Rom ist wahrlich nicht arm an Sehenswürdigkeiten. Über die Via dei Fori Imperiali und die Via Labicana streben den ganzen Tag über große Touristengruppen dem Kolosseum, dem Tempel des Claudius und dem Titusbogen entgegen, die Kamera und das Smartphone im Anschlag und den Knopfhörer im Ohr. Für den Autoverkehr haben die meisten da kein Auge mehr. Eigentlich.
Als der kleine Mobilize Duo im grellbunten Harlekin-Gewand an der Ampelanlage vor dem Kolosseum für einige Minuten zum Stehen kommt, fliegen dann aber dann doch einige Köpfe herum, wird die 2000-jährige Geschichte für einen Augenblick vergessen – und die Zukunft bestaunt. Erst recht, als ich den orangefarbenen Hebel im Fußraum betätige und die linke Scherentüre aufschwinge lasse. Groß werden da die Augen. Aus einer Reisegruppe löst sich lachend ein junger Mann und bittet darum, sich mit mir und dem Elektro-Zwerg fotografieren lassen zu dürfen. Was natürlich sofort genehmigt wird.
Ja, der Duo ist zwar nur 2,43 Meter lang und 1,30 Meter breit. Aber er hat das Zeug zum Star in einem von schweren und sperrigen SUVs bevölkerten Großstadtverkehr. Nicht nur in Rom, sondern auch in Mailand, Paris oder Berlin. Denn je größer die Staugefahr und Parkplatznot, desto größer ist die Chance, sich mit einem Microcar wie diesem noch einen Platz zu erkämpfen. Am Straßenrand und in der ersten Reihe vor der Ampel.
Zusammen mit Motorrollern, Motorrädern und anderen „Quadricycels“ – so nennt der EU-Gesetzgeber in der Direktive 92/61/EEC vierrädrige Straßenfahrzeuge des Typs L6e bzw. L7e mit einem Leergewicht von 425 bzw. 450 Kilogramm. Dienen sie dem Gütertransport, dürfen sie auch schon mal 600 Kilogramm wiegen – und maximal 15 kW oder 20 PS stark sein. Ein Pkw-Führerschein ist dabei nur die Fahrzeuge der „schweren“ und bis zu 90 km/h schnellen Klasse erforderlich. Für die auf 45 km/h gedrosselte Leichtversion reicht eine Mofa-Lizenz der Klasse AM – in manchen Ländern aber auch nur die grobe Kenntnis der Verkehrsregeln und ein Mindestalter von nur 14 Jahren.
Und der Markt für diese elektrischen Microcars ist in den vergangenen Jahren europaweit dynamisch gewachsen – von rund einer Million 2019 auf voraussichtlich über 1,5 Millionen Fahrzeuge in diesem Jahr. Der Citroën Ami, seine Schwestermodelle Opel Rocks-e und Fiat Topolino haben zu der Entwicklung ebenso beigetragen wie die Knutschkugel Microlino aus der Schweiz oder auch der kleine Yoyo des italienischen Herstellers XEV, der sogar über ein Batterie-Wechselsystem verfügt.
Preise ab 9900 Euro
Renault war von Anfang an dabei mit dem zweisitzigen Twizy, der schon 2011 auf den Markt kam und von dem allein in 2015 rund 15.000 Exemplare in zwei Versionen verkauft wurden. An die (kleine) Erfolgsgeschichte wollen die Franzosen nun mit Duo und Bento, der Transporter-Variante anknüpfen. Allerdings nicht unter der Marke Renault, sondern unter dem Logo der 2021 gegründeten Mobilitäts-Tochtermarke Mobilize. Zu Preisen von 9900 Euro für die L6e-Version des Duo und rund 13.000 Euro für den „schweren“ Bento mit Standard-Aufbau. Die exakten Preise auf dem deutschen Markt stehen noch nicht fest – auf den Markt kommt das Modell erst im Frühjahr 2025.
Die Erfahrungen mit dem Twizy kamen den Entwicklern von Duo und Bento durchaus zugute – etwa zehn Prozent der Bauteile des Urmodells wurden für die Nachfolgegeneration übernommen. Der in Spanien und zuletzt in Südkorea produzierte Twizy hatte einen 6,1 kWh großen Akku an Bord, die ihn bis zu 90 Kilometer weit trug – beim in Marokko produzierten Duo beträgt die Kapazität der vom Renault 5 Electric abgeleiteten Lithium-Ionen-Batterie mit NMC (Nickel-Mangan-Kobalt)-Zellen 10,3 kWh, was für Touren von bis zu 161 Kilometer gut sein soll. Beim Bento sind aufgrund des etwas höheren Gewichts und der schlechteren Aerodynamik immerhin knapp 150 Kilometer drin. Geladen werden kann allein Wechselstrom mit maximal 2,0 kW – entweder über einen Schuko-Stecker oder (gegen Aufpreis) über ein Typ-2-Ladekabel. Fast vier Stunden braucht es deshalb, um den Ladestand von 20 auf 80 Prozent anzuheben. Oder eine Stunde, um 25 Kilometer Reichweite zurückzugewinnen. Nach französischem Verständnis entspricht dies der Dauer einer Mittagspause. Na Mahlzeit.
Mit Airbag und vier Scheibenbremsen
Investiert haben sie bei Renault – sorry, Mobilize – statt in einen kräftigeren Onboard-Charger lieber in die Bremsanlage, was drei Reisenden aus China beim plötzlichen Betreten der Fahrbahn das Leben retten sollte: Dank der Scheibenbremsen an allen vier Rädern kam der Duo kurz vor der Berührung mit ihren Hosenbeinen noch zum Stehen. Zudem sind die Zwillinge aus dem Renault-Nissan-Werk Tanger die ersten ihrer Klasse, bei dem zumindest der Fahrer durch einen Airbag geschützt ist. Die zweite Person auf dem Rücksitz wird nur durch einen Sicherheitsgurt gehalten.
Auch das Fahrwerk soll gegenüber dem Twizy deutlich verbessert worden sein. Davon war allerdings bei der Fahrt über Roms Kopfsteinpflaster aus spätantiken Zeiten nichts zu spüren: Schläge waren sowohl im Lenkrad wie auf der Sitzfläche heftig spürbar. Und der kleine, 7,4 kW starke 48-Volt-Motor an der Hinterachse – der sich auch in der mildhybriden Version des Renault Austral dreht – machte etwas mehr Lärm, als man von (gut gekapselten) Elektroautos gemeinhin gewohnt ist.
Aber was will man von einem Stromer dieser Preisklasse mehr erwarten? Auf einem Motorroller dröhnt es noch kräftiger. Und man ist obendrein Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt – der Duo hat ein Dach und im Unterschied zum Twizy auch Seitenfenster, die man wie in alten Zeiten hälftig nach oben klappen kann. Ja, an Bord ist sogar eine Sitzheizung für den Fahrer sowie eine beheizbare Frontscheibe. Und gegen einen Aufpreis von 1000 Euro gibt es auch noch eine Klimaanlage sowie Rückfahrradar (300 Euro). Was will man mehr, um schnell, sicher und trockenen Fußes durch die Stadt zu kommen?
Bento empfiehlt sich für Handwerker
So dürften auch Handwerker und Lieferdienste argumentieren, wenn sie ihre Beschäftigten für den Mobilize Bento zu erwärmen versuchen. Der kleine Lieferwagen hat vorne zwar nur Platz für einen Fahrer. Dahinter aber gibt es eine 88 Zentimeter hohe Ladebox mit einem Stauvolumen von 549 Litern und einer Zuladung von 80 Kilogramm. Sie lässt sich vielfach nutzen – für den Transport von Getränken hat ein Zulieferer sogar schon eine Kühlbox entwickelt. Auch eine kleine Pritsche ist in Vorbereitung, um den Bento in einen Pickup verwandeln zu können. Und eine Box für den Transport von Tieren undundund. Ideen zur kommerziellen wie privaten Nutzung des Bento gibt es reichlich. Vielleicht ließe sich daraus ja auch noch ein Wohnmobil machen – für unerschrockene Menschen, die – wie seinerzeit mit dem Twizy – sich irgendwann einmal mit dem Bento auf den Weg zum Nordkap machen wollen. Wer weiß das schon.
Fest steht derzeit nur, dass einige Exemplare des Bento demnächst den Dienst bei der französischen Post antreten werden. Der geringe Wendekreis von 6,30 Meter dürfte den Postboten sicher ebenso entgegenkommen wie die guten Sichtverhältnisse auch zur Seite sowie die robusten und unlackierten Stoßfänger – kleine Rempeleien sollen hier keine Spuren hinterlassen können. Wir drücken die Daumen.
Knapp drei Stunden hat unsere Rundfahrt mit dem kleinen Duo durch Rom gedauert, nur ein paar Ampeln – und lebensmüde Touristen aus Fernost – konnten uns dabei aufhalten. Auf der vielbesuchten Piazza Giuseppe Garibaldi fanden wir auf Anhieb einen Parkplatz und deutlich mehr Zuspruch als der Fahrer eines Porsche 911. Ja, der Kleine kann Spaß machen – als Zweitauto für die Stadt. Am Ende der flotten Rundfahrt hatten wir bei einem Ladestand von 76 Prozent immer noch eine Reichweite von 120 Kilometer. Das hätte locker gereicht, um auch ein paar Sehenswürdigkeiten außerhalb von Rom zu besichtigen, etwa den alten Hafen von Ostia am Mittelmeer. Na ja, vielleicht beim nächsten Mal.