Auf der Brennerautobahn herrscht Alarmstufe rot. Eine riesige weiße Wolke umhüllt einen mächtigen 40-Tonner von Mercedes-Benz. Gefahr ist im Verzug – könnte man meinen. Manche der Autofahrer sehen sich vermutlich schon in einem Megastau stecken. Doch der Schein trügt. Die vermeintliche Rauchwolke ist nichts anderes als Wasserdampf, der entsteht, wenn eine Brennstoffzelle unter Last arbeitet. „Mich fragten schon des Öfteren Autofahrer, ob bei dem Lkw etwas kaputt sei“, erzählt Felix Kauffmann, Software-Entwickler von Daimler Truck lachend.

Dass sich die Brennstoffzelle so müht, verwundert nicht. Der Brenner stellt eine große Herausforderung für alle Brummis dar, egal ob sie mit Diesel betrieben werden, batterieelektrisch oder mit Brennstoffzelle unterwegs sind. Schließlich klettern die Laster bis auf eine Höhe von 1.560 Metern, überwinden dabei rund 760 Höhenmeter bei Steigungen von bis zu 6,1 Prozent. Auch die Effizienz leidet in den Alpen.

Härtetest auf dem Brennerpass
Klettern stresst eine Brennstoffzelle. Deshalb gibt es bei dem Mercedes-Benz GH2-Truck auch vier Kühlkreisläufe .
Härtetest auf dem Brennerpass
Klettern stresst eine Brennstoffzelle. Deshalb gibt es bei dem Mercedes-Benz GH2-Truck auch vier Kühlkreisläufe.

„1.000 Höhenmeter kostet bei voller Beladung schon mal fünf Kilogramm Wasserstoff“, rechnet der Techniker vor. Die Daimler-Truck-Truppe wagt sich aus gutem Grund auf die bekannte Nord-Süd-Verkehrsader: Das Klettern stresst die Brennstoffzelle. Deshalb gibt es bei dem Mercedes-Benz GenH2-Truck vier Kühlkreisläufe: Drei mit Wasser und einem aus Öl für die 70-Kilowattstunden-Batterie (50 kWh netto). So umspült die Flüssigkeit die einzelnen Energiezellen.

Akkus springen ein, wenn es heiß wird

Das Brennstoffzellensystem des GenH2 Truck liefert 2 mal 150 kW, die Akkus temporär bis zu 400 kW. Bei der Batterie kommen andere Zellen als beim e-Actros zum Einsatz, die schneller Energie speichern und abgeben können. Das ist nötig, da die Akkus ähnlich wie bei einem Hybridantrieb beim Verbrennungsmotor einspringen müssen, wenn die Leistung der Brennstoffzelle aufgrund der Hitzeentwicklung unter Last reduziert werden muss. Die Kühlung ist ohnehin ein großes Thema. Wenn die beiden großen seitlichen Lüfter ihre Arbeit aufnehmen, dringt ein deutliches wahrnehmbares Brummen in die Fahrkabine, untermalt vom hochfrequenten Surren des Turboladers, der die Luft für die Brennstoffzelle verdichtet.

Wasserstoff vorzugsweise flüssig 
Der Prototyp des GenH2-Truck wird wegen des höheren Energiegehalts mit Flüssigwasserstoff betankt. Fotos: Daimler Truck
Wasserstoff vorzugsweise flüssig
Der Prototyp des GenH2-Truck wird wegen des höheren Energiegehalts mit Flüssigwasserstoff betankt. Fotos: Daimler Truck

Der Antrieb hat genug Power für den 40-Tonner. Zwei E-Achsen schaffen jeweils 230 kW / 313 PS Dauerleistung (330 kW / 449 PS maximal) dazu kommen zwei Brennstoffzellen mit je 150 kW / 210 PS. Das maximale Drehmoment der beiden Elektro-Motoren beläuft sich auf maximal 2.071 Newtonmetern pro E-Maschine. „Die 380 kW / 517 PS eines klassischen Diesel-Trucks schaffen wir locker“, grinst Felix Kauffmann während der Wasserstoff-Laster die Passhöhe erklimmt. Wie groß die Kraft des Brennstoffzellen-Trucks ist, merken wir, als wir ohne Anhänger unterwegs sind und auf regennasser Fahrbahn die Räder durchdrehen.

Flüssig-Wasserstoff ist der Favorit

Daimler Truck setzt aufgrund des höheren Energiegehalts von etwa 70 kg/m3 hauptsächlich auf flüssigen Wasserstoff, entwickelt aber auch Trucks mit gasförmigem Wasserstoff weiter, um für jeden Markt die passende Lösung parat zu haben. Die Nutzfahrzeugsparte von Great Wall Motor in China tut es den deutschen Nutzfahrzeugspezialisten gleich. Der chinesische Autobauer nimmt rund eine Milliarde Euro in die Hand und testet bereits 200 Brennstoffzellen-Trucks, die mit flüssigem Wasserstoff betankt werden.

Nadelöhr Infrastruktur
Batteriebetriebenen Lastzügen fehlt es im Fernverkehr an Megawatt-Ladestationen, Trucks, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, fehlt es an Wasserstoff-Tankstellen: Die Dekarbonisierung des Nutzfahrzeugverkehrs steckt noch in den Anfängen.
Nadelöhr Infrastruktur
Batteriebetriebenen Lastzügen fehlt es im Fernverkehr an Megawatt-Ladestationen, Trucks, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, fehlt es an Wasserstoff-Tankstellen: Die Dekarbonisierung des Nutzfahrzeugverkehrs steckt noch in den Anfängen.

Die Konzentration auf flüssigen Wasserstoff hat gute Gründe: Neben der deutlich größeren Reichweite, die diese Variante offeriert, ist das chemische Element im flüssigen Zustand leichter zu transportieren, auch wenn die Temperatur in den Tanks rund minus 250 Grad betragen muss. Unterm Strich ist die Energiebilanz laut Daimler Truck beim gasförmigen und beim flüssigen Wasserstoff identisch, da das Gas immer wieder umgetankt und unter Druck gesetzt werden muss. Zwei Tanks mit je 40 Kilogramm Inhalt bringen den Brummi rund 1.000 Kilometer weit.

Flaschenhals Infrastruktur

Bis die Wasserstoff-Lkws mit dem Stern im Unterschied zu den Modellen etwa von Hyundai oder Nikola erst in der zweiten Hälfte der Dekade auf den Straßen rollen, ist noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten. Die Isolierung der Tanks muss noch besser werden. Durch die Temperaturunterschiede erwärmt sich noch zu viel flüssiger Wasserstoff zu Dampf, der dann verbraucht werden oder abgelassen werden muss, damit der Druck in den Behältern nicht zu groß wird. Auch bei der Infrastruktur schaut es noch ziemlich mau aus – die für Flüssigwasserstoff steckt allerdings ebenso noch in den Kinderschuhen wie die für das Megawatt-Laden von Batterielastern. Bis zur Serienreife müssen zudem die Prozesse für die Herstellung von Wasserstoff noch optimiert werden: Es gibt noch viel zu tun.

Der Kunde entscheidet 
Mit welcher Technik Schwerlaster in Zukunft betrieben werden, scheint noch völlig offen. Daimler Truck will für jeden Zweck die passende Lösung anbieten können und fährt deshalb mehrgleisig.
Der Kunde entscheidet
Mit welcher Technik Schwerlaster in Zukunft betrieben werden, scheint noch völlig offen. Daimler Truck will für jeden Zweck die passende Lösung anbieten können und fährt deshalb mehrgleisig.

Dass der flüssige Wasserstoff aufgrund der aufwendigen Herstellung im Vergleich zur batterieelektrischen Variante eine schlechtere energetische Bilanz hat, wissen auch die Daimler-Truck-Strategen. Doch das Comeback des chemischen Elements gründet sich auf die Tatsache, dass es als Energieträger geeignet ist und dann hergestellt werden kann, wenn der Strom im Überfluss vorhanden ist. Für Daimler Truck ist die maßgeschneiderte Transportlösung die oberste Maxime. Batterieelektrisch wenn möglich, aber eben auch Wasserstoff als mögliche Alternative für den Langstreckenverkehr.

Aufgrund der größeren Reichweite geben H2-Trucks Transportunternehmern ein Plus an spontaner Flexibilität. Lange Ladezeiten können die nicht gebrauchen. Doch entscheidend wird sein, was die Kunden wünschen. Wichtig wird auch sein, dass sich das Fahrzeug in maximal fünf Jahren amortisiert, damit das Geschäftsmodell der Logistiker aufgeht.

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1 Kommentar

  1. Jürgen Baumann

    Egal ob flüssig oder gasförmig. Das wird nichts. Die Zulassungen von elektrischen Lastwagen sprechen eine deutliche Sprache.

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