Die bei Dacia nehmen den Mund ganz schön voll. Der Dacia Spring Electric „begeistert mit urbanem Stil, hoher Reichweite und elektrisierendem Fahrspaß“, werben sie gerade. Vor allem in der neuen Version „Extreme 65“ – der Modellvariante mit 65 statt mit 45 Pferdestärken wie in der Basisversion „Essential“. Das kleine Auto ist, wenn man so will, die „Eintrittskarte in die Elektromobilität“ (Dacia-Werbung) mit Goldrand. Oder mit Kupferrand, um ganz genau zu sein. Denn zur besseren Unterscheidung der beiden Modelle hat Dacia dem Spring Extreme ein paar Zier-Elemente in der Farbe des Halbedelmetalls mitgegeben. An der (nicht tragfähigen) Dachreling, in der Frontschürze und an den Außenspiegeln – bei Cupra in Spanien fahren sie bekanntlich auch ganz gut damit.

Bedingt geländetauglich 
Dacia vermarktet den Spring zwar als SUV. Aber abseits befestigter Straßen tut sich der kleine Fronttriebler schwer.
Bedingt geländetauglich
Dacia vermarktet den Spring zwar als SUV. Aber abseits befestigter Straßen tut sich der kleine Fronttriebler schwer.

Das sieht ganz hübsch aus. Doch blenden lassen sollte man sich davon allerdings nicht. Ebenso wenig wie vom „ausdrucksvollen SUV-Stil“, in dem der kleine Stromer daherkommt. Denn der Dacia Spring ist auch in der Extreme-Version mehr Schein als Sein – lautet unser Fazit nach gut einer Woche mit Deutschlands derzeit preisgünstigstem Elektroauto. Fahrspaß erlebt man damit lediglich im Stadtverkehr und bei Wendemanövern, Komfort aufgrund eines schwammigen Fahrwerks nur in Maßen. Auch der Einstiegspreis relativiert sich sehr schnell: Für 24.550 Euro (vor Abzug des Umweltbonus) kriegt man auf dem Gebrauchtwagenmarkt derzeit bessere Elektroautos, die mehr Fahrfreude und eine höhere Alltagstauglichkeit bieten. Wie einen BMW i3, einen Nissan Leaf oder beispielsweise auch eine Renault Zoe.

Dacia verdient mit dem Spring ordentlich Geld

Ja, der Basispreis ist auf den ersten Blick natürlich verlockend: Aktuell sind hierzulande für den Dacia Spring Extreme 65 lediglich 17.372 Euro zu entrichten – den Rest (7.178 Euro) schießen der Steuerzahler und der Hersteller zu. Zumindest noch bis zum Jahresende. 2024 schrumpft die Förderung auf 4500 Euro, steigt mithin die Finanzierungssumme auf rund 20.000 Euro. Das wären dann aber immer noch über 10.000 Euro mehr, als der chinesische Hersteller Dongfeng für das (annähernd) für das gleiche Modell in seinem Heimatland aufruft.

In der Deutschland-Zentrale war deshalb bei der Markteinführung 2021 ernsthaft diskutiert worden, das Modell zum Hammer-Preis von 9.990 Euro anzubieten. Doch die Konzernzentrale in Paris legte damals gegen die Pläne ihrer deutschen Vertriebler ein Veto ein – und erfreut sich seitdem über die Gewinne, die der Bonsai-Stromer auch in Deutschland einfährt. Immerhin wurden hierzulande inzwischen über 25.000 Exemplare verkauft. Zu 93 Prozent übrigens an Privatkunden, die sich von dem vergleichweise günstigen Basispreis locken ließen.

Aufpreis lohnt kaum 
Für 800 Euro gibt es einen CCS-Ladeanschluss. Gleichstrom fließt darüber allerdings nur mit 30 kW in den kleinen Akku.
Aufpreis lohnt kaum
Für 800 Euro gibt es einen CCS-Ladeanschluss. Gleichstrom fließt darüber allerdings nur mit 30 kW in den kleinen Akku.

Aber wir wollen den kleinen Spring hier nicht in Grund und Boden schreiben. Für eine elektromobile Grundversorgung ist der 3,73 Meter lange 2+2-Sitzer mit einer Zuladung von nur 320 Kilogramm durchaus geeignet. Und als Pendlerfahrzeug ist der Dacia mit seinem vergleichsweise kleinen Akku (Netto-Kapazität: 26,8 kWh) durchaus geeignet, wenn der Arbeitsplatz nicht weiter als 70 Kilometer entfernt ist oder es dort eine Möglichkeit zum Nachladen gibt. Bei eingeschalteter Klimaanlage und Befahrung der Autobahn mit mehr als 100 Sachen – bis zu 125 km/h sind drin – könnten sonst bei einem Durchschnittsverbrauch um die 17 kWh/100 km wie in unserem Kurztest Reichweitenängste aufkommen.

Gleichstrom-Laden mit maximal 30 kW

Für einen Aufpreis von 800 Euro könnte man sich zwar einen CCS-Schnellladeanschluss einbauen lassen. Doch aufgrund einer maximalen Ladeleistung von nur 30 (!) kW dauert es auch damit fast eine Stunde, bis der Akku wieder voll ist. Ohne den CCS-Anschluss bräuchte es allerdings einen Arbeitstag oder eine Nachtruhe von wenigstens acht Stunden, bis der Stromspeicher wieder komplett gefüllt ist: Wechselstrom nimmt der Onboard-Charger nur einphasig mit 3,2 kW auf. Beim Renault Zoe sind es beispielsweise bis zu 22 kW.

Auch an anderen Stellen merkt man schnell, dass der Dacia Spring als City-SUV zwar durchaus modern aussieht, aber technisch eher von gestern ist. Gestartet wird der Antrieb tatsächlich noch mit einem Dreh am Zündschlüssel. Um anschließend tatsächlich loszurollen, muss erst am Drehschalter auf der Mittelkonsole die Fahrtrichtung gewählt und dann auch die mechanische (!) Handbremse gelöst werden. Und die Reihenfolge ist penibel einzuhalten. Sonst kann es schon mal etwas länger dauern, bis der Spring auf die Straße rollt.

Nach Altväter Sitte 
Der Dacia Spring wird noch mit einem Zündschlüssel gestartet und mit einem mechanischen Handbremshebel ausgeliefert.
Nach Altväter Sitte
Der Dacia Spring wird noch mit einem Zündschlüssel gestartet und mit einem mechanischen Handbremshebel ausgeliefert.

Innerhin gibt es sechs Airbags, auch USB-Steckdose zum Laden des Smartphones – nur keine Halter dafür. Moderne Elektroautos arbeiten auch für den Fahrer eine Ladestrategie aus und weisen automatisch zur nächstgelegenen Ladestation, wenn der Energievorrat zur Neige geht. Beim Spring ist da noch echte Handarbeit angesagt. Auch bei den Assistenzsystemen gibt es große Lücken. Ein Spurhaltesystem fehlt ebenso wie ein Abstandsradar, weshalb dem Modell beim Euro NCAP-Test nur einer von fünf möglichen Sternen zuerkannt wurde.

Das alles sollte im Hinterkopf haben, wer sich, vielleicht angelockt durch die Werbung, für das erste Elektroauto von Dacia gedanklich erwärmt. Vielleicht kommt er dann ja zu dem Schluss, besser noch ein wenig zu warten: Für 2024 hat Konzernchef Luca de Meo einen neuen preiswerten Elektro-Kleinwagen von Dacia angekündigt.

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