Optisch unterscheiden sich S-Pedelecs kaum von ihren langsameren Geschwistern, den Pedelecs, wie die E-Bikes bei uns im Beamtendeutsch heißen. Es besteht jedoch ein gewaltiger Unterschied: Der Elektromotor eines schnellen S-Pedelecs unterstützt nicht nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h, sondern auch darüber hinaus bis 45 km/h – wobei es für diese Maximalunterstützung auch einiger Anstrengung bedarf. S-Pedelecs ermöglichen es dadurch, längere Distanzen mit dem Rad problemlos und schnell zu absolvieren. Für Berufspendler mit täglichen Strecken um zehn Kilometer oder mehr sind sie damit eine interessante Alternative zum Auto.

Bürokraten bremsen die Mobilitätswende

Auf der anderen Seite haben S-Pedelecs hierzulande immer noch einen großen Nachteil: Rechtlich gelten sie nicht als Fahrräder, sondern aufgrund der höheren Leistung des Hilfsmotors als Kleinkrafträder – mit allen damit verbundenen Pflichten. Dazu zählen eine Helmpflicht sowie der Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse AM. Außerdem brauchen die Fahrzeuge ein Versicherungskennzeichen mit beleuchtetem Kennzeichenhalter, eine Hupe und einen Rückspiegel. In Österreich muss sogar ein Verbandskasten mitgeführt werden.

Aufgrund dieser Anforderungen und länderspezifischen Regelungen bleibt der Marktanteil der schnellen Flitzer hierzulande gering, obwohl die Räder einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende in den Städten liefern könnten. Um das in Zukunft zu erreichen, sprechen sich Verbände wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF) für einige rechtliche Änderungen aus. Hier sechs Vorschläge dazu.

1. Radwege für S-Pedelecs frei gegeben

Ein Vorschlag ist, die Benutzung der Radwege auch für S-Pedelecs zu erlauben. Aktuell müssen die schnellen E-Bikes zusammen mit Autos und Bussen auf der Straße fahren. Radwege, Fahrradstraße und Radschnellwege sind ihnen verwehrt, solange diese nicht explizit für Kleinkrafträder bzw Kraftfahrzeuge freigegeben sind.  

„S-Pedelecs können ihr Potenzial aber nur voll entfalten, wenn auch die vorhandene Fahrradinfrastruktur genutzt werden darf. Gerade Radschnellwege und Fahrradstraßen sind dafür konzipiert, um mit dem Fahrrad über längere Distanzen schnell von A nach B zu kommen und damit prädestiniert für S-Pedelecs in der alltäglichen Anwendung, sagt Markus Riese vom E-Pedelec-Hersteller Riese & Müller, der selbst leidenschaftlich gerne mit dem S-Pedelec unterwegs ist.

Fahrräder zweiter Klasse
E-Bikes dürfen die Radwege benutzen, wenn der Fahrer bis maximal 25 km/h von einem Elektromotor unterstützt wird. Auch wenn es nicht schneller fährt, muss das theoretisch bis zu 45 km/h schnelle S-Pedelec auf die Straße ausweichen. Foto: pd-f

Besonders drastisch ist die Regelung an Landstraßen, denn hier ist die nominelle Differenzgeschwindigkeit zwischen S-Pedelecs und Autos deutlich höher als innerorts. Wie es anders gehen kann, zeigt die Schweiz: Dort sind die Radwege für S-Pedelecs freigegeben und der Verkaufsanteil der Räder liegt inzwischen bei 20 Prozent des gesamten E-Bike-Marktes.

Auch Anja Knaus vom schweizerischen E-Bike-Hersteller Flyer kritisiert deshalb die deutsche Rechtslage: „Solange Themen wie die Radwegenutzung nicht gelöst sind, wird sich das S-Pedelec nicht durchsetzen können.“

Damit Radfahrer, Fußgänger und S-Pedelec-Nutzer sicher nebeneinander unterwegs sein können, schlägt Markus Riese innerorts ein Geschwindigkeitslimit für S-Pedelecs vor: „So wie man mit einem Rennrad auf dem Radweg langsamer fahren muss als man kann, könnte es auch für S-Pedelecs eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 25 km/h auf innerstädtischen Radwegen geben.“

Alexander Kraft von HP Velotechnik ergänzt: „Einem Porsche-Fahrer verbietet man ja auch nicht, durch die Tempo 30 Zone zu fahren.“ Die Durchschnittsgeschwindigkeit von S-Pedelec-Nutzern liegt bei 23 km/h, was gegen ein erhebliches Rasen mit den Rädern spricht.

„Einem Porsche-Fahrer verbietet man ja auch nicht, durch die Tempo-30-Zone zu fahren.“

Alexander Kraft, HP Velotechnik

Ein Beispiel, wie die Regelung funktionieren kann, ist die Stadt Tübingen, wo Bürgermeister Boris Palmer selbst das S-Pedelec nutzt, um von einem Termin zum anderen zu fahren. Dort sind seit Ende 2019 Teile des Radwegenetzes für S-Pedelecs freigegeben. Insgesamt soll ein Wegenetz mit rund 50 Kilometern entstehen. Ein bisher ungewöhnlicher Vorgang in Deutschland, der auch ein eigenes Verkehrszeichen brauchte. Verbunden ist diese Freigabe allerdings auch mit Regeln: So ist die maximale Geschwindigkeit an Knotenpunkten mit querendem Fußverkehr auf 30 km/h begrenzt.

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Der VCD schlägt vor, dass Radwege außerorts generell für S-Pedelecs freigegeben werden, innerorts eine Freigabe nur bei geeignet breiten Wegen erfolgen soll. Gemeinsame Rad- und Fußwege sollen grundsätzlich ausgeschlossen werden. In Belgien wurden diese Regelungen in einem Modellprojekt bereits getestet. Fahrer konnten innerorts wählen, ob sie auf dem Radweg oder der Fahrbahn fahren möchten, außerorts war die Nutzung von Radwegen Pflicht. In der Folge stiegen die Verkaufs- und Nutzungszahlen von S-Pedelecs deutlich an.

2. S-Pedelecs auf Wald- und Feldwegen erlauben

S-Pedelecs dürfen in Deutschland bisher auch nicht auf Wald-, Feld- oder Wirtschaftswegen fahren, was in der Alltagspraxis als ein echtes Hemmnis gesehen wird. „Ein wesentlicher Vorteil des Fahrrades ist es doch, auch einmal eine Abkürzung über Feldwege nutzen zu können oder auch in der Freizeit dem Straßenverkehr zu entkommen. Das ist mit dem S-Pedelec nicht möglich, was den zeitlichen Vorteil gegenüber dem Auto wieder zunichte macht“, so Knaus. Eine Freigabe würde die Akzeptanz gegenüber dem S-Pedelec sicher verbessern, jedoch auch zu weiteren Diskussionen führen, wenn S-Pedelec-Nutzer in Konflikt mit anderen Erholungssuchenden, z. B. in touristischen Regionen, kommen.

3. Bessere Abstellmöglichkeiten schaffen

Anders als Fahrräder dürfen S-Pedelecs nicht auf Gehwegen geparkt werden, was in der Praxis bedeutet, dass sie nur am Fahrbahnrad oder auf Kfz-Parkplätzen offiziell stehen dürfen – auch Parkausweise und Parkscheibenpflicht sind theoretisch nötig. „Richtig“ abgestellte Räder sind darum jedoch besonders diebstahlgefährdet, weil auf einem Kfz-Parkplatz ein Anschließen des Rades an einem festen Gegenstand nicht möglich ist. Zudem wissen die meisten der anderen Verkehrsteilnehmer nicht, dass das Rad dort eigentlich ordnungsgemäß steht, und stellen das Rad einfach weg.

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„Das bedeutet also für S-Pedelec-Nutzer eine anstrengende Parkplatzsuche, weil sie in Konkurrenz zum Auto und Motorrad stehen. S-Pedelecs sollten deshalb beim Parken genauso behandelt werden wie normale Räder“, sagt Andreas Hombach vom Parksystemanbieter WSM. Insbesondere an Bahnhöfen müssen witterungsgeschützte Abstellanlagen installiert werden, da die Mitnahme der Räder im ÖPNVin vielen Regionen nicht gestattet ist – ein Manko, das nach Ansicht von Branchenexperten auch schnell geändert werden sollte.

4. Kindertransport ermöglichen

An Kleinkrafträdern ist es nicht gestattet, einen Anhänger zum Kindertransport anzubringen. Diese Regelung zählt somit auch für S-Pedelecs. Begründet wird das Verbot damit, dass es noch keine Prüfroutine für eine Bauartsgenehmigungsprüfung gibt. Das betrifft die seitlich angebrachte Kupplung sowie Sitze im Anhänger.

Fahrrad-Anhänger
Anhänger verboten
Normale E-Bikes dürfen einen Lastenanhänger hinter sich herziehen. aber der Kindertransport mit einem S-Pedlec ist verboten.

„Solange keine Prüfungsverordnung dafür aufgesetzt wird, kann es nicht geprüft und somit natürlich auch nicht zugelassen werden“, sagt Natascha Grieffenhagen vom Anhängerspezialisten Croozer. In der Schweiz ist hingegen das Montieren eines Kinderanhängers erlaubt.

Grieffenhagen sieht das Thema in der Praxis allerdings schwierig: „Anhänger müssten auf das Fahren mit S-Pedelecs komplett neu ausgelegt werden. Es ist ein großer Unterschied, ob mit einem Anhänger 10, 25 oder 40 km/h gefahren wird – auch für die Sicherheit der Kinder.“ Vorschläge wie das Aufrüsten mit einer Auflaufbremse für Kinderanhänger, wie aktuell gefordert, findet sie interessant, aber noch nicht durchdacht genug.

Bei Lastenanhängern, zu denen auch Hundeanhänger zählen, ist die Situation im Übrigen ähnlich. Auch hier fehlt aktuell noch die Möglichkeit zur Zulassung für die seitliche Kupplung, wobei das Anbringen von Lastenanhängern an Kleinkrafträdern generell erlaubt ist.

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„Wir würden uns sofort für die Zulassung anmelden, aber die Möglichkeit besteht nicht. Das ist eine Sackgasse“, so Grieffenhagen. Ein Kind im Kindersitz auf dem S-Pedelec mitzunehmen, ist übrigens auch in Deutschland erlaubt: Allerdings muss der zusätzliche Sitz in der Zulassung vermerkt werden und das Kind einen Helm tragen.

5. Helmpflicht übersichtlich gestalten

Für das Fahren mit S-Pedelecs gilt grundsätzlich eine Helmpflicht. Allerdings spricht der Gesetzgeber allgemein von einem „geeigneten Schutzhelm“, ohne darauf einzugehen, wie dieser gestaltet sein soll. „Einige unserer speziell für Pedelec-Fahrer entwickelten Helme erfüllen die niederländische Norm NTA 8776. Diese orientiert sich an den Anforderungen für Fahrradhelme, basiert allerdings auf höheren Sicherheitsstandards für höhere Geschwindigkeiten und ermöglicht somit das Tragen auf S-Pedelecs“, erklärt Torsten Mendel vom Helmhersteller Abus. Eine europaweite Normierung für S-Pedelec-geeignete Helme wird deshalb gefordert, um eine bessere Übersichtlichkeit zu schaffen.

6. Schulung anderer Verkehrsteilnehmer

Um die breitere Akzeptanz von S-Pedelecs zu fördern, müssen andere Verkehrsteilnehmer besser über die Fahrzeuge informiert werden – so eine weitere Forderung von Branchenvertreter. „Viele Menschen wissen im Alltag gar nicht, dass S-Pedelec-Nutzer nicht auf dem Radweg fahren dürfen. Das sorgt immer wieder für Konflikte. Es wäre deshalb wünschenswert und sinnvoll, wenn mehr Aufklärung bei S-Pedelecs betrieben würde“, findet Alexander Kraft.

Dabei geht es einerseits um die Schulungen in den Fahrschulen, aber auch um Kampagnen für jene, die bereits seit Jahren im Verkehr unterwegs sind. „Verkehr ist auch Wandel – und dieser ist aktuell stark ausgeprägt, weil neue Fahrzeuggruppen auf den Markt kommen“, erklärt Kraft.

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3 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Ich staune immer wieder über die seltsamen Regelungen in unserem schönen nördlichen Nachbarland und bin früh mich dort nur temporär zum Nachzählen der eigenen Verwandtschaft aufhalten zu dürfen. Allerdings sind die Österreicher mit ihrer Verbandskastenmitführverordnung auch nicht schlecht.
    Kopfschüttelnde Grüsse aus dem Süden … 😎

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  2. Kai

    Ihre wertvolle Argumentationshilfe habe ich heute an die Stadtverwaltung Flensburg weitergereicht in der Hoffnung, dass dort veränderungswillige und -fähige Kräfte in der Verwaltung sitzen. Wir haben beste Erfahrungen mit S-Pedelecs in der Schweiz gemacht.

    Sehr positiv ist, dass es in Flensburg auf einigen Straßen Hinweise für Autofahrer gibt, die explizit darauf hinweisen, dass Radfahrer dort die Straße mitbenutzen dürfen, selbst wenn es einen (schmalen) Radweg gibt.

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    • Franz W. Rother

      Sehr gut.

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