Im kommenden Jahr bringt Bentley mit einem kleinen Bruder des Bentayga sein erstes Elektromodell auf den Markt. Mit deutlicher Verspätung zu dem Rolls-Royce Spectre, aber wohl zeitgleich mit dem ersten vollelektrischen Jaguar. Die Konzeptstudie des EXP 15 zeigt mit imposanten Formen und dem neuen Markensignet einerseits die elektrische Bentley-Zukunft auf. In erster Linie ist es jedoch ein erstes Ausrufezeichen aus dem neuen Designcenter der Briten, die seit 1998 unter dem Regiment des Volkswagen-Konzerns stehen.

Der über fünf Meter lange EXP 15 soll – wenn man einmal vom Elektroantrieb absieht – an das „Speed Six Sportsman„-Coupé von 1930 erinnern, das unter Bentley-Fans als „Blue Train“ bekannt ist. Mit dem Fahrzeug trug damals der Rennfahrer und Bentley-Chef Woolf Barnato ein Rennen mit dem Luxus-Expresszug „Le Train Bleu“ von Cannes nach Calais aus. Absicht war, den Ruf der Eisenbahn als schnellstes Mittel der Personenbeförderung zu erschüttern. Und das gelang: Bernato war bereits wieder in London noch ehe der Zug Calais erreicht hatte.

Mit seinem coupéhaften Fließheck, der steil stehenden Front mit dem stilisierten „Kühlergrill“ und den großen Rädern im Speichendesign weist der EXP 15 gewisse Parallelen zum historischen Vorbild auf. Ansonsten kommt das dreitürige „Vision Car“ aber sehr futuristisch daher. Auch im Innenraum, der für den luxuriösen Transport von drei Personen und einem Hund konzipiert ist.

Neuinterpretation einer Luxus-Limousine

Dass dieses extravagante Konzept den Sprung in die Serienfertigung schafft, ist allerdings kaum anzunehmen. Chefdesigner Robin Page macht keinen Hehl daraus. „Das Schöne an einem Konzeptfahrzeug ist nicht nur, dass es unsere neue Designsprache positioniert, sondern auch, dass es zeigt, wohin sich der Markt entwickelt.“ Derzeit dominierten SUVs den Markt. Und Bentley kenne aufgrund der Erfahrungen mit dem Continental GT den Markt für Sportcoupès sehr gut. „Das schwierigste Marktsegment ist die Limousine, weil es sich rasant verändert“, weiß der frühere Volvo-Designer. „Einige Kunden wünschen sich eine klassische Drei-Box-Limousine, andere ein Ein-Box-Design – und wieder andere etwas Erhabenes.“

Allen kann man es nicht recht machen. Das Bentley-Team versucht deshalb – ähnlich wie Jaguar – eine Neuinterpretation der Fahrzeuggattung. So bietet der EXP 15 auf der Fahrerseite nur einen Einstieg – zwei Türen gibt es nur gegenüber für die Fondpassagiere. Um ihnen den Einstieg zu erleichtern, lässt sich das Panoramadach partiell öffnen. Der Beifahrerplatz bleibt frei – um dort beispielsweise einen Hundekorb montieren zu können. Im Fond schwelgen die Passagiere im Luxus. Einer der Sitze dort lässt sich um 45 Grad nach außen drehen, um den Ausstieg zu erleichtern. Wer will, kann die Fußraum-Fußstützen in den Boden klappen, um den Raum für kleine Gegenstände zu nutzen, ohne den Kofferraum öffnen zu müssen. Zudem kann das Cockpit seine Oberfläche wechseln: Technik-Nerds erhalten eine voll digitale Benutzeroberfläche, Traditionalisten eine klassische Gestaltung mit feinporigem Holzfurnier.

PPE-Plattform des Volkswagen-Konzerns macht’s möglich

Über die technischen Finessen des neuen Luxus-Stromers verliert Bentley hingegen derzeit noch nicht allzu viele Worte. Angaben zu Antriebsleistung, Batteriekapazität oder Ladeleistung macht Bentley noch nicht. Technisch dürfte der Bentley aber auf der neuen Premium Platform Electric (PPE) des Volkswagen-Konzerns aufbauen, die unter anderem der neue vollelektrische Porsche Cayenne nutzen wird. Dort mit Antriebsleistungen von über 552 kW oder 750 PS, Reichweiten von über 500 Kilometern und – dank 800-Volt-Architektur – Ladeleistungen von bis zu 270 kW. Der neue Bentley wird da sicher noch einiges mehr bieten müssen, um den Rolls-Royce Spectre zu überflügeln, aber auch den neuen Herausforderern aus China Paroli bieten zu können.

(Mit Ergänzungen von Franz Rother)