Die „Göttin“ schlug ein wie eine Bombe. Damals, vor bald 70 Jahren auf dem Pariser Autosalon. Die für die damalige Zeit sehr flache, viel zu lange geratene Motorhaube, das kurze Stummelheck sowie eine Menge neumodischer Spielereien versetzten das Publikum ebenso in Verzücken wie die Lackierungen, die sich die Designer für die Markteinführung des DS19 von Citroën einfallen lassen. Apfelgrün oder Vanille-Cremeweiß mit einem Dach in Aubergine-Violett. Spontan entschlossen sich an dem Tag der Weltpremiere 12.000 Franzosen, eine Million Francs für das Auto auszugeben. Als die Autoshow die Pforten schloss, hatte Citroën 80.000 Kaufverträge für die „Déesse“ abgeschlossen.
Ob sich die Erfolgsgeschichte wiederholt? Darauf hoffen sie natürlich bei DS Automobiles in Paris, der inzwischen von Citroën abgespaltenen Luxusmarke des Stellantis-Konzerns. Der DS „Numéro Huit“ (Nummer Acht) der jetzt der Welt vorgestellt wurde und im kommenden Sommer in den Handel kommt, soll als neues Flaggschiff der jungen Marke einen grandiosen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft schlagen – und in Sachen Komfort und Eleganz an das Erbe der DS von 1955 anknüpfen.
„Der DS No.8“, sagt DS-Chefdesigner Thierry Metroz, „vereint das Beste aus zwei Welten: Charisma mit einer starken Identität an Fahrzeugfront und Heck sowie Eleganz, die durch das Fastback-Profil mit einer in die Heckklappe auslaufenden Dachlinie betont wird.“ Und damit niemand zweifelt, dass es sich bei dem 4,82 Meter langen Elektroauto um ein Luxusprodukt handelt, hat er dem Showcar auch eine edle Zweifarblackierung gegönnt: Die schwarze Fronthaube und das gleichfarbige Dach sind von der bronzefarbenen Karosserie durch eine exklusive Laser-Gravur getrennt – auch so was hat die Welt angeblich noch nicht gesehen.
400-Volt-Bordnetz aus Kostengründen
Keine Frage: Mit der Nummer Acht schlägt DS Automobiles ein neues Kapitel auf. Elektrisch unterwegs ist die französische Marke, die 2014 vom inzwischen geschassten Konzernchef Carlos Tavares in die Selbstständigkeit entlassen wurde, zwar schon länger. Aber überwiegend teilelektrisch. Und das erste vollelektrische Auto der Marke, der DS3 e-tense, sah weder besonders elegant aus noch war (und ist) es technisch besonders avantgardistisch. Denn der pummelige Mini-SUV schleppt noch zu viele Altlasten aus der Benzinerwelt mit sich herum.
Den DS Nummer Acht hingegen gibt es ausschließlich mit Batterieantrieb. Das Fahrzeug nutzt dafür die neue STLA Medium-Plattform von Stellantis, auf der auch der neue Opel Grandland sowie die Peugeot-Modelle E-3008 und E-5008 aufbauen. Später werden sie auch der Lancia Gamma (ab 2026) und der Nachfolger des Alfa-Romeo Tonale (ab 2027) nutzen. Aus dem Grund wird der DS auch nicht in Frankreich, sondern im süditalienischen Melfi gebaut.
DS Numéro Huit
Antrieb: Vollelektrisch, Vorder- und Allradantrieb;
Leistung: 169 kW (230 PS)/ 180 kW (245 PS) mit Frontantrieb, 257 kW (350 PS) mit AWD;
Batteriekapazität: 74 kWh oder 97,2 kWh;
Reichweiten: 572-750 Kilometer;
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h;
Länge/Höhe/Breite (in Meter): 4,82/1,58/1,90;
Markteinführung: Sommer 2025.
Die neue Plattform ist aus Kostengründen – leider – auf 400 Volt ausgelegt, was die Ladeleistung begrenzt: Gleichstrom nimmt der Nummer Acht mit maximal 160 Kilowatt (kW) auf, Wechselstrom zunächst mit 11 kW. Später sollen optimal auch 22 kW drin sein. Aber allzu häufig muss die Schräghecklimousine ohnehin nicht angesteckt werden. Denn dank eines exzellenten Luftwiderstandsbeiwerts von 0,24 und Batteriekapazitäten von 74 und 97,2 kWh kommt der Stromer auf Reichweiten zwischen 572 und 750 Kilometer nach der WLTP-Verbrauchsnorm.
Französischer Reisekomfort
Angeboten wird das Modell mit Vorder- und Allradantrieb in drei Leistungsstufen: 191, 206 und 276 kW, was bis zur Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h eine durchaus dynamische Fortbewegung erlaubt: Der Sprint auf Tempo 100 gelingt der Topversion in 5,4 Sekunden. Allerdings ist der DS Nummer Acht nicht als Sportwagen, sondern als komfortable Reiselimousine ausgelegt. Dank 2,90 Meter Radstand mit üppigem Platz im Innenraum und einem Gepäckvolumen von 560 Litern. Und einem Fahrwerk, das dank „Active Scan Suspension“ (fast) an die Hydropneumatik der seligen Göttin heranreichen soll: Mit einer Kamera, vier Lagesensoren und drei Beschleunigungsmessern analysiert das aktive Dämpfungssystem im Millisekunden-Takt den Zustand der Fahrbahn und regelt die Wirkung der Stoßdämpfer über ein Magnetventil. Damit haben sich die DS-Ingenieure wirklich viel Mühe gegeben.
Mit ähnlicher Intelligenz wird der Allradantrieb gesteuert – um maximale Antriebswirkung zu erzielen oder die Energieverbräuche zu minimieren. „French Art of Travel“ – französischen Reisekomfort – sollen zudem bequeme, vielfältig klimatisier- und verstellbare Sitze vermitteln, die vorne sogar über einen Nackenwärmer verfügen: In der kalten Jahreszeit wird den Insassen auf Wunsch ein warmer Luftstrahl sanft in den Halsbereich gepustet. Zudem wurde der Innenraum aufwändig gedämmt, damit keinerlei störende Geräusche an die Insassen dringen.
Kaufpreis bleibt noch Betriebsgeheimnis
Serienmäßig sind für ein entspanntes Reisen eine Vielzahl von elektronischen Heinzelmännchen an Bord, die unter anderem einen halbautomatischen Spurwechsel auf der Autobahn ermöglicht: Der Fahrer muss dazu nur kurz den Blinker betätigen. Ein spezielles System verhindert sogar, dass ein schläfriger Pilot Fahr- und Bremspedal verwechselt. Künstliche Intelligenz ist ohnehin an Bord, ebenso wie ein smarter Ladeplaner, der auch die Vorkonditionierung der Batterie vor einer Ladepause übernimmt.
So weit, so gut, so zeitgemäß. Nummer Acht bringt viele gute Voraussetzungen mit, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Interessant wäre noch zu erfahren, was der Spaß kostet. Aber in dem Punkt hält sich DS noch vornehm zurück. Umgerechnet 12.350 Euro kostete „La Déesse“ bei ihrer Weltpremiere 1955. Nach heutiger Kaufkraft würde das inem Betrag von etwa 60.000 Euro entsprechen – das könnte in etwa hinkommen.