Noch verfügt gerade mal ein Prozent der in Deutschland zugelassenen LKW über einen Elektroantrieb. Experten bereiten sich dennoch auf einen weiteren Hochlauf vor. Schließlich hat die EU-Kommission auch den Herstellern schwerer Nutzfahrzeuge CO2-Flottenzielwerte gesetzt, die ohne einen großen Anteil von Elektro-Lastern kaum zu erreichen sind. Im Blick haben die Experten dabei vor allem, welche Hemmnisse aktuell dem Aufbau einer Ladeinfrastruktur für LKW entgegen stehen. Dazu traf sich seit Sommer 2021 im Auftrag des Bundesverkehrsministerium mehrfach eine Task Force „Backcasting – Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge“. Rund 40 Unternehmen sowie die staatliche NOW GmbH und die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur waren an der Bestandsaufnahme beteiligt.
Task Force sieht acht große Herausforderungen
Die Runde identifizierte dabei acht Herausforderungen, die den Aus- und Aufbau der Ladeinfrastruktur für LKW erschweren. Die größte ist die Knappheit von Flächen entlang von Autobahnen. Die sorgt heute schon dafür, dass Fernfahrer auf ihrer Fahrt durch Deutschland große Probleme haben, einen Stellplatz für ihr Fahrzeug zu finden, um die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten zu absolvieren. Die Task Force schlägt in diesem Zusammenhang vor, einen Plan für einen Ladeinfrastrukturnetz zu entwerfen. Dieser soll für verschiedene Varianten, etwa Neu- oder Umbau von Rasthöfen, Musterlayout beinhalten.
Ein weiterer Punkt, der aus Sicht des Gremiums in Auge gefasst werden muss: die Planung der Stromnetze vor Ort. Denn aktuell planten die Netzbetreiber den zusätzlichen hohen Strombedarf, der durch das Laden einer wachsenden Zahl von Elektro-Lastern in den kommenden Jahren entsteht, noch nicht ein. Und der Bedarf ist gewaltig: Beim eActros mit einer Akkukapazität von 420 kWh etwa lässt Mercedes derzeit maximal 160 kW Ladeleistung zu.
In Zukunft aber sollen die E-Lkw an Höchstleistungs-Ladestationen mit bis zu einem Megawatt Strom ziehen können, um die Ladepausen im Fernverkehr möglichst kurz zu halten. In Europa sieht der europäische Autoverband ACEA bis spätestens 2025 einen Bedarf von 15.000 Hochleistungsladepunkten, bis 2030 mit 50.000. Es braucht daher Anreize für einen voraussehenden Netzausbau. Für eine genaue Abschätzung des Infrastrukturbedarfs sollte es nach Ansicht der Task Force klare Zahlen zum erwarteten Markthochlauf der Fahrzeuge geben. Aktuell sind in Deutschland rund 32.000 LKW mit Elektroantrieb angemeldet, bei einer Gesamtzahl von 3,4 Mio. Fahrzeugen.
Einheitliche Ladestandards fehlen noch
Weiterhin sieht die Task Force die Notwendigkeit, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Zu klären ist zudem beim Ausbau der Ladeinfrastruktur das Verhältnis von Spontan- zu Übernachtladen. Für den Hochlauf erschwerend sei zudem das Fehlen eines einheitlichen Spontanladestandard (MCS). Der Schnellladestandard CCS lässt nur Ladeleistungen von maximal 500 kW zu. Erst im kommenden Jahr rechnet das Gremium mit einer Zertifizierung des neuen MCS-Standards – und ersten Stationen, die zum ultraschnellen Laden in der Lage sind.
Aus den acht Herausforderungen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur haben die Expertinnen und Experten insgesamt 30 Aufgaben und offene Fragen entwickelt, die nun angegangen werden sollen. „Mit dem gewonnenen Überblick über die konkret zu bewältigenden Aufgaben, ist der Grundstein für den Aufbau von Ladeinfrastruktur für schwere, batterieelektrische Nutzfahrzeuge im Fernverkehr gelegt“, betonte Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der NOW GmbH. Er verwies auf das große Dekarbonisierungspotenzial in den Sektor. Nach den Klimazielen der Bundesregierung muss der Verkehrssektor seine CO2-Emissionen bis 2030 deutlich reduzieren.