die sie ziemlich engagiert und geschickt nutzt. „Wir haben einen Paradigmenwechsel in der Industriepolitik und brauchen ein Ende der theoretischen Debatten um die Klimaziele. Es geht jetzt um die konkrete Umsetzung des Beschlossenen“, fordert sie gleich zum Auftakt. Der Fokus läge nun auf der Infrastruktur und den Rahmenbedingungen, damit die Autoindustrie ihre engagierten Ziele umsetzen könne. Klar, damit spielt sie den Ball gleich hinüber zur Politik. Andererseits, so stellt sie fest, könne auch die Autoindustrie „an einigen Stellen noch schneller werden.“
Aktuelles Hauptproblem aus Sicht des VDA: Das mangelnde Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Müller warnend: „Die Lücke wird größer, nicht kleiner. Eine Lücke, die uns den Erfolg kosten kann.“ Scheitern sei für sie aber keine Option. Denn Verbraucherinnen und Verbraucher benötigten eben dringend ausreichend Lademöglichkeiten. Derzeit teilten sich 22,8 Elektroautos – Voll- und Teilzeitstromer – einen Ladepunkt teilen. Das sei nicht akzeptabel : „Die Lücke muss also so schnell wie möglich geschlossen werden.«
Die VDA-Chefin forderte deshalb „zeitnah einen Ladegipfel, der alle Beteiligten einbezieht.“ Denn wenn Deutschland sein aktuelles, bescheidenes Ausbau-Tempo beibehalte, hätte man hierzulande 2030 gerade mal nur rund 160.000 Ladepunkte – nicht einmal ein Sechstel der angestrebten 1 Million. Zudem würden die Anforderungen an das Stromnetz durch den Hochlauf der E-Mobilität weiter steigen. Überhaupt, findet Müller, sei der Netzausbau die Grundvoraussetzung, um die Mobilität der Zukunft zu ermöglichen.
„Wir müssen unsere Rohstoff-Hausaufgaben machen“
Nächstes Problem aus VDA-Perspektive: Erneuerbare Energien würden auch für die Produktion von E-Fuels und Wasserstoff (dazu gleich mehr) benötigt – der Bedarf sei stetig wachsend. Und diese Menge könne nicht allein in Deutschland hergestellt werden, so Müller. „Deutschland braucht daher engagierte Programme für Energie- und Rohstoffpartnerschaften, eine aktive Rohstoffaußenpolitik – eine Außenpolitik, die sich auch als Klimapolitik versteht.“ Genau, eine direkte Flanke Richtung Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Mit Müllers recht nachdrücklicher Forderung: „Wir müssen unsere Rohstoff-Hausaufgaben machen!“
Müllers große Sorge: „Die Märkte werden aktuell weitgehend ohne uns verteilt.“ Deutschland müsse hier schneller aktiv werden und strategisch vorgehen, fordert sie. Ebenso bei der Digitalisierung. Der internationale Wettbewerb sei auch hier enorm, und Deutschland könne sein Potential für künftiges autonomes Fahren nicht entfalten, da es immer noch kein flächendeckendes 5G-Netzwerk bei uns gäbe.
220 Milliarden Euro für die Forschung
Wenn der Ausbau der digitalen Infrastruktur nicht beschleunigt wird, fällt der deutsche Standort international zurück, befürchtet Müller deshalb. Und mehr Engagement will sie auch beim Ausbau der Halbleiter- und Batterieproduktion: „Wenn Deutschland auch Weltmarktführer der Zukunft sein will, dann braucht es jetzt den Aufbau von Halbleiter-Fabriken“. Dito im Batteriebereich: Erste Planungen zum Ausbau der Batterieproduktion in Deutschland und Europa existierten ja bereits. Wichtig sei jedoch die zeitnahe Umsetzung der Planungen, damit die Wertschöpfung für die Automobilindustrie in Europa gehalten werden könne.
Und sie hatte zur deutschen Autoindustrie auch gleich aktuelle Zahlen. Die sei bekanntlich ein Treiber der Transformation und investiere allein bis 2026 rund 220 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Hinzu kämen noch die Ausgaben für den Um- und Neubau von Werken. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland, so Müller, „steht in Verbindung zu unserer Industrie.“
Zudem müsse man nun dringend mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung der von der Transformation besonders gebeutelten deutschen Zulieferer-Industrie geben. Andererseits würden die Zulieferer zum Beispiel jetzt auch profitieren, wenn sich „ein großer amerikanischer Hersteller“ auf dem deutschen Markt ansiedle. Richtig, damit weist Hildegard Müller diskret auf das gigantische Tesla-Werk bei Berlin hin, bei dem deutsche Zulieferer ziemlich gut im Geschäft sind.
Ohne E-Fuels seien die Klimaziele nicht zu erreichen
Beim Thema E-Fuels allerdings bleibt sie klar bei der bisherigen Position. „Ohne die können unsere Klimaziele nicht erreicht werden“. Nein, das sei kein Ablenkungsmanöver, da sprächen einfach die Fakten für sich. Schließlich würden in Deutschland 2030 noch 30 Millionen Pkw mit Benzin- und Dieselmotoren unterwegs sein. Da müsse dieser Bestand bitteschön einfach mitgedacht werden: „Wir können nicht immer nur auf die Neuwagen-Zulassungen schauen.“ Und bei den Nutzfahrzeugen käme, auch hier bleibt Müller bei der hinlänglich bekannten VDA-Argumentation, „nach wie vor der Wasserstoff, die Brennstoffzelle ins Spiel.“. Da entscheide der Markt, was die bessere Technologie sei – und nicht die Politik.
Ungewohnt häufig kommt sie dann auf das Thema der „sozialen Flankierung« der Elektromobilität zu sprechen. Mobilität müsse für alle Menschen zugänglich und bezahlbar sein, damit der gesellschaftliche Rückhalt langfristig gesichert sei. Sie versprach, dass die Anschaffungskosten für Elektroautos auf Dauer niedriger sein würden als die für Verbrennermodelle. Deshalb müsse auch das Förderprogramm für Wallboxen neu aufgelegt werden. Ebenso sei die Verlängerung der Innovationsprämie ein wichtiges Thema: „Für unsere Elektroauto-Ziele ist definitiv noch eine Förderung notwendig.“ Wie lange noch, ließ sie offen. Und in diesem Zusammenhang sei zur sozialen Abfederung auch „eine realitätsnahe Anpassung“ der Pendlerpauschale notwendig. Verkehrsmittelunabhängig, also auch für ÖPNV-Nutzer und Fahrradfahrer.
„Energie kann nicht weiter so verteuert werden“
Auf Nachfrage ging sie auch auf die teilweise extremen Strompreise an den Ladesäulen ein: „Energie kann nicht weiter so verteuert werden.“ Deutschland brauche flächendeckend einfache, kompatible und transparente Lademöglichkeiten. Klar, der VDA („Das war ja auch eine Forderung von uns“) sei für die Abschaffung der EEG-Umlage. Und Müller plädiert angesichts der Explosion der Energiekosten gleich noch für eine Senkung der Stromsteuern auf das EU-Minimum. „Das würde den heutigen Haushaltsstrompreis um weitere sechs Prozent senken“, rechnet sie vor. Und verspricht, dass man beim VDA die Lebensrealität der Menschen ernster nehmen werden werde. „Dazu müssen wir auch mal unsere persönlichen Komfortzonen verlassen, den Leuten zuhören und alte Gräben überwinden.“
Im Rahmen der Pressekonferenz verkündet VDA-Volkswirt Manuel Kallweit auch gleich die Marktprognose des VDA: „Für das Jahr 2022 erwarten wir für den Pkw-Weltmarkt mit einem Plus von 4 Prozent ein ähnliches Wachstum wie 2021.“ Damit würde im Jahr 2022 der Höchststand des Pkw-Weltmarktes aus dem Jahr 2017 immer noch um knapp 13 Prozent unterschritten. Die Märkte in den Vereinigten Staaten und China dürften um 2 Prozent zulegen, Europa sei noch deutlich vom Vorkrisenniveau entfernt und könnte, unter anderem bedingt durch Nachholeffekte, um 5 Prozent zulegen. Für den deutschen Markt erwartet der VDA für 2022 ein Wachstum von 7 Prozent auf 2,8 Millionen Pkw, für die Inlandsproduktion 3,5 Millionen Einheiten. Letzteres wäre ein Plus von 13 Prozent, entspräche aber nur dem Produktionsniveau von 2020.
750.000 Elektroautos in 2022 erwartet
Stichwort Elektromodelle. Im letzten Jahr wurden bei uns 680.000 Elektroautos verkauft. Und für 2022 rechnet der VDA hierzulande mit 750.000 Exemplaren. Auf Nachfrage von EDISON, gab es dann die Auskunft, dass etwa die Hälfte davon vollelektrische Modelle sein dürften.
Und was sagt der VDA zur SUV-Schwemme, also den hochbeinigen, schweren, eher ineffizienten Volllstromern? Da argumentiert Müller eins zu eins wie die deutsche Autoindustrie: „Wir können den Verbrauchern nicht vorschreiben, welches Auto sie wählen sollen.“ Immerhin, das lässt sich sich dann doch entlocken, „sollten die Käufer erst einmal ihr eigenes Nutzungsverhalten prüfen und dann entscheiden.“ Und generell, interessanter Punkt, offeriert sie zum großen Thema der Transformation im Namen des VDA auch „ein Gesprächsangebot an diejenigen, die andere Auffassungen haben.“ Nötig sei ein „friedlicher Dialog zur Suche nach Lösungen“ – und ganz frei von irgendwelchen Dogmen.
Ja, dann macht doch mal. Da ist so halb gescheitertes Startup, das baut die Dinger selber. Fragt doch da mal nach … vielleicht lassen die Euch laden 😎