Für Privatkunden ist es derzeit relativ einfach, sich ein Elektroauto zuzulegen. Es reicht, sich beim Autohändler nach den Modellen zu erkundigen, die in diesem Jahr noch lieferbar sind. Ist ein Fahrzeug dabei, dass den persönlichen Vorstellungen – was Preis und Reichweite, Optik, Platzangebot und Dynamik anbetrifft – entspricht, sollte gleich der Kauf- oder Leasingvertrag gezeichnet werden. Denn was das Fahrzeug im nächsten Jahr kostet, vermag derzeit kaum jemand zu sagen. Und auch nicht, ob und wie im kommenden Jahr Elektroautos in Deutschland überhaupt noch gefördert werden.
Für gewerbliche Nutzer von Elektrofahrzeugen, für kleine wie größere Unternehmen mit einem Transportbedarf, der sich nicht in Sitzplätzen, sondern in Paletten, Kisten und Tonnen bemisst, ist die Antriebswende ungleich schwieriger. Denn meist geht es nicht nur um ein Fahrzeug, sondern um eine ganze Flotte. Und das Angebot an Transporter mit Elektroantrieb ist in dem Marktsegment noch ungleich kleiner. Vor allem rechnen die Profis nicht in Euro, sondern in Eurocent – pro Kilometer, pro Kilogramm Nutzlast oder gar pro Minute. Es geht um Produktivität, nicht um Prestige. Um Nachhaltigkeit, ja, aber vor allem Nutzen.
Ford hat das ganz gut erkannt. Vor drei Jahren machten sich die Ingenieure dort daran, den Transit zu elektrifizieren. Und parallel dazu machten sie sich daran, ein Ökosystem rund um den neuzeitlichen Lastenesel aufzubauen. Mit Ladelösungen für Unternehmen, aber auch einem reichhaltigen Angeboten an Software-Lösungen, mit denen sich ein Fuhrpark aus leichten und mittelschweren Transportern tagtäglich professionell und so produktiv wie möglich steuern lässt. Zu guter Letzt ist daraus nicht nur der neue E-Transit erwachsen, sondern eine komplett neue Marke: Ford Pro.
Wegbereiter in die Ära der Stromer
„Unsere Kunden haben nicht die Zeit, sich in die neue Welt der Elektromobilität einzuarbeiten. Das sind keine Nerds, sondern Kaufleute“ erklärt Hans Schep. Der Niederländer leitet die Aktivitäten von Ford Pro in Europa und versteht sich als Dienstleister: „Unsere Aufgabe ist es, den Gewerbetreibenden den Weg in die neue Zeit zu ebnen, ihnen bei der Umstellung der Flotten auf den Elektroantrieb in jeder nur denkbaren Weise zu helfen – ohne die Leistungsfähigkeit des Fuhrparks zu schmälern oder die Betriebskosten zu erhöhen.“
Der neue E-Transit, der für Kunden in Europa bei Ford Otosan im türkischen Kocaeli – rund 100 Kilometer östlich von Istanbul – sowie in Kansas City für Kunden in Nordamerika produziert wird, ist dafür ein guter Ausgangspunkt. Der Stromer wird mit zwei Radständen, in zwei Antriebsstärken und Ausstattungsvarianten zu (Netto-)Preisen ab 55.845 Euro angeboten – und die Kunden dürften nichts vermissen. Weder an Ausstattung, noch an Leistungsfähigkeit. Es gibt den E-Transit als Kasten- und als Pritschenwagen, mit Einzel- oder Doppelkabine – oder einfach nur als Fahrgestell. Beispielsweise, um darauf eigene, maßgeschneiderte Aufbauten zu setzen.
14.000 Euro Differenz zum gleichstarken Diesel
Zugegeben: Die Elektrovariante des Transit ist auch in der Basisversion mit 135 kW (184 PS) Leistung um einiges teurer als das (weiterhin produzierte) Schwestermodell mit Dieselmotor. Genau gesagt ist der günstigste Diesel mit mittlerem Radstand einem Nettopreis von 35.300 Euro über 20.000 Euro günstiger als der Stromer. Aber dann bringt der Kastenwagen auch nur 77 kW oder 125 PS auf der Vorderräder – und schalten muss der Fahrer hier noch selbst. Mit Heckantrieb und einer vergleichbaren Antriebsleistung von 125 kW (170 PS) schrumpft die Differenz bereits auf 14.000 Euro.
Und 80 Prozent des Differenzpreises werden durch das Förderprogramm für „Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur“ (KsNI) des Bundesamtes für den Güterverkehr abgedeckt, wie Claudi Vogt, die Verantwortliche für das Nutzfahrzeuggeschäft von Ford in Deutschland, hinweist. Im Augenblick sei der Fördertopf zwar mal wieder leer. Aber noch im Frühjahr werde nach einem zweiten Förderaufruf wieder Geld für die klimafreundliche Erneuerung des Fuhrparks zur Verfügung stehen.
Ford-Kunden reichen 180 Kilometer Reichweite
Damit und bei den aktuellen Dieselpreisen an der Tankstelle rechnet sich der E-Transit denn auch schnell. Zumal immer mehr Städte in Europa dazu übergehen, Umweltzonen auszuweisen, aus denen Fahrzeuge mit Verbrennungskraftmaschinen verbannt sind. Und mit Reichweiten von bis zu 305 Kilometern ist der Aktionsradius für einen Handwerker oder Lieferdienst mit dem E-Transit durchaus ausreichend. Wie Andrew Mottram, der britische Chefingenieur für den E-Transit im Gespräch mit EDISON erläutert, sei die Batteriekapazität von 77 kWh (von denen netto 68 kWh für den Fahrbetrieb zur Verfügung stehen) das Ergebnis intensiver Marktforschung.
„Die Befragungen zeigten, dass unseren Kunden eine Reichweite von 180 Kilometern im Tagesbetrieb völlig reicht. Allerdings ist es denen wichtig, dass diese Reichweite unter allen Bedingungen erzielt wird“ – also auch im Winter und in hügeligem Gelände. Also gab es bei der Bemessung der Batteriekapazität noch eine „Sahnehaube“ obendrauf. Und die Möglichkeit, den Akku unterwegs notfalls an einer Schnellladesäule mit 115 kW nachzuladen. An einer Wallbox reichen dem Ford Transit hingegen 11 kW – „spätestens nach acht Stunden“, so Mottram, „ist die Batterie dann wieder voll.“
Fuhrparkmanager is watching you
Und Ford hat sich einiges einfallen lassen, damit die Ladevorgänge den Fahrern möglichst schnell über die Bühne gehen – und die Energiekosten im Rahmen bleiben. Über das so genannte „Blue Oval“-Ladenetzwerk können bei Bedarf in ganz Europa mehr als 300.000 Ladepunkte angesteuert und per Ladekarte freigeschaltet werden. Bei der Anfahrt zum Ladepunkt wird die Batterie selbstverständlich vorkonditioniert, um den Ladevorgang zu verkürzen. Zudem haben die Fuhrparkmanager über die Software von Ford Pro Charging jederzeit einen Überblick über den Stromverbrauch der Fahrzeuge und das Ladeverhalten der Fahrer. Auf diese Weise können so für den gesamten elektrischen Fuhrpark individuelle Ladestrategien erarbeitet werden, was Zeit spart und die Einsatzzeiten der Stromer verlängert.
Und wie fährt sich der E-Transit? Völlig unspektakulär im besten Sinne. Selbst mit einer Nutzlast von 400 Kilogramm im Laderaum tritt der Stromer kraftvoll an. Da der Antrieb an der Hinterachse sitzt, sind im Fahrerhaus praktisch keine Motorengeräusche zu hören – abgesehen von denen anderer Verkehrsteilnehmer. Dank der Eingang-Automatik und einer Heerschar elektronischer Heinzelmännchen gestalten sich Fahrten durch die Stadt völlig entspannt.
29,3 kWh auf 100 Kilometer
Stress bringen allenfalls andere Verkehrsteilnehmer – und Fußgänger, die Probleme haben, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs einzuschätzen. Aber auch der Hupenknopf ist im Transit leicht zu finden. Und der Bordcomputer weist am Ende der Fahrt sogar automatisch den Durchschnittsverbrauch aus. In unserem Fall: 29,3 kWh/100 km. Ein respektabler Wert bei dem Gewicht von Fahrzeug samt Ladung von fast vier Tonnen.
Die Basis für die Antriebswende im Fuhrpark wäre damit gelegt. Und die Zahl der Vorbestellungen in den USA und Europa macht den Ford-Managern Mut, die Antriebswende in der Transit-Baureihe weiter voranzutreiben. 2023 kommen der neue Transit Custom-Transporter sowie der Personentransporter Tourneo Custom auf den Markt – eine Gemeinschaftsentwicklung von Ford mit Volkswagen.
Die Antriebswende, so lernen wir, ist auch im Nutzfahrzeuggeschäft nicht mehr aufzuhalten.