Eine aktuelle Analyse des Center Automotive Research (CAR) zeigt: Der Einbruch nach dem abrupten Ende des Umweltbonus Ende 2023 hat die Elektromobilität in Deutschland härter getroffen als erwartet. Privatkäufer wenden sich ab, die Ladeinfrastruktur hinkt, und der Wettbewerb aus China wächst rasant. Ohne schnelle politische und industrielle Gegenmaßnahmen droht der Rückfall im internationalen Vergleich. Hier die wichtigsten Aussagen der Studie kurz zusammengefasst, die auf einer Auswertung aktueller primärer und sekundärer Quellen basiert, darunter Geschäftsberichte, Branchenanalysen, politische Strategiepapiere
sowie wissenschaftliche Studien und Medienberichte.
2024 brach der deutsche BEV-Markt um 27,4 Prozent auf 380.609 Neuzulassungen ein – der niedrigste Stand seit 2020. Grund war die plötzliche Beendigung der staatlichen Förderung im Dezember 2023 durch die von Geldnöten geplagte Ampel-Koalition. Besonders dramatisch: Im Privatmarkt halbierte sich die Zahl der Zulassungen fast, von 170.000 auf 92.000 Fahrzeuge. Erst satte Rabatte und günstige Leasingangebote führten 2025 wieder zu steigenden Zahlen.
Akzeptanzproblem: 70 Prozent noch ohne E-Auto-Erfahrung
Rund 70 Prozent der Führerscheinbesitzer in Deutschland sind noch nie ein reines Elektroauto gefahren. Wer den Praxistest gemacht hat, bewertet BEVs deutlich positiver. Doch bislang bleibt E-Mobilität vor allem ein urbanes Phänomen, der ländliche Raum hinkt beim Ladeausbau deutlich hinterher.

In Deutschland wurde der Fokus lange auf den Aufbau einer Ladeinfrastruktur in der Stadt gelegt, wurden Elektroautos als günstiges Transportmittel im urbanen Raum propagiert. Mit der Folge, dass heute auf dem Land die öffentliche Ladeinfrastruktur Lücken hat.
Auch beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos braucht es nach der Analyse einen neuen Ansatz. Zwar sei in den zurückliegenden Jahren viel gebaut worden – aber vielfach auch an den falschen Stellen.
Am 1. Mai 2025 zählte Deutschland 166.876 öffentliche Ladepunkte, davon 23 Prozent Schnelllader – ein Zuwachs von über 70.000 in zwei Jahren. Trotzdem kommt hierzulande nur ein Ladepunkt auf 17,3 E-Autos, in den Niederlanden sind es 6,4. Der Grund: fehlende Koordination, bürokratische Hürden und zu wenig Ausbau in strukturschwachen Regionen.
Europa als Vorbild
Nach Ansicht der Verfasser der Studie – Beatrix Keim vom CAR in Duisburg und Helena Wisbert von der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften – sind einige der Nachbarn Deutschlands bei der Antriebswende und der Förderung der Elektromobilität schlauer vorgegangen als die Politik in Deutschland.
- Norwegen: Steuerbefreiungen und Privilegien brachten Elektroautos bis heute auf einen Anteil von 97 Prozent an den Neuzulassungen und den BEV-Bestand auf mittlerweile 25 Prozent.
- Frankreich: Sozial gezielte Förderung („Mon leasing électrique“) erleichtert einkommensschwachen Haushalten den Umstieg auf ein Elektroauto.
- Niederlande: Ein zentral koordinierter Ladeausbau und klare Zielpfade brachten die Elektromobilität voran.
- Dänemark: Langfristige Steuervergünstigungen und Stromsteuer-Rückerstattung brachten den notwendigen Schub.
Die Studienautoren empfehlen für Deutschland einen Mix an Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität, um den Rückstand gegenüber der eigenen Planung und gegenüber anderen Nationen zu verkleinern: eine sozial fokussierte Förderung nach französischem Vorbild, eine zentrale Ladeplanung wie in den Niederlanden und fiskalische Impulse ähnlich wie in Norwegen.

In Norwegen beträgt der Anteil der Batterieautos an den Neuzulassungen inzwischen 97 Prozent. Steuerbefreiungen, spezielle Privilegien und ein dichtes Ladenetz machten den Norwegern den Umstieg leicht. Fotos: depositphotos.com
Industrie im Umbruch – VW unter Druck
Volkswagen konnte seinen BEV-Marktanteil in Deutschland 2025 von 15,9 % auf 21,1 Prozent steigern – während Tesla von 11,5 auf 3,6 Prozent fiel. Neue Einstiegsmodelle wie der ID.2all (unter 25.000 €) und der ID.Every1 (ca. 20.000 €) sollen preissensible Käufer gewinnen. Dennoch drücken Gewinnrückgänge, Softwareprobleme und harter Wettbewerb aus China den Konzern.
China ist mittlerweile der härteste Rivale der deutschen und europäischen Autoindustrie und auf dem besten Weg, das Geschäft mit Elektroautos zu dominieren. Auf dem Heimatmarkt lag 2024 der Anteil der sogenannten „New Energy Vehicle“ (zu denen auch Autos mit Hybridantrieb zählen) bereits bei 44 Prozent. Auf reine Batterieautos entfiel ein Anteil von 26 Prozent. Deutsche Hersteller wie Volkswagen, die lange Zeit Marktführer in China waren, kamen nur noch auf 1,5 Prozent Marktanteil.

Die Strafzölle der EU für Elektroautos aus China sind auch für europäische Hersteller wie BMW ein Problem, die Fahrzeuge aus Kostengründen von Partnern im Reich der Mitte produzieren lassen und nach Europa importieren. Foto: Mini
Weil der Automarkt in China inzwischen einigermaßen gesättigt ist, drängen Marken wie BYD, MG oder Geely nun verstärkt mit preiswerten und digitalisierten Elektro-Modellen nach Europa. Die Strafzölle der EU schützen die Industrie zwar ein wenig, verteuern aber auch die Modelle europäischer Hersteller, die in China produziert und nach Europa exportiert werden.
Die Studie gibt auf der Basis die folgenden Handlungsempfehlungen:
- Förderung neu ausrichten: gezielter Umweltbonus für günstige BEVs, längere Kfz-Steuerbefreiung, Fokus auf Privatkunden.
- Ladeinfrastruktur beschleunigen: Bürokratieabbau, Stromsteuer und Netzentgelte senken, Supermärkte und Tankstellen verpflichtend ausrüsten.
- Akzeptanz steigern: europaweite Infokampagne, mehr Probefahrt- und Carsharing-Angebote, Batteriezertifikate für Gebrauchtwagen.
- Batterieindustrie stärken: EU-Investitionsprogramme ausschöpfen, Fachkräfte ausbilden, Standortnähe sichern.
- Industriepolitik anpassen: Joint-Ventures mit chinesischen Herstellern in Europa zulassen, um preisgünstige Modelle anzubieten.
Fazit: Weiter so führt in den Abgrund
Die Elektromobilität in Deutschland steht 2025 am Scheideweg, sagen die Verfasser der Studie. Ohne koordinierte Förderung, schnellen Ladeausbau und eine offensive Industriepolitik drohe der Rückstand sogar noch zu wachsen. Die Botschaft der Studie ist klar: Politik und Industrie müssen jetzt handeln – oder Deutschland wird den Anschluss in der Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft verlieren.