Man könnte fast von einem „perfekten Sturm“ sprechen, in den die deutsche Autoindustrie im kommenden Jahr steuert: Die Energiepreise werden trotz Gas- und Strompreisebremse noch eine ganze Weile weiter steigen, ebenso die Preise für wichtige Schlüssel-Rohstoffe für Elektroautos wie Lithium und für Antriebsbatterien allgemein. Gleichzeitig bestehen die Versorgungsengpässe bei Halbleitern weiter fort, dürfte die hohe Inflation auch 2023 das Konsumklima stark belasten.

Und im neuen Jahr dürfte die Anschaffung eines Elektroautos nochmals teurer werden. Nicht nur, einige Energieversorger für den Januar bereits eine Erhöhung der Ladestrom-Preise angekündigt haben. Sondern auch, weil die Fahrzeugpreise zum Teil deutlich steigen. Sondern auch, weil die Förderung von Plug-in Hybridautos komplett wegfällt und der Umweltbonus für Batterieautos deutlich gesenkt wird: Statt bis zu 9000 Euro gibt es 2023 nur noch maximal 6750 Euro, ab September zudem auch nur noch für Privatfahrzeuge. Der Vorteil, den ein Elektroauto heute gegenüber einem Verbrenner hat, schmilzt darüber deutlich ab. Experten sind sich deshalb ziemlich sicher: Die Antriebswende in Deutschland wird im kommenden Jahr zumindest eine „deutliche Delle“ erleben. Andere meinen sogar, sie könnte im schlimmsten Fall kippen.

Absatz der Stromer könnte sich halbieren

Ferdinand Dudenhöffer, emeritierter Auto-Professor und Leiter des CAR-Center Automotive Research, warnt davor, dass der Absatz von Elektroautos drastisch einbrechen könnte. Für das Jahr 2023 erwartet das CAR einen Absatz von 484.000 Elektroautos und in 2024 nur noch mit 362.000 neuen Stromern – das wären nur noch etwa halb so viele wie in diesem Jahr. Der Marktanteil der Stromer von aktuell 27,8 Prozent würde sich darüber auf 14 Prozent nahezu halbieren.

Teures Pflaster 
EnBW wird zum 17. Januar die Strompreise an den Ladesäulen zum Teil deutlich anheben. Wie sich das auf die Auslastung der Schnellladeparks im so genannten Hypernetz auswirken wird, ist noch nicht ausgemacht. Foto: Rother
Teures Pflaster
EnBW wird zum 17. Januar die Strompreise an den Ladesäulen zum Teil deutlich anheben. Wie sich das auf die Auslastung der Schnellladeparks im so genannten Hypernetz auswirken wird, ist noch nicht ausgemacht. Foto: Rother

Die Kappung der staatlichen Förderung in Verbindung mit den hohen Strompreisen mache den Elektroantrieb zunehmend unattraktiver, beklagt Dudenhöffer. Er forderte die Bundesregierung auf, die Neuregelung zu überdenken und den Umweltbonus länger als geplant zu zahlen.

Kürzung der Förderung zum „ungünstigen Zeitpunkt“

Ähnlich äußerte sich im Gespräch mit EDISON Harald Proff, Sektorleiter Automotive bei der Unternehmensberatung Deloitte: „Die Kürzung des Umweltbonuskommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Es ist schwer nachvollziehbar, warum erst große und tendenziell teurere Elektroautos subventioniert wurden und die Förderung jetzt, wo die kleinen Stromer kommen, ausläuft.“

Im Unterschied zu Dudenhöffer erwartet der Deloitte-Experte allerdings keinen Einbruch der Nachfrage nach Elektroautos, sondern allenfalls eine Delle. „Am Anfang sind nur diejenigen umgestiegen, die sich die teureren Elektroautos leisten konnten. Aber jetzt erkennen auch Menschen, die bei der Thematik anfangs sehr zurückhaltend waren, den Sinn und Zweck der Antriebswende. Die Autos sind effizienter geworden, fahren weiter und kosten pro Kilometer weniger als ein Auto mit
Verbrennungsmotor.“

„Zug ist aus dem Bahnhof raus“

Insofern werde sich an der langfristigen Entwicklung nichts ändern: „Wir werden in den kommenden Jahren einen beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität erleben“. Auch weil die Autoindustrie sich inzwischen auf die Technologie festgelegt, die Lieferketten und die Produktion darauf ausgerichtet habe. Proff: „Es ist entschieden, dass dem Batterieauto die Zukunft gehört. Der Zug ist aus dem Bahnhof raus und nicht mehr aufzuhalten.“

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3 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Das ist doch nur für den Teilmarkt Deutschland ein Problem …
    Dann freut sich zum Beispiel NO, FI, SE, … weil die Lieferzeiten sinken.

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  2. Knut-Ulf

    Warum wird in allen Medien nur von den steigenden Preisen für die elektrische Energie für E-Autos gesprochen? Die ebenfalls meist viel stärker gestiegenen Kraftstoffpreise werden nie erwähnt.
    Das E- Auto ist und bleibt im laufenden Betrieb viel günstiger zumal auch beim Laden auch die Tarife der verschiedenen Anbieter verglichen werden müssen. An der heimischen Steckdosen ist das Laden immer günstiger als das Tanken von Kraftstoffen.

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    • Franz W. Rother

      Weil die Preise für Kraftstoff in den letzten Wochen eher gesunken und die für Strom stetig steigen – auch an der Steckdose daheim. Nach einer aktuellen Untersuchung von McKinsey beträgt der Betriebskostenvorteil eines elektrischen Kompaktautos vom Kaliber eines ID.3 auf 15.000 km nur noch drei Cent gegenüber einem benzingetriebenen VW Golf. Und es gibt viele Menschen, die über kein Eigenheim mit Garage (oder sogar PV-Anlage) verfügen und die täglich mehr als nur 100 Kilometer fahren und deshalb auf öffentliche Ladeplätze angewiesen sind.

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