Ein Mittelklasse-SUV mit gefälligem Design und einem Elektroantrieb mit (nominell) rund 400 Kilometern Reichweite – welcher Autohersteller hat den aktuell eigentlich nicht im Portfolio? Volkswagen, Audi, BMW, Lexus, Mercedes haben solche Elektroautos schon länger im Portfolio – ganz zu schweigen von den zahlreichen chinesischen Herstellern, die es mittlerweile auch nach Europa zieht. Zu denen gehört auch MG mit seinem noch jungen Marvel R Electric, der ab sofort auch mit Allradantrieb zu bekommen ist.
Für den Alltagsbetriebe reicht ohne Zweifel die heckgetriebene Basisvariante mit einer Antriebsleistung von 132 kW (180 PS) zu einem Preis von 42.900 Euro aus. Doch in dieser Liga der Stromer geht eigentlich nichts ohne Allradantrieb. Beim MG Marvel R Electric AWD kommt der nun zusammen mit einem Leistungsnachschlag auf 212 kW (288 PS) sowie – Achtung – einem Zweiganggetriebe. Das drückt zwar den Einstiegspreis preis auf 50.990 Euro, ist aber immer noch ein überaus faires Angebot, denn so mancher Wettbewerber bietet ähnliche Leistungsdaten mit entsprechender Ausstattung erst zu Preisen jenseits von 60.000 Euro.
Dafür erkauft man sich einen zwar sehenswerten Crossover, aber auch ein Elektroauto einer Marke, die sich aufgrund einer wechselvollen Geschichte ein positives Image erst noch erarbeiten muss. Denn MG lokalisieren die meisten noch in Großbritannien. Und sie verbinden die Automarke oft mit einer fragwürdigen Fertigungsqualität sowie einer spektakulären Firmenpleite. Letztere liegt mittlerweile schon merh als 15 Jahre zurück. Und nach der Übernahme durch den Autogiganten SAIC ist MG mittlerweile in China beheimatet.
Sehenswertes Design und eine gute Verarbeitung
Es ist also Zeit für eine Neuorientierung. Und dafür bringt der 4,67 Meter lange MG Marvel R Electric die besten Voraussetzungen mit: Der Chinese glänzt nicht nur mit einem sehenswerten Design, einem niedrigen Geräuschniveau, sondern mit einer ansprechenden Verarbeitungsqualität, wie unser Testwagen zeigte. Hinzu kommen solide Leistungsdaten.
Im Alltagsbetrieb bietet der Marvel R Electric AWD zwar kaum mehr Schub als das heckgetriebene Basismodell. Erst wer in den sportlichsten Fahrmodus wechselt, kann beim Topmodell aus dem Vollen schöpfen. Denn dann steht ein imposantes Drehmoment von 665 Nm zur Verfügung. Aus dem Stand geht es auf Wunsch in 4,9 Sekunden auf Tempo 100. Da kommt durchaus Fahrfreude auf, zumal das Geräuschniveau auch dank des Zweiganggetriebes auch bei hohen Geschwindigkeiten niedrig bleibt.
Der größte Vorteil ist jedoch nicht die dynamische Mehrleistung, denn weder in der Innenstadt, noch auf Landstraße oder der Autobahn dürfte der Fahrer den Sport-Plus-Modus dauerhaft anwählen. Wichtiger ist der Allradantrieb, der einem nicht nur im Winter, sondern auch bei rutschiger Fahrbahn oder kraftvollem Beschleunigen eine maximale Traktion sichert. Angenehm, aber ebenfalls nicht nur dem Topmodell vorbehalten ist die Höchstgeschwindigkeit: Der MG Marvel R Electric wird im Unterschied zu vielen Wettbewerbern nicht schon bei 160 km/h, sondern erst bei 200 km/h abgeregelt.
Trotz Allradantrieb nur 1,9 Tonnen schwer
Das Fahrwerk ist durauf abgestimmt. Es ist komfortabel, aber nicht zu weich ausgelegt. Gerade die Vorderachse federt bisweilen recht stramm an und auch an die leichtgängige Servounterstützung der Lenkung dürften sich die meisten Kunden schnell gewöhnen. Etwas mehr Rückmeldung von der Fahrbahn werden wohl nur Fahrdynamiker monieren, die jedoch kaum den Marvel R im Grenzbetreich bewegen werden. Die potenziellen Kunden werden ebenfalls kaum merken, dass der Elektrocrossover trotz Allradantrieb und Zweiganggetriebe kaum mehr als 1,9 Tonnen auf die Waage bringt. Ein absolutes Leichtgewicht ist er damit zwar nicht. Aber die Konkurrenz hievt schon einmal mehr als zwei Tonnen auf die Waage.
Beim Akkupaket lässt SAIC seinen MG-Kunden keine Wahl – leider. Obligatorisch ist der Marvel R Electric ein Akkupaket mit einer Speicherkapazität von 70 Kilowattstunden (kWh). Während der Hecktriebler damit angeblich 400 Kilometer bis zum nächsten Ladevorgang schafft, sind es beim Allrad-Topmodell offiziell nur 370 Kilometer. Und das ist in der Tat wenig, zu wenig.
Auch deshalb, weil die maximale Ladeleistung des MG am DC-Schnelllader aktuell nur bei 92 kW liegt. VW ID.4 oder Skoda Enyaq sind mit 130 kW schon deutlich schneller beim Ladestopp. Und die Koreaner bringen es dank 800-Volt-Technik beim Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 sogar auf Ladeleistungen von bis zu 240 kW. Wer das einmal erlebt hat, mag es nicht mehr missen. Immerhin kann auch der MG Wechselstrom mit 11 kW ziehen – da ist der Chinese auf der Höhe der Zeit.
Nur ein Akku mit 70 kWh Kapazität
Somit wird der Wunsch nach einem größeren Akkupaket für den MG in jedem Fall lauter, denn von der nominellen Reichweite von 400 Kilometern müssen im Winter deutliche Abstriche gemacht werden. Realistisch sind dann Reichweiten um die 300 Kilometer. Darauf deuten auch die Verbrauchswerte auf unserer (deutlich kürzeren) Testfahrt: Der Normverbrauch von 19,4 bis 20,7 kWh/100 Kilometer wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Laut Bordcomputer schluckte der Elektroantrieb statt dessen im Schnitt bis zu 29 kWh auf 100 Kilometern.
Trotzdem kann der MG Marvel durchaus Freude bereiten. Vor allem dem Auge des Betrachters. Denn im Innenraum ist das Elektroauto so schick, wie er von außen erscheint. Ok, die Instrumente könnten etwas größer sein und ein Head-Up-Display sollte in dieser Klasse zumindest als Option angeboten werden. Mehr als die etwas blassen Instrumente hinterm Lenkrad zieht jedoch das 19,4 Zoll große Hochkantdisplay in der Mittelkonsole die Blicke der Insassen auf sich. Hierüber werden wie bei Tesla alle wichtigen Funktionen zu Fahrprogramm, Navigation, Unterhaltung oder Klimatisierung bedient.
Das Platzangebot passt vorne wie hinten, wenngleich der Verstellbereich der elektrischen Sitze größer sein könnte. Wenig imposant ist allerdings der Kofferraum. Denn hinter der elektrischen Heckklappe stehen für Reisen lediglich 357 Liter Stauvolumen zur Verfügung. Durch Umlegen der Rückbank wächst dieses auf bis zu 1.396 Liter. Beim Allradler entfällt leider der vordere Laderaum, der sonst so praktische „Trunk“.